Selbstverständnis

Flaggengruß und Zapfenstreich: Brauchtum der Bundeswehr

Warum legen Soldaten zur Begrüßung die Hand an die Mütze? Warum wird „Zapfenstreich“ befohlen? Weil beides und vieles andere zum Brauchtum der Bundeswehr gehört. Doch was ist der Unterschied zwischen dem Brauchtum der Bundeswehr und ihrer Tradition? Ein Experte gibt Auskunft.

Ein Soldat in Rückenansicht legt grüßend die Hand an die Mütze

Die Bundeswehr und das Soldatenleben sind tief von Brauchtum geprägt - doch kaum einer weiß es: Zum Beispiel gehören der militärische Gruß, die Uniform oder das Feierliche Gelöbnis zum Brauchtum. Ohne sie wäre die Bundeswehr nicht die Truppe, die wir kennen. Vielfach herrscht Unwissen über die Fülle des Brauchtums der Bundeswehr, da es fälschlicherweise oft mit Tradition gleichgesetzt wird. Aber: „Viele überlieferte Formen, Sitten und Gepflogenheiten sind nicht Tradition, sondern Brauchtum, also militärische Gewohnheiten und Förmlichkeiten“, hält der Traditionserlass der Bundeswehr fest. 

Ein Soldat im Porträt
Oberst i.G. Dr. Sven Lange Bundeswehr/Jonas Weber
Tradition hat einen Kern aus Werten. Brauchtum ist bloße Hülle.

Tradition ist der „Kern der Erinnerungskultur der Bundeswehr“ und des „werteorientierten Selbstverständnisses.“ Ein Brauch transportiert jedoch keinen Wert, auch im Brauchtum der Bundeswehr steht vielmehr die Form vor dem Inhalt: „Tradition hat einen Kern aus Werten. Brauchtum ist bloße Hülle“, fasst Oberst Dr. Sven Lange zusammen. Tradition müsse einen Wertebezug haben wie „Freiheit, Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit“, so der promovierte Historiker und Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam.

Brauchtum: Orientierung und Halt

Militärisches Brauchtum hat sich über lange Zeit gebildet und verändert. Es stützt sich auf Überlieferung: Der Ursprung, wann, wie und weshalb sich bestimmte Bräuche herausgebildet haben, lässt sich oft nicht mehr eindeutig bestimmen. Aber das Brauchtum der Bundeswehr ist wichtig für die Truppe und für die soldatische Gemeinschaft. Es fördert Zusammenhalt und Kameradschaft. Es stärkt das „Wir-Gefühl“ und „gibt uns Handlungssicherheit im militärischen Alltag“, so Lange.

Eine Soldatin in Rückenansicht beim Flaggengruß, dahinter bläst ein Soldat in eine Bootsmannspfeife

Besonderes Brauchtum in der Marine. Eine Offizierin in Tropenflecktarnuniform grüßt die Heckflagge des Schiffes. Der Unteroffizier in Khaki pfeift dazu eine Seite, ein Signal auf der Bootsmannsmaatenpfeife, da gerade ein Offiziersrang an Bord kommt.

Bundeswehr/Marcus Rott

In einer Welt des permanenten Wandels und wachsender Unsicherheit gibt Brauchtum den Soldatinnen und Soldaten Orientierung und Halt. Viel vom Brauchtum in der Bundeswehr wird - im Gegensatz zur Tradition - nur in einzelnen Truppengattungen, Teilstreitkräften oder Einheiten gepflegt, da es ihre Besonderheiten hervorhebt. In der Marine gibt es zum Beispiel andere Bräuche als im Heer, in der Luftwaffe oder der Streitkräftebasis. Ein Beispiel ist der Flaggengruß auf Schiffen und Booten, wenn die Soldatinnen und Soldaten in Richtung der deutschen Flagge am Heck des Schiffes salutieren.

Neben diesen Spezialfällen gibt es auch allgemeingültige Formen. Hierzu zählen Appelle und der militärische Gruß. Eine vorgesetzte Person mit ihm zu grüßen, also mit den Fingerspitzen die Stirn oder den Rand der Kopfbedeckung zu berühren, stammt aus der mittelalterlichen Sitte der Ritter. Wenn sich zwei Ritter begegneten, hoben sie ihre Helmvisiere und gaben sich so zu erkennen. Soldatinnen und Soldaten könnten sich auch nur mit Worten und Handschlag begrüßen, doch mit dem militärischen Gruß verhalten sie sich berufskonform und erinnern sich zugleich an ein tugendhaft-ritterliches Verhalten.

