Rehabilitierung homosexueller Soldatinnen und Soldaten
Die deutschen Streitkräfte bekennen sich zu Toleranz und Vielfalt. Das war nicht immer so. Homosexuelle Soldatinnen und Soldaten sind von der Gründung der Bundeswehr bis ins Jahr 2000 hinein systematisch diskriminiert worden. Jetzt folgt die Rehabilitierung der damals ausgegrenzten Soldatinnen und Soldaten.
Rehabilitierung homosexueller Soldatinnen und Soldaten
Homosexuelle Soldaten und Soldatinnen wurden in der Bundeswehr jahrzehntelang systematisch diskriminiert. Bis zum Jahr 2000 waren sie in den Streitkräften unerwünscht. Vor allem Berufssoldaten waren gezwungen, ihre Sexualität zu verleugnen. Wer dazu nicht bereit war, musste mit beruflichen Nachteilen bis hin zum Karriereaus rechnen.
Wie die Ausgrenzung Homosexueller begründet und in die Tat umgesetzt wurde, lässt sich in der Studie „Tabu und Toleranz“ des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr nachlesen. Handelten die Streitkräfte zunächst im Einklang mit dem Gesetz – bis 1969 stellte der Paragraf 175 Strafgesetzbuch auch einvernehmlichen Sex unter Männern unter Strafe –, hielt die militärische Führung der gesellschaftspolitischen Entwicklung zum Trotz noch lange daran fest, dass Homosexuelle für den Dienst in der Truppe ungeeignet seien.
Erst unter dem Druck der Öffentlichkeit passten sich die Streitkräfte dem gesellschaftlichen Wandel an. Heute sind homosexuelle Soldatinnen und Soldaten selbstverständlicher Teil der Bundeswehr. Beschämend bleibt aber, dass dem nicht immer so war. Deshalb werden die Betroffenen gesetzlich rehabilitiert und können auch eine finanzielle Entschädigung beantragen. Das erlittene Unrecht kann so zwar nicht ungeschehen gemacht werden. Aber vielleicht trägt ihre Rehabilitierung dazu bei, dass die Diskriminierten ihren Frieden mit der Bundeswehr machen können.
Fragen und Antworten
Das BMVgBundesministerium der Verteidigung hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, der die berechtigten Anliegen der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen, wegen ihrer homosexuellen Orientierung oder wegen ihrer geschlechtlichen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten aufgreifen und zu ihrer Rehabilitierung führen soll.
Vorgesehen ist, dass wehrdienstgerichtliche Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen aufgehoben werden und auch eine Rehabilitierung wegen sonstiger, bis ins Jahr 2000 erlittener erheblicher dienstrechtlicher Benachteiligungen erfolgt. Soldatinnen und Soldaten, die solche Benachteiligungen wegen ihrer geschlechtlichen Identität erleiden mussten, sind ebenfalls einbezogen. Die Rehabilitierung ist für jede Betroffene und jeden Betroffenen mit einer symbolischen Entschädigung für die durch die Verurteilung oder durch die sonstige dienstrechtliche Benachteiligung erlittene Diskriminierung verbunden.
Das Portal Rehahom
Das Verteidigungsministerium hat eine Service-Website eingerichtet, um diskriminierten homosexuellen Soldatinnen und Soldaten die Stellung von Anträgen zur Rehabilitierung und Entschädigung nach dem SoldRehaHomG zu erleichtern. Nach der Registrierung als Nutzer kann es direkt losgehen. Ein umfangreiches FAQFrequently Asked Questions erleichtert Antragstellern die Orientierung auf der Seite.
Fragen und Antworten
Wie komme ich zu meinem Recht? Bin ich überhaupt anspruchsberechtigt? Und welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um eine Entschädigung in welcher Höhe zu erhalten? Nach dem Inkrafttreten des SoldRehaHomG stellen sich diskriminierten homosexuellen Soldatinnen und Soldaten viele Fragen. Die Juristen des Verteidigungsministeriums beantworten sie.
Soldatinnen und Soldaten sowie Reservisten und Reservistinnen der Bundeswehr werden rehabilitiert. Ebenso werden auch frühere Soldatinnen und Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVANationale Volksarmee) rehabilitiert.
