Inklusion in der Bundeswehr

Vielfalt birgt Potenzial und verlangt nach Chancengerechtigkeit. Bei der Bundeswehr zählen Eignung, Leistung und Befähigung. Und zwar unabhängig von Geschlecht, ethnischer Herkunft oder Religion, von Weltanschauung oder Behinderung, Alter oder sexueller Identität und Orientierung.

Eine männliche Person fährt im Rollstuhl den Flur einer Klink entlang

Inklusion in der Bundeswehr nutzt Potenziale

Wer ein Handicap hat, kann eines besonders gut: kreative Lösungen für Probleme finden. Hindernisse aus dem Weg zu räumen, gehört für Männer und Frauen mit Beeinträchtigungen schließlich zum Alltag. Ohne Einfallsreichtum und Flexibilität kämen sie sonst nicht weit. Arbeitgeber, die keine behinderten Menschen beschäftigen, lassen also viel Potenzial ungenutzt.

Inklusion: Bundeswehr als beispielhafter Arbeitgeber

Aktuell dienen knapp 9.500 Inhaberinnen und Inhaber eines Schwerbehindertenausweises oder eines Gleichstellungsbescheides in der Bundeswehr. Darunter mehr als 1.300 Soldaten, die unter anderem mit Einsatzschädigungen wie einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBSPosttraumatische Belastungsstörung) nach Hause gekommen sind, sowie mehr als 8.100 Zivilbeschäftigte. Unter den Zivilbeschäftigten beträgt der Anteil der schwer beeinträchtigten Personen rund zehn Prozent. Die Inklusion in der Bundeswehr zeugt vom Willen, ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein. Ein Ziel, das mit Aussetzung der Wehrpflicht noch wichtiger geworden ist.

Inklusion gehört zur Vielfalt

Zum Vergleich: In der Privatwirtschaft haben gerade einmal vier Prozent der Beschäftigten ein Handicap. In Sachen Inklusion ist die Bundeswehr mit ihrem hohen Anteil an schwerbehinderten zivilen Beschäftigten sowie Soldatinnen und Soldaten Vorreiter im Arbeitsleben. Außerdem entspricht es einer generellen gesellschaftlichen Entwicklung: Vielfalt ist Leitbild der Europäischen Union und Teil des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Es geht dabei nicht nur um die Inklusion behinderter Personen und die Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch um die Anerkennung ethnischer, religiöser, sexueller, demografischer und sozialer Unterschiede.

Win-Win-Situation für alle Beteiligten

Politik und Wirtschaft haben erkannt, dass es dabei um mehr geht als um Chancengerechtigkeit und Teilhabe. Es geht darum, dass jedem Einzelnen die Entfaltung seines Potenzials ermöglicht wird. Studien haben gezeigt, dass Vielfalt Kreativität und Innovationen fördert und somit allen zu Gute kommt: Eine Gruppe ist produktiver, wenn ihre Mitglieder unterschiedliche Einflüsse einbringen. Wer die Vielfältigkeit seiner Belegschaft klug einsetzt, arbeitet demnach erfolgreicher. Eine klare „Win-Win-Situation.“

Bunte Teams – sozialer Friede

In bunten Teams spielt ein weiterer Aspekt eine Rolle: Anderssein wird positiv definiert, das Einbringen individueller Potenziale ist ausdrücklich erwünscht. Diese Wertschätzung führt dazu, dass die Mitglieder des Teams bessere Arbeit leisten und zufriedener sind. Wenn sich die Veränderungen in der Bevölkerung auch am Arbeitsplatz widerspiegeln, trägt dies auch zum gesellschaftlichen Frieden bei: Wenn sich niemand grundsätzlich ausgeschlossen fühlt, entstehen weniger soziale Spannungen.

Diversität braucht Akzeptanz und Reflexion

Der Umgang mit Vielfalt muss allerdings geübt werden. „Niemand macht sich Gedanken darüber, dass ein Stehempfang nicht der beste Event für Menschen ist, die im Rollstuhl sitzen – bis jemand, der im Rollstuhl kommt, sagt: wie soll ich denn mit euch kommunizieren?“, erklärt Diversitäts-Forscherin Andrea Bührmann von der Universität Göttingen. Es gehe bei Diversität immer auch darum, die eigenen Vorstellungen von Normalität zu hinterfragen.

Ein Soldat mit Beinprothese in Sportbekleidung auf dem Rudergerät

Auch Behinderte können Höchstleistungen erbringen – wie sie es beispielsweise bei den Invictus Games beweisen.