Zeremoniell: Gelöbnis, Zapfenstreich und Serenade

Außerhalb der Kasernen sind öffentlich abgehaltene Feierliche Gelöbnisse und Große Zapfenstreiche die sichtbarsten Beispiele für das Brauchtum der Bundeswehr. Doch hier fließen Brauchtum und Tradition ineinander. Der Brauch des Gelobens ist zu einer Tradition geworden, da er auf Werte verweist, wie Recht und Freiheit. Das Gelöbnis selbst und sein festgelegter Ablauf sind rituelles Brauchtum: Es markiert den Beginn eines neuen Lebensabschnittes für die Soldatinnen und Soldaten.

Beim Gelöbnis werden Rekruten in die Gemeinschaft der Soldatinnen und Soldaten aufgenommen. Obwohl rein rechtlich auch Soldat oder Soldatin sein kann, wer nicht gelobt hat, ist es unverändert ein Zeichen für die Aufnahme in die militärische Gemeinschaft und für die freiwillige Übernahme soldatischer Pflichten. Jede Soldatin und jeder Soldat der Bundewehr schwört oder gelobt, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“

Der Große Zapfenstreich ist das höchste Zeremoniell der deutschen Streitkräfte. Meist tritt die Truppe hierfür an, um die ranghöchsten zivilen und militärischen Amtsträgerinnen und -träger der Bundesrepublik Deutschland zu ehren, wenn sie aus dem Amt scheiden. Die Serenade, bestehend aus bis zu drei von den zu Ehrenden frei wählbaren Musikstücken, ist fester Bestandteil des Großen Zapfenstreichs. Sie kann jedoch auch als eigenes Ehrenzeremoniell abgehalten werden. Wem wann welches Zeremoniell zusteht, regeln Vorschriften der Bundeswehr.

Uniformen: Kleider machen Leute

Das Brauchtum der Bundeswehr stärkt ihre Identität. Ein Beispiel ist die Uniform: Anders als zivile Bürgerinnen und Bürger tragen Soldatinnen und Soldaten eine Uniform. Uniformiert unterscheiden sich Soldatinnen und Soldaten so von ihrem Umfeld, aber auch von Soldaten anderer Länder. Zu den eigenen Kameradinnen und Kameraden schafft die gemeinsame Uniform dagegen eine tiefe Verbindung. Uniformfarbe und -schnitt sind Brauchtum: Die Truppengattungen im Heer tragen zum Beispiel alle den gleichen feldgrauen Dienstanzug. Aber an der Litzenfarbe der Schulterklappe und am Kragenspiegel erkennt man die einzelnen Truppengattungen: Grün tragen zum Beispiel Infanteristen und goldgelb die Aufklärer. 

Viele Soldaten in Uniform sind nebeneinander angetreten

Beim Heer lassen die Farben der Litzen an den Dienstgradschlaufen die Profession der Soldatinnen und Soldaten erkennen: Grün trägt die Infanterie. Der Blick auf das Barett und das dazugehörige Abzeichen macht klar: Hier sind Jäger angetreten.

Bundeswehr/ Marco Dorow

Die Farben wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewählt, doch sind sie heute ein „Erkennungscode für die Soldatinnen und Soldaten“, sagt Oberst Dr. Lange. Andere Elemente der Uniform wie die Fangschnur oder das Portepee dienten früher einem praktischen Zweck – dem Sichern der Kopfbedeckung des Reiters oder des Säbels an der Hand – und sind heute, nachdem ihr Zweck vergangen ist, nur noch Zierde oder Namensbestandteil der Dienstgradgruppe der Unteroffiziere mit Portepee.

Brauchtum: Steter Wandel im Lauf der Zeit

Brauchtum kann die Zeiten überdauern, aber auch verschwinden, wie etwa der Degen oder Säbel der Offiziere. Dessen Verleihung nach bestandener Offizier-Prüfung geht auf die Schwertleite der Ritter zurück, bei der die Ritter vom König ihre Waffen empfingen. Das ritterliche Ideal mag noch bestehen, der Säbel als Waffe hat jedoch ausgedient. 

Brauchtum wird auch dann nicht mehr ausgeübt, wenn sich Rechts- und Wertvorstellungen ändern. Manche Soldatenlieder etwa werden nicht mehr gesungen, wenn sie mit der Tradition oder dem Werteverständnis nicht länger vereinbar sind. 

Brauchtum kann aber auch wiederbelebt oder gar gänzlich neu geschaffen werden, wie das Ehrenmal der Bundeswehr am Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums zeigt. Das 2009 eingeweihte Denkmal dient mit dem Wald der Erinnerung dem Gedenken an die Gefallenen und Getöteten der Bundeswehr. Gäste und Besucher legen hier Kränze und Blumen ab und können individuell um die Verstorbenen trauern.

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