Das SoldRehaHomG
- hebt wehrdienstgerichtliche Urteile auf, soweit sie wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen ergangen sind, die heute kein Dienstvergehen mehr darstellen,
- rehabilitiert die Diskriminierung durch nicht unerhebliche dienstrechtliche Benachteiligungen, die aus heutiger Sicht Unrecht ist.
Nein, die Urteile wurden automatisch kraft Gesetzes aufgehoben. Ein Antrag auf Aufhebung eines unter das Gesetz fallenden Urteils ist somit nicht erforderlich. Die RehaHomStelle bestätigt jedoch auf Antrag die Aufhebung eines konkreten Urteils oder eines bestimmten Teils eines Urteils in einem Bescheid und der dazu gehörigen Rehabilitierungsbescheinigung.
Die Aufhebung eines Urteils dient ausschließlich der Rehabilitierung der Betroffenen und entfaltet sonst keine Rechtswirkung.
Es handelt sich dabei um Urteile, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen ergangen sind. Dies gilt nicht für solche Handlungen, die auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch ein Dienstvergehen darstellen.
Von der Rehabilitierung ausgeschlossen sind homosexuelle Handlungen, die auch heute noch ein Dienstvergehen darstellen.
Folgende Verurteilungen sind deshalb von der Rehabilitierung nicht umfasst:
- Verurteilungen, denen Handlungen zugrunde liegen, die einen Tatbestand der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung des Strafgesetzbuches in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes geltenden Fassung erfüllen.
- Verurteilungen, denen eine homosexuelle Handlung zugrunde lag, die zugleich eine weitere Dienstpflichtverletzung darstellte, zum Beispiel:
- Verletzung der Pflicht zur Dienstleistung durch Vornahme einer (homo-)sexuellen Handlung während der Dienstzeit,
- Verletzung der Pflicht zur Kameradschaft durch Missbrauch der Dienststellung, insbesondere der Vorgesetztenstellung.
Eine Aufhebung kommt nur in Betracht, soweit die Verurteilung wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen erfolgte, die heute keine Dienstpflichtverletzung mehr darstellen. In Fällen, in denen wehrdienstgerichtliche Entscheidungen aufgrund mehrerer Dienstpflichtverletzungen ergangen sind und bei denen die Voraussetzungen für eine Urteilsaufhebung nur hinsichtlich eines Teils des Urteils vorliegen, erfolgt eine Aufhebung nur für diesen Teil.
Nein, aber es kann ein Antrag auf Erlaubnis zum Führen des verlorenen Dienstgrades nach § 2 Absatz 3 SoldRehaHomG gestellt werden.
Es kann ein Antrag auf Erlaubnis zum Führen des verlorenen Dienstgrades nach § 2 Absatz 3 SoldRehaHomG gestellt werden.
Es wird rehabilitiert, wer aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen, der homosexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität bis zum 3. Juli 2000 nicht nur unerhebliche dienstrechtliche Nachteile erlitten hat, die aus heutiger Sicht Unrecht sind.
Eine nicht unerhebliche dienstrechtliche Benachteiligung, die auf der Anwendungspraxis des Erlasses vom 13. März 1984 beruht, liegt vor, wenn jemand
- aus dem Dienst entlassen worden ist,
- nicht mehr befördert oder nicht mehr mit höherwertigen Aufgaben betraut worden ist,
- nicht mehr in einer Dienststellung als unmittelbare Vorgesetzte oder unmittelbarer Vorgesetzter in der Truppe verblieben ist,
- in ihre oder seine frühere Laufbahn zurückgeführt worden ist oder
- nach damaliger Praxis einer Maßnahme vergleichbarer Intensität ausgesetzt war.
Nicht dem Dienstherrn zurechenbare Diskriminierungen (zum Beispiel Mobbing unter Kameraden) sind von dem Gesetz nicht erfasst.
Benachteiligungen wegen des Geschlechts an sich werden nicht von diesem Gesetz erfasst.
Auf Antrag stellt die RehaHomStelle fest,
- ob und gegebenenfalls inwieweit ein konkretes Urteil aufgehoben wurde.
