Steter Wandel: Die Reformen der Bundeswehr

Streitkräfte müssen sich verändern, um neuen Herausforderungen zu begegnen. Dem dienten auch die zahlreichen Reformen der Bundeswehr.

De Maizière und Soldat schauen auf Karte

Der Aufbau der Bundeswehr als Reform

De Maizière spricht mit Soldaten

Der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr Ulrich de Maizière – sein Name ist untrennbar verbunden mit dem Konzept der Inneren Führung.

Bundeswehr/Günther Oed

Mit dem Aufbau der Bundeswehr begann bereits ihre erste Reform: Das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform und die Konzeption der Inneren Führung waren ein radikaler Bruch mit dem soldatischen Selbstverständnis bisheriger deutscher Armeen. Nun sollten die Soldaten mehr sein als nur militärische Profis. Als mündige Staatsbürger sollten sie nicht den Kadavergehorsam früherer Zeiten leben.

Die Menschen in der Bundeswehr haben seitdem die gleichen Rechte wie jene, die nicht in ihr dienen. Angehörige der Bundeswehr sind weder unpolitische Söldner, noch wird von ihnen die völlige Identifikation mit einer einzigen politischen Meinung erwartet. Verpflichtend sind allein das Grundgesetz und internationale völkerrechtliche Regelungen.

Jenseits dessen ist nichts so beständig wie der Wandel. Das galt und gilt in besonderem Maße für die Bundeswehr, auch für ihre Geschichte bis 1990. Neue Waffensysteme wurden eingeführt, die Dauer des Wehrdienstes mehrfach verändert. Seit Mitte der 1960er-Jahre zwangen auch finanzielle Engpässe im Bundeshaushalt zur Verkleinerung der Streitkräfte.

Bildungsreform der Bundeswehr unter Helmut Schmidt

Schmidt besucht die übende Truppe in Munster und Seedorf

Verteidigungsminister Helmut Schmidt sah Bedarf an Bildung und beruflicher Qualifikationen für Offiziere und Unteroffiziere in der Bundeswehr.

Bundeswehr/Menke

Durch die Wehrpflicht kamen mehr als zehn Millionen Bundesbürger zur Bundeswehr, die meisten als Wehrpflichtige. Manche verpflichteten sich als Zeit- und Berufssoldaten. Nicht wenige hatten Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Helmut Schmidt, Verteidigungsminister von 1969 bis 1972, erkannte den Bedarf an beruflichen Qualifikationen für die Unteroffiziere und Offiziere, nicht nur für ihre Zeit nach der Bundeswehr.

Er erkannte auch einen Mangel an Bildung bei den Vorgesetzten. Für die Unteroffiziere wurden Lehrgänge an Truppenschulen sowie Meisterkurse für Portepeeunteroffiziere eingeführt. Für Offiziere war ab 1974 das Studium an einer der beiden Universitäten der Bundeswehr in München oder Hamburg verpflichtend.


Die vereinigungsbedingte Reform der Bundeswehr

1990 begann eine neue Ära für die Bundeswehr. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde der Personalumfang deutlich auf 370.000 Männer und Frauen reduziert. Die bisherige Unterteilung in Territorial- und Feldheer entfiel. Luftwaffe und Marine bereinigten ihre Waffentypen auf jene, die zukunftsfähig schienen. Die Zahl der Standorte ging zum ersten Mal drastisch zurück. Die vom damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe angeordnete Einteilung der Truppe in Hauptverteidigungskräfte und voll präsente Krisenreaktionskräfte aber führte wegen ihrer unterschiedlichen Ausstattung zu Klagen über eine Zwei-Klassen-Armee.

Die Weizsäcker-Kommission

Erst nach dem Regierungswechsel 1998 folgte eine grundlegende Untersuchung, was die Bundeswehr können solle und wie sie dazu aufgestellt sein müsse. Unter der Führung von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker untersuchte die Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ 1999-2000 die sicherheitspolitischen Ziele der Bundesrepublik und die dazu notwendigen Streitkräftestrukturen. Ihre Vorschläge zur Streitkräfte- und Personalstruktur der Bundeswehr wurden allerdings nicht vollständig umgesetzt. Ausschlaggebend waren vielmehr die gleichzeitig vom Planungsstab des Verteidigungsministeriums erarbeiteten Vorschläge. In der Folge entstand die Streitkräftebasis als vierter militärischer Organisationsbereich neben Heer, Luftwaffe und Marine. In ihr wurden streitkräftegemeinsame und Querschnittsaufgaben (beispielsweise Logistik, Fernmeldewesen oder Feldjäger) zusammengefasst. Nicht-militärische Unterstützungsleistungen wurden in zivile Unternehmen ausgelagert, etwa die Nutzung nicht zwingend militarisierter Kraftfahrzeuge.