Bundeswehr/Patrik Bransmöller


Ein Wandel von Grund auf

Dieser Prozess der Inklusion läuft nicht immer ohne Spannungen ab – Organisationen müssen ihre Struktur und Kultur von Grund auf ändern. Um den Wandel zu begleiten, leisten Interessenvertreter Aufklärungsarbeit. Ihre Hauptaufgaben besteht darin, bei Vorgesetzten das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Behinderte nicht automatisch als weniger leistungsfähig angesehen werden. Sie müssen deshalb auch nicht ungefragt geschont werden. Mit der Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ hat sich das Verteidigungsministerium ausdrücklich zur Förderung von Minderheiten bekannt. Eine dieser Minderheiten sind körperlich schwer beeinträchtigte Männer und Frauen.

Michael Heitfeld, ehemalige Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim BMVg
Der Leitgedanke ist, dass die Menschen nicht behindert sind – sondern dass sie durch Barrieren in ihrer Umgebung behindert werden

Ohne Infrastruktur keine Inklusion

Voraussetzung ist also, dass die Bedingungen auf der Arbeit passen. Entspricht die Infrastruktur den Bedürfnissen der Schwerbehinderten, können sie ihre Stärken voll zur Geltung bringen. Soldat können sie zwar nicht werden. Aber in der Verwaltung und in den Büros sind Blinde oder Gehbehinderte ohne Weiteres einsetzbar. Wenn für einen behindertengerechten Arbeitsplatz gesorgt wird, können alle profitieren. So funktioniert Inklusion bei der Bundeswehr.

Beschäftigung von Schwerbehinderten ist Pflicht

Um die berufliche Teilhabe von Männern und Frauen mit Behinderung zu verbessern, gibt es in Deutschland eine gesetzliche Beschäftigungsquote. Privatwirtschaftliche Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern müssen fünf Prozent der Belegschaft aus den Reihen der schwer beeinträchtigten Menschen rekrutieren. Im Öffentlichen Dienst gilt eine Quote von sechs Prozent. Halten die Arbeitgeber diese Quote nicht, muss eine monatliche Ausgleichsabgabe gezahlt werden.

Inklusion: Bundeswehr geht mit gutem Beispiel voran

Trotz dieser Regelung verzichten viele Unternehmen auf die Beschäftigung Schwerbehinderter und zahlen lieber die Abgabe. Sie scheuen die Verantwortung, kritisiert Heitfeld. Der Öffentliche Dienst und die Bundeswehr haben deshalb eine Vorbildfunktion. Heute ist es allgemeine Überzeugung, dass auch Menschen mit Behinderung zur Bundeswehr gehören.

Einer von elf Deutschen ist schwerbehindert

7,6 Millionen Deutsche waren Ende 2015 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes schwer behindert – dies entsprach einem Gesamtanteil an der Bevölkerung von 9,3 Prozent.

Als solches gilt, wer von den Versorgungsämtern einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anerkannt bekommt. Die physische oder psychische gesundheitliche Einschränkung muss länger als sechs Monate andauern und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stark beeinträchtigen. Personen mit einem geringeren GdB, aber dennoch starken Nachteilen, können eine Gleichstellung mit den Schwerbehinderten beantragen. 1,8 Millionen Deutsche weisen den höchsten GdB von 100 auf.

Drei Viertel der Schwerbehinderten sind älter als 55 Jahre. 61 Prozent der Betroffenen sind körperlich, zwölf Prozent geistig behindert. Neun Prozent leiden unter Störungen des zentralen Nervensystems, bei 18 Prozent ist die Art der Behinderung nicht näher spezifiziert. 86 Prozent der Beeinträchtigungen wurden durch Unfälle verursacht. 0,3 Prozent der schwerbehinderten Personen trugen einen gesundheitlichen Schaden beim Wehr- oder Zivildienst oder als Kriegsfolge davon.

Schwerbehinderte werden vom Gesetzgeber unterstützt, um ihre Teilhabe an der Gesellschaft zu erleichtern. So erhalten sie sogenannte Nachteilsausgleiche im Berufs- und im Privatleben. Beispielsweise bekommen schwerbehinderte Menschen fünf Tage mehr Urlaub im Jahr, haben einen erhöhten Kündigungsschutz und müssen keine Überstunden machen.

Auf Stube on Tour: Inklusion in der Bundeswehr

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