- dass und gegebenenfalls inwieweit eine nicht unerhebliche dienstrechtliche Benachteiligung im Sinne des SoldRehaHomG vorliegt, die aus heutiger Sicht Unrecht war.
Über diese Feststellungen wird der antragstellenden Person eine Rehabilitierungsbescheinigung ausgestellt.
Eine Bescheinigung über die Urteilsaufhebung kann von persönlichem Interesse sein, um einen schriftlichen Nachweis über die Rehabilitierung zu haben. Mit dieser schriftlichen Rehabilitierungsbescheinigung kann der oder die Betroffene zur persönlichen Genugtuung deutlich machen, dass ihm oder ihr in der Vergangenheit Unrecht widerfahren ist.
Eine Rehabilitationsbescheinigung kann beantragt werden
- durch die betroffene Person
- nach deren Tod durch
- ihre Ehegattin oder ihren Ehegatten,
- die Verlobte oder den Verlobten,
- ihre Eltern, Kinder oder Geschwister.
Eine Rehabilitierung und Entschädigung kann bei der RehaHomStelle beantragt werden.
Die Anträge können formlos gestellt werden. Zur Erleichterung hat die RehaHomStelle aber ein Antragsformular (PDF, 414,5 KB) vorbereitet. Mit diesem Formular wird sichergestellt, dass alle erforderlichen Angaben übermittelt werden. Eine Rehabilitierungsbescheinigung und eine Entschädigung für eine aufgehobene Verurteilung und für die Feststellung einer nicht unerheblichen dienstrechtlichen Benachteiligung können zusammen mit einem Formular beantragt werden.
Der Antrag kann mit der Post, per Telefax oder elektronisch an die RehaHomStelle gesendet oder über das Online-Antragsportal gestellt werden.
Der Antrag kann auch mündlich erklärt werden.
Die Aufhebung der wehrdienstgerichtlichen Urteile wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen und die Feststellung, dass die erhebliche dienstrechtliche Benachteiligung Unrecht war, ist für die betroffene Person mit einer Entschädigung zur Anerkennung des durch die Diskriminierung hervorgerufenen persönlichen Leids verbunden.
Die pauschalierte Entschädigung beträgt 3.000 € je aufgehobene Verurteilung.
Die pauschalierte Entschädigung beträgt einmalig 3.000 Euro für nicht unerhebliche dienstrechtliche Benachteiligungen.
Es handelt sich um einen höchstpersönlichen Anspruch, der weder vererbbar noch übertragbar ist und auch nicht gepfändet werden kann.
Neben der betroffenen Person selbst können auch enge Familienangehörige die Rehabilitierung beantragen, sofern die betroffene Person bereits verstorben ist.
Nur die zu rehabilitierende Person selbst kann eine Entschädigung beantragen. Sie kann sich aber bei der Antragstellung der Hilfe anderer Personen bedienen oder sich vertreten lassen. Diese Möglichkeit sieht sowohl das Antragsformular (PDF, 414,5 KB) als auch das Online-Antragsportal vor. Familienangehörige können nach dem Tode der betroffenen Person nur eine Rehabilitierung, nicht aber eine Entschädigung erhalten.
Eine Entschädigung kann bei RehaHomStelle beantragt werden.
Die Anträge können formlos gestellt werden. Zur Erleichterung hat die RehaHomStelle aber ein Antragsformular (PDF, 414,5 KB) vorbereitet. Mit diesem Formular wird sichergestellt, dass alle erforderlichen Angaben übermittelt werden. Eine Entschädigung für eine aufgehobene Verurteilung und für die Feststellung einer nicht unerheblichen dienstrechtlichen Benachteiligung können zusammen mit einem Formular beantragt werden.
Der Antrag kann mit der Post, per Telefax oder elektronisch an die RehaHomStelle gesendet oder über das Online-Antragsportal gestellt werden. Der Antrag kann auch mündlich erklärt werden.
Sofern noch Unterlagen vorhanden sind, können diese dem Antrag auf Entschädigung beigefügt werden. Der Nachweis kann erfolgen durch:
- eine Ausfertigung des aufgehobenen Urteils (wenn noch vorhanden) oder
- Personalverfügung oder
- schriftliche Zeugenaussagen oder
- sonstige Unterlagen.
