Fraueneishockey

Scharfschützin auf dem Eis

Scharfschützin auf dem Eis

Datum:
Ort:
Deutschland
Lesedauer:
5 MIN

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Mitteleuropa schwitzt bei hochsommerlichen Temperaturen und in Dänemark beginnen die „kalten“ Wettkämpfe mit dem Puck. Vom 25. August bis 4. September findet die Frauen Eishockey-Weltmeisterschaft statt. Mit dabei und hoffentlich weit vorne: Team Deutschland. Unter den größten deutschen Talenten sind 11 Sportsoldatinnen der Bundeswehr.

Auf einer Bank sitzen einige Eishockeyspielerinnen in Trikots (rot, schwarz und weiß) und Helm mit ihren Schlägern

Die Nationalmannschaft der Frauen will bei der kommenden WM weit kommen. Mitten drin: Stürmerin Jule Schiefer.

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Unter der schweren Ausrüstung und dem Vollvisier sind die 16 Spielerinnen kaum unterscheidbar. Sie sind nach Füssen gekommen, um sich auf die bevorstehende Eishockey-Weltmeisterschaft vorzubereiten. Bundestrainer Thomas Schädler erklärt, was er in den kommenden anderthalb Stunden Eistraining sehen will. Zum Einstieg gibt es ein Passspiel: fünf gegen fünf auf engem Raum, mit nur einem Kontakt, bei ständiger Bewegung. Jule Schiefer ist mittendrin. Die 20-jährige Stürmerin ist eines der großen Talente im deutschen Frauen-Eishockey.

Zehn Teams spielen vom 25. August bis 4. September in Dänemark um den WM-Titel. Die deutschen Gruppengegner sind der Gastgeber, Schweden, Tschechien und Ungarn. Die ersten drei der Gruppe kommen ins Viertelfinale. „Das ist unser Ziel“, sagt Schädler. Der Bundestrainer weiß, dass spätestens im Halbfinale die großen Eishockeynationen USA, Kanada oder Finnland warten. Für deutsche Teams ist dann meistens Schluss. Aber die Frauen sind motiviert – und auf Wiedergutmachung aus. Letztes Jahr verpassten sie knapp die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Peking. „Jetzt wollen wir angreifen“, sagt Schädler. „Das Team will wieder positive Schlagzeilen machen. Dafür arbeiten alle hart.“

Das Spiel lenken

Die Pucks knallen gegen das Plexiglas. Die Spielerinnen feuern sich an. Bei Toren und Paraden klopfen sie mit den Schlägern aufs Eis. Jule Schiefer hat eine sehr gute Technik und einen präzisen Schuss. „Vom Typ her bin ich eher eine Spielmacherin und will meine Mitspielerinnen mit Pässen in Szene setzen.“ Die gebürtige Münchnerin hat in ihrer zweiten Profisaison aber auch bewiesen, dass sie Tore schießen kann. Im März wurde sie mit dem ERC Ingolstadt Deutsche Meisterin. Beim entscheidenden Spiel erzielte sie ein Tor und eine Vorlage. Mit zwölf Punkten in sieben Spielen war sie Topscorerin in den Playoffs. „Diese Saison hat alles gepasst. Wir waren ein sehr gutes Team und davon überzeugt, dass wir es schaffen können.“

auf einem Eishockeyfeld knien Spielerinnen in Trikots und hören dem Trainer zu, der etwas an eine Tafel schreibt

Bundestrainer Thomas Schädler erklärt, was er im Training sehen will. Die Spielerinnen nutzen die Chance, um sich kurz auszuruhen.

Bundeswehr/Sebastian Wilke
Vier Eishockeyspielerinnen beugen sich eng über einen Puck und versuchen, ihn mit ihren Schlägern wegzuschießen

Kurz danach geht es wieder zur Sache. Der Trainer will Tempo sehen.

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Eishockey bietet alles, was sich Fans wünschen: Spannung, Geschwindigkeit, Härte und Emotionen. Jule Schiefer hat früh damit angefangen. Ihre Familie wohnte in der Nähe einer Eishalle. Als ihr Bruder sie zum Eishockeytraining mitnahm, hat es sie gepackt. Schiefer blieb und zeigte früh ihr Talent – und ihren Mut. Mit 15 Jahren ging sie nach Kanada und dann in die USA, um noch besser zu werden. „Ich war vier Jahre dort und hätte aufs College gekonnt, aber dann kam Corona. Das Angebot von Ingolstadt war aber sehr gut und ich musste nicht lange überlegen.“ Nebenher studiert sie Psychologie in München. „Es ist schon stressig, alles unter einen Hut zu kriegen. Aber es klappt gut und macht mir viel Spaß“, erzählt sie.