In den Folgejahren wurde die Bundeswehr auf 250.000 Soldatinnen und Soldaten reduziert, der Wehrdienst auf sechs Monate verkürzt sowie der freiwillige Wehrdienst von bis zu 23 Monaten geschaffen.

Ein Balkendiagramm zeigt die Dauer des Grundwehrdienstes von 1957 bis 2011

Zwischen sechs und 18 Monate dauerte der Grundwehrdienst. Maßgeblich waren die Jahrgangsstärken und die aktuelle Bedrohungssituation.

Bundeswehr

Nicht Reform der Bundeswehr, sondern ihre Transformation

NATO-OTAN-Abzeichen an der Uniform eines Soldaten der ISAF-Truppe in Afghanistan

Von der Armee der Landesverteidigung wurde die Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz. Der ISAFInternational Security Assistance Force-Einsatz ist ein Beispiel dafür.

Bundeswehr/Andrea Bienert

Um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu erhöhen, begann 2002 ein weiterer Umbauprozess: Er wurde als Transformation der Bundeswehr bezeichnet.

Im Zentrum standen nun die Auslandseinsätze der Bundeswehr, vor allem in Afghanistan. Die ursprüngliche Kernaufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung geriet dabei zunehmend in den Hintergrund. Neue Aufgaben der Streitkräfte waren nunmehr Unterstützung und Absicherung des Nation Building, die sogenannten Stabilisierungseinsätze, der Kampf gegen den internationalen Terrorismus sowie der Kampf gegen asymmetrische Bedrohungen. Der Berliner Erlass von 2005 dokumentiert die Ziele der Transformation der Bundeswehr.

Neuausrichtung der Bundeswehr: Vom Einsatz her denken

Nach der Bundestagswahl von 2009 beschloss die Bundesregierung aus CDUChristlich Demokratische Union/CSUChristlich-Soziale Union und FDPFreie Demokratische Partei, dass eine Kommission bis 2010 Vorschläge für „Eckpunkte einer neuen Organisationsstruktur der Bundeswehr“ erarbeiten solle. Genau das tat die dazu eingesetzte Strukturkommission; das Verteidigungsministerium blieb davon nicht ausgenommen. Die Kommission empfahl eine weitere Reduzierung auf circa 180.000 Zeit- und Berufssoldaten bzw. Zeit- und Berufssoldatinnen sowie auf bis zu 25.000 Wehrdienstleistende. Aus Spargründen beschloss die Bundesregierung die Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Januar 2011 – im Grundgesetz bleibt sie aber weiterhin verankert. Die von der Bundesregierung 2011 beschlossenen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ und das 2016 veröffentlichte „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ dokumentieren diesen Prozess.

Weißbuch 2016: auch Landes- und Bündnisverteidigung

Logo Weissbuch 2016

Das Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr gibt unseren Streitkräften ein zeitgemäßes sicherheitspolitisches Konzept.

Bundeswehr / Sebastian Wilke

Das jüngste „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ spiegelt die aktuelle, komplexe weltpolitischen Situation wieder. Mit der Besetzung der Halbinsel Krim durch russische Truppen und zunehmende Cyber-Gefahren verändert sich die Sicherheitslage. Seitdem rückt die Landes- und Bündnisverteidigung wieder stärker in den Fokus der deutschen Sicherheitspolitik und damit auch der Bundeswehr. Die Teilnahme an anerkannten Missionen wie dem verstärkten Air Policing im Baltikum oder der zeitweiligen Präsenz von NATO-Truppen im Baltikum (im Zuge der Enhanced Forward Presence) sind Ausdruck einer komplexer werdenden sicherheitspolitischen Situation Europas. Sie erfordert in Zukunft ein ganzes Bündel von Einzelmaßnahmen im Zuge eines vernetzten zivil-militärischen Ansatzes.

Hier Reduzierung, dort neue Fähigkeiten

Die verfügbaren Kräfte und Kapazitäten der Bundeswehr wurden seit 1991 drastisch beschnitten. Dem gegenüber hat sie eine Reihe neuer Fähigkeiten erworben – beispielsweise für militärische und medizinische Evakuierungen – und ihre Fähigkeiten den Anforderungen zur Beteiligung an weltweiten Auslandseinsätzen angepasst. Sie wird künftig für die Landes- und Bündnisverteidigung wieder deutlich mehr in die Beschaffung leistungsfähiger Waffensysteme investieren müssen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden – in Deutschland, in Europa, aber auch weltweit.

Weiterführende Literatur

Rudolf J. Schlaffer/Marina Sandig, Die Bundeswehr 1955–2015. Sicherheitspolitik und Streitkräfte in der Demokratie. Analysen, Bilder und Übersichten. Freiburg im Breisgau 2015, ISBN 978-3-7930-9836-2

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