Sollten keine Unterlagen oder sonstige Nachweise mehr vorhanden sein, kann eine Versicherung an Eides statt zur Glaubhaftmachung abgegeben werden.
Nein. Durch die Verwendung des Antragsformulars (PDF, 414,5 KB) wird jedoch sichergestellt, dass alle zur Bearbeitung Ihres Antrags erforderlichen Angaben erfolgen.
Nein. Die Antragstellung kann auch mit der Post, per Telefax oder elektronisch erfolgen. Der Antrag bei der RehaHomStelle kann auch mündlich erklärt werden.
Nein. Die gemachten Angaben können von der RehaHomStelle während der Bearbeitung plausibilisiert werden. Für die antragsgemäße Bescheidung genügt die Glaubhaftmachung des Vortrags. Gegebenenfalls ist das eigene Vorbringen eidesstattlich zu bekräftigen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die Diskriminierungen Jahrzehnte zurückliegen und es den meisten Betroffenen schwerfallen dürfte, dafür noch Belege vorzubringen.
Ja. Der Anspruch auf Entschädigung kann nur bis zum 23. Juli 2026 gestellt werden.
Nein. Das Gesetz regelt, dass die dort vorgesehenen Entschädigungsleistungen auf sämtliche Sozialleistungen, zum Beispiel Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder Wohngeld, nicht angerechnet werden. Die Anrechnungsfreiheit bezieht sich sowohl auf das Einkommen als auch auf das Vermögen. Die im Gesetz vorgesehenen Entschädigungsleistungen bleiben außerdem bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens aufgrund des Einkommensteuergesetzes unberücksichtigt.
Hierdurch wird sichergestellt, dass die Entschädigungsbeträge der rehabilitierten Person für die Zwecke zur Verfügung stehen, für die sie bestimmt sind, nämlich als Genugtuung für erlittene dienstrechtliche Benachteiligungen, die aus heutiger Sicht in besonderer Weise grundrechtswidrig sind.
Ein Bescheid, der aufgrund falscher Angaben erlangt wurde, ist rechtswidrig und kann daher vom Verteidigungsministerium zurückgenommen werden. Mit einer bewussten Angabe falscher Umstände in Bereicherungsabsicht kann der Straftatbestand des Betruges erfüllt sein. Eine falsche Versicherung an Eides statt ist außerdem strafbar.
Nein, für das Verfahren bei der RehaHomStelle werden keine Kosten erhoben.
Ja. Sollte die antragstellende Person mit der Entscheidung der RehaHomStelle nicht einverstanden sein, so hat sie die Möglichkeit, die Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte überprüfen zu lassen.
Downloads
Hier finden betroffene Soldatinnen und Soldaten und ihre Angehörigen das Antragsformular für eine Rehabilitierung und Entschädigung nach dem SoldRehaHomG. Das Verteidigungsministerium hat außerdem ein Informationsblatt mit wichtigen Fakten zum SoldRehaHomG und zur Antragstellung zusammengestellt. Es kann ebenfalls hier heruntergeladen werden.
Berichterstattung
Die aktuelle Berichterstattung sowie alle Meldungen zur Rehabilitierung homosexueller Soldatinnen und Soldaten werden an dieser Stelle zusammengefasst.
Kontakt
Bei Fragen zur Rehabilitierung homosexueller Soldatinnen und Soldaten können Sie sich gerne an die Rehabilitierungs- und Entschädigungsstelle des BMVgBundesministerium der Verteidigung wenden. Sie ist von Montag bis Freitag von 9 bis 15 Uhr zu erreichen.
Bundesministerium der Verteidigung
Referat RO III 5
- Antragstelle für die Rehabilitierung und Entschädigung nach dem SoldRehaHomG -
Postfach 13 28
53003 Bonn
+49 228 12 -13851 (Geschäftszimmer)
BMVgRIII5RehaHom@bmvg.bund.de
Telefax: +49 228 12 -3343850
Studie vom ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften hat drei Jahre an der Studie „Tabu und Toleranz. Der Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität von 1955 bis zur Jahrtausendwende“ gearbeitet.