Internationales Krisenmanagement der Bundeswehr
Krisen in anderen Ländern oder Kontinenten können die Sicherheit in Deutschland gefährden. Die Bundeswehr ist daher an multinationalen Operationen beteiligt, die Krisen verhindern, bewältigen und die betroffenen Regionen wieder stabilisieren sollen.
Mit seinem Urteil vom 12. Juli 1994 beendete das Bundesverfassungsgericht eine lange und kontroverse politische Diskussion zur Verfassungskonformität von Einsätzen der Bundeswehr im Ausland und sorgte so für Rechtssicherheit. Demnach kann sich Deutschland gemäß Artikel 24, Absatz 2 des Grundgesetzes kollektiven Sicherheitssystemen anschließen und sich daraus ergebene Pflichten wie militärische Einsätze übernehmen. Unter dieser Maßgabe ist die Beteiligung an multilateralen Streitkräfteeinsätzen „out of area“, das heißt außerhalb der eigenen Landes- und Bündnisgrenzen, erlaubt.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verpflichtete die Bundesregierung darüber hinaus, für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte grundsätzlich die vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen. Während sich Deutschland an den UNUnited Nations-Missionen in Kambodscha und Somalia Anfang der 1990er noch ohne Beschluss des Bundestages beteiligt hatte, galt nunmehr der sogenannte Parlamentsvorbehalt.
Für ein Tätigwerden deutscher Soldatinnen und Soldaten unterhalb der verfassungsrechtlichen Einsatzschwelle – zum Beispiel als unbewaffnete UNUnited Nations-Militärbeobachter – ist dagegen weiterhin kein Mandat des Bundestages erforderlich. Auslöser des Streites um die Auslegung des Grundgesetzes war die militärische Beteiligung Deutschlands an UNUnited Nations-Sanktionen gegen den Irak im Jahr 1990, nachdem dieser Kuwait besetzt hatte.
Während des Kalten Krieges stand die Bundeswehr ausschließlich zur Landes- und NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnisverteidigung bereit. In den 1990er-Jahren hatte sich die sicherheitspolitische Lage allerdings erheblich gewandelt. International war eine Zunahme gewalttätiger Konflikte festzustellen. Infolge des Grundsatzurteils konnte sich die Bundeswehr nun durch eigene Beiträge und ohne geographische Begrenzung auf das NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnisgebiet für den Frieden engagieren.
Was ist internationales Krisenmanagement?
Sichtbar wird das internationale Krisenmanagement der Bundeswehr durch die Auslandseinsätze in multinationalen Bündnissen und Organisationen. Wenn die Bundesregierung die Bundeswehr in einen bewaffneten Einsatz im Rahmen des internationalen Krisenmanagements entsenden will, muss der Deutsche Bundestag zustimmen. Die Zustimmung von Bundesregierung und Bundestag trägt dazu bei, dass sich die Soldatinnen und Soldaten als Parlamentsarmee im Einsatz von einer breiten Basis getragen und gestützt wissen.
Auftrag der Bundeswehr im internationalen Krisenmanagement ist es, Gefahren für Deutschland und Verbündete abzuwenden. Gemeinsam mit Bündnispartnern leistet die Bundeswehr dazu militärische und zivil-militärische Beiträge. Folgende Aufgaben stehen dabei im Fokus:
- frühes Erkennen internationaler Krisen
- Konfliktverhütung, Krisenbewältigung, Krisennachsorge und Stabilisierung im Rahmen internationaler Organisationen, Bündnisse und Partnerschaften
- Beteiligung an Friedensmissionen der Vereinten Nationen
- Kampf gegen den internationalen Terrorismus
- Kampf gegen Bedrohungen aus dem Cyber- und Informationsraum und gegen neue Gefahren hybrider Art
- Schutz von Seewegen
- Durchsetzung von Embargos und Sanktionen
Wie arbeitet die Bundeswehr mit anderen Streitkräften zusammen?
Im internationalen Krisenmanagement der Bundeswehr finden Einsätze im Einklang mit dem Völkerrecht statt. Deutsche Soldatinnen und Soldaten wirken mit Verbündeten und Partnern aus NATONorth Atlantic Treaty Organization, EUEuropäische Union, UNUnited Nations oder auch der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) zusammen.
Es können sich aber auch Ad-hoc-Kooperationen ergeben, beispielsweise zur Abwehr hybrider oder terroristischer Bedrohungen.
Wo beteiligt sich die Bundeswehr im internationalen Krisenmanagement?