Viele im Nationalteam machen eine Ausbildung oder studieren. Anders als die Männer kriegen die Frauen selten Gehälter und zahlen auch ihre Ausrüstung selbst. Dem Frauen-Eishockey mangelt es an TV-Geldern, Sponsoren und öffentlicher Wahrnehmung. Ins Fernsehen schaffen sie es meist nur bei großen Turnieren. Jule Schiefer wird von der Bundeswehr unterstützt. Seit September 2021 gehört sie mit zwölf Mitspielerinnen der Sportfördergruppe in München an. Der Leiter der Fördergruppe, Oberstabsfeldwebel Thorsten K., hält große Stücke auf die junge Stürmerin: „Wir sind überzeugt, dass sie viele Erfolge feiern wird.“

K. ist Vorgesetzter von 72 Sportsoldatinnen und -soldaten. „Wir unterstützen Spitzensportler, die olympische, nicht-olympische und militärische Sportarten ausüben“, erklärt er. Die Bundeswehr hat 15 Sportfördergruppen. Bei Olympischen Spielen sorgen Sportsoldatinnen und -soldaten meist für ein Drittel aller Medaillen.

„Ohne die Bundeswehr hätten es viele Sportarten schwer, sich zu behaupten“, sagt K. Die Förderung umfasst einen Wehrsold, medizinische Versorgung, Sportkleidung und die Übernahme der Kosten für die Ausbildung zur Sportsoldatin. Jule Schiefer hat im April in Hannover ihre Grundausbildung absolviert. Sie ist jetzt Obergefreiter und macht in Zukunft regelmäßig Lehrgänge bei der Bundeswehr. Die Entscheidung, wer in das Sportförderprogramm aufgenommen wird, treffen die Verbände selbst. K.: „Wer die Erwartungen nicht erfüllt, kann aus dem Programm fallen.“

Mehr Verantwortung übernehmen

Eine Eishockeyspielerin verbiegt ihren Schläger, als sie den Puck über die Eisfläche schießen will

Bei einem Schuss wirken gewaltige Kräfte auf die Schläger, deshalb gehen sie öfter zu Bruch

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Das Eistraining war schweißtreibend. Zeit zum Verschnaufen bleibt aber nicht. Der Kraftraum wartet: Athletiktraining. Die erfahrenen Spielerinnen machen Übungen vor und motivieren die anderen. „Die Chemie im Team ist sehr gut, aber es gibt wie in allen Mannschaftssportarten eine Hierarchie“, erklärt Bundestrainer Schädler. Er schaut sich die jungen Spielerinnen besonders an. Im Team findet ein Umbruch statt. „Mehrere Ältere haben nach der Saison aufgehört. Bei der WM sollen die Jüngeren die Lücke schließen.“ Jule Schiefer ist eine davon. Sie weiß, wo sie sich noch steigern kann: „Ich muss bei der Athletik noch zulegen. Die Trainer erwarten von mir, dass ich mehr Verantwortung auf dem Eis übernehme.“ Das Zeug dazu hat sie.

Wer verliert, macht Liegestütze

Die Mittagspause war kurz. Das zweite Eistraining steht an. Die Mannschaft übt Spielzüge. Die Frauen sind sehr konzentriert, von Müdigkeit und Erschöpfung ist nichts zu spüren. Vor jeder Übung fragt der Trainer, was das Verliererinnenteam machen muss: Strecksprünge, Liegestütze oder Sit-ups. „Die kleinen Strafen lockern die Atmosphäre und sind ein zusätzlicher Ansporn“, so Schädler. Die Gewinnerinnen schauen freudig zu. Sie wissen, dass sie beim nächsten Mal selbst wieder dran sein könnten.

Zwischen eng stehenden Toren spielen Eishockeyspielerinnen vier-gegen-vier beobachtet von Trainern

Die Spielerinnern üben auf kleinem Raum verschiedene Spielzüge und Taktiken – und werden dabei genau beobachtet

Bundeswehr/Sebastian Wilke
Eine Eishockeyspielerin versucht, ein Tor zu erzielen

Jule Schiefer (rechts) hat eine sehr gute Technik und einen präzisen Torschuss

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Ein kurzes Krachen, der Schläger von Jule Schiefer ist gebrochen. Ansonsten läuft das Training gut für sie. Als Spielmacherin verteilt sie die Pucks routiniert und trifft einmal selbst ins Tor. Nach anderthalb Stunden haben sie und ihre Kameradinnen es geschafft. Morgen geht es weiter. Ein Streamingdienst wird die WM in Dänemark live übertragen. Jule Schiefer freut sich über das Interesse: „Wir wünschen uns, dass unsere Leistung mehr wahrgenommen wird. Je mehr zuschauen und mitfiebern, desto besser.“

von Florian Stöhr   E-Mail schreiben

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