Das Ende des Kalten Krieges änderte das internationale Krisenmanagement der Bundeswehr von Grund auf: Sie wurde zur „Armee im (Auslands-)Einsatz“. Die Beteiligung am UNUnited Nations-Einsatz in Kambodscha von Mai 1992 bis November 1993 leitete diese Entwicklung ein. Es folgten Missionen in Somalia, in anderen Staaten Afrikas, auf dem Balkan, im Nahen und im Fernen Osten. Aktuell ist die Bundeswehr an folgenden Einsätzen beteiligt:
Einsatz (Bezeichnung) | Einsatzgebiet | Erstes Mandat | aktuelles Mandat | Mandats- ende | Mandats- obergrenze |
---|---|---|---|---|---|
KFORKosovo Force (Kosovo Force) | Kosovo | 12.06.99 | 27.06.24 | unbefristet | 303 |
EUFOREuropean Union Force Althea | Bosnien und Herzegowina | 08.07.22 | 27.06.24 | 30.06.25 | 32 |
UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan (United Nations Mission in South Sudan) | Südsudan | 08.07.11 | 21.03.24 | 31.03.25 | 11 |
UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon (United Nations Interim Force in Lebanon) | Libanon | 20.09.06 | 27.06.24 | 30.06.25 | 113 |
MINURSOMission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental (Mission des Nations Unies pour l'organisation d'en Referendum au Sahara Occidental) | Westsahara | 16.10.13 | 16.10.13 | unbefristet | 4 |
EUNAVOR MEDMediterranean (Mediterranean) Irini | Mittelmeer | 07.05.20 | 25.04.24 | 30.04.25 | 16 |
C-DAESH/Capacity Building IRQ | Nahost | 04.12.15 | 18.10.23 | 31.10.24 | 280 |
EUNAVFOREuropean Union Naval Force Aspides | Rotes Meer | 23.02.24 | 23.02.24 | 28.02.25 | 10 |
Sea Guardian (NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mission) | Mittelmeer | 29.09.16 | 21.03.24 | 31.03.25 | 42 |
Stand: 26. August 2024
Optimale Einsatzvorbereitung für Blauhelm-Missionen
Das Vereinte Nationen Ausbildungszentrum der Bundeswehr im bayerischen Hammelburg wurde im Oktober 1991 gegründet. Auftrag dieser multinationalen und ressortübergreifenden Ausbildungsstätte ist es, Lehrgangsteilnehmer optimal auf einen Einsatz bei UNUnited Nations-Missionen vorzubereiten. Hierzu arbeitet das VN-Ausbildungszentrum eng mit dem Bundesinnenministerium, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie dem Auswärtigen Amt zusammen.
Der Fokus der Ausbildung in Hammelburg liegt auf praktischem Training und stützt sich auf realitätsnahe Einsatzszenarien. Besonders hervorzuheben sind dabei die Lehrgänge zur Qualifizierung von Militärbeobachterinnen und Militärbeobachtern im Dienst der UNUnited Nations (United Nations Military Oberserver). Sie sollen die militärischen Aktivitäten während und nach gewalttätigen Auseinandersetzungen in den UNUnited Nations-Einsatzgebieten erfassen.
Die Lehrgänge des Ausbildungszentrums richten sich aber nicht nur an Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sowie befreundeter Streitkräfte. Auch für Angehörige von internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGONichtregierungsorganisation, Non-Governmental Organization), Presse und Polizei bietet das Vereinte Nationen Ausbildungszentrum der Bundeswehr Lehrgänge an.
Laufende Einsätze
Vom Nordatlantik bis zum Indo-Pazifik, von der Westsahara bis in den Irak ist die Bundeswehr weltweit im Einsatz. Auf drei Kontinenten sind derzeit etwa 2.200 Soldatinnen und Soldaten in 18 Einsätzen und anerkannten Missionen aktiv.
Abgeschlossene Einsätze
Einsätze der Bundeswehr im Ausland sind verfassungskonform, bedürfen jedoch der Zustimmung des Bundestages – so lautete das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Juli 1994. Hatte es zuvor nur humanitäre Hilfseinsätze gegeben, änderte sich dies Anfang der 1990er Jahre: Die Bundeswehr beteiligte sich erstmals an bewaffneten internationalen Friedenseinsätzen. Von kurzen Missionen mit kleinen Kontingenten bis zu jahrelangen Einsätzen mit tausenden Soldaten – die Bundeswehr leistet ihren Beitrag in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.