Unter deutschem Kommando

Schutz der Ostflanke: im Feld mit der Multinational Battlegroup Lithuania

Schutz der Ostflanke: im Feld mit der Multinational Battlegroup Lithuania

Datum:
Ort:
Litauen
Lesedauer:
6 MIN

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Die multinationale Battlegroup Lithuania der NATONorth Atlantic Treaty Organization vereint Truppen aus sieben Ländern unter deutschem Kommando. Ihr Auftrag: Der Schutz des Bündnisgebietes im Baltikum. Damit das klappt, trainierte der Gefechtsverband zwei Wochen auf einem litauischen Übungsplatz. Doch welche Kräfte gehören eigentlich zur Battlegroup?

Zwischen Bäumen steht getarnt ein Soldat im Turm einer Panzerhaubitze 2000 und beobachtet die Umgebung.

Auf der Wacht: Die Soldatinnen und Soldaten der Multinational Battlegroup Lithuania müssen im Feld ständig mit allem rechnen. Dieser Soldat schützt das Lager seiner Artillerie-Batterie mit dem Maschinengewehr seiner Panzerhaubitze 2000.

Bundeswehr/Serkan Heerer

Die Heckrampe des Puma-Schützenpanzers senkt sich, und sechs Panzergrenadiere der Bundeswehr springen in den Sand des Übungsplatzes. Auf ein Handsignal ihres Truppführers hin schwärmen die Soldaten in das angrenzende Waldstück aus. Sie sichern nach allen Seiten und bewegen sich dann in lockerer Formation durch das Unterholz. Während die Grenadiere den Wald durchkämmen, gibt ihnen ihr Kamerad an der 30-Millimeter-Kanone des Pumas Feuerschutz. Erst als absolut sicher ist, dass kein Widerstand zu erwarten ist, kehren die Soldaten zu ihrem Gefechtsfahrzeug zurück.

Dem Wetter und der Müdigkeit trotzen

Die Panzergrenadiere aus Neustadt am Rübenberge gehören zur zweiten Kampfkompanie der Battlegroup Lithuania. Gemeinsam mit Kameraden aus Norwegen, Tschechien und den Niederlanden, aus Kroatien, Luxemburg und Litauen halten sie sechs Monate Wacht an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke. Dann werden die rund 1.300 Soldatinnen und Soldaten von anderen Truppen abgelöst. Um sich für die anstehenden Aufgaben zu wappnen, trainiert der Gefechtsverband nun erstmals gemeinsam auf dem Truppenübungsplatz Gaižiūnai bei Rukla.

Für die Grenadiere bedeutet das: wenig Schlaf, wenig Essen, null Privatsphäre. „Wir sind zehn Tage am Stück mit dem Fahrzeug draußen“, sagt Oberfeldwebel Sebastian W., der Puma-Kommandant. Rund um die Uhr leben die insgesamt neun Soldaten auf engstem Raum zusammen. Verpflegt wird mit Fertigrationen, geschlafen wird auf dem Panzer oder im Schlafsack an der frischen Luft. „Mehr als vier Stunden Schlaf sind nicht drin“, sagt W. „Und das Wetter macht die Sache nicht leichter.“ Bisher hätten sie nur in Bereitschaft gestanden, sagen die Grenadiere. In Kürze aber würden sie ins Übungsgeschehen eingreifen. „Was passieren wird, behalten die Chefs noch für sich“, sagt Oberfeldwebel W. „In den nächsten Tagen werden wir sehen, was unsere Kompanie zu leisten imstande ist.“

  • Ein Schützenpanzer Puma fährt mit hoher Geschwindigkeit über offenes Gelände, im Hintergrund sind Baumketten erkennbar.

    Mit Vollgas durchs Gelände: Ein Puma-Schützenpanzer bringt einen Trupp Panzergrenadiere während des Gefechtstrainings der Battlegroup Lithuania an ihren Einsatzort. Zwei der drei Einsatzkompanien des multinationalen Verbandes kommen aus Deutschland.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Mehrere Soldaten der Bundeswehr hocken in Stellung zwischen dicht beieinander stehenden Bäumen in einem Wald.

    Sichern nach allen Seiten: Ein Trupp Panzergrenadiere sammelt sich nach dem Absitzen vom Schützenpanzer zur Lagebesprechung. Die Soldaten bleiben ständig wachsam und registrieren jede Bewegung im Unterholz, denn sie könnte Gefahr bedeuten.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Neun Soldaten der Bundeswehr posieren vor einem Schützenpanzer Puma für ein Gruppenbild.

    Neun Männer und ihr Baby: die Besatzung eines Puma-Schützenpanzers vor ihrem Gefechtsfahrzeug. Neben der Bedienmannschaft – Kommandant, Fahrer und Richtschütze – bietet der Puma in seinem Kampfraum Platz für sechs schwerbewaffnete Panzergrenadiere.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Auf sandigen Waldboden steht ein Fahrzeug vom Typ Combat Vehicle 90 zwischen Bäumen.

    Markante Silhouette: Die dritte Einsatzkompanie der Multinational Battlegroup Lithuania wird von den Streitkräften Norwegens gestellt. Sie zieht unter anderem mit CV 90-Schützenpanzern ins Gefecht, die zuvor sorgfältig abgetarnt wurden.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Soldaten legen sich auf Waldboden in Stellung, dahinter ist ein Fahrzeug vom Typ Schützenpanzer Combat Vehicle 90.

    Kampfbereit: Ein norwegischer Panzergrenadier gibt seinen Kameraden mit dem leichten Maschinengewehr Feuerschutz, während diese von ihrem CV 90-Schützenpanzer absitzen und in den Wald ausschwärmen

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Soldaten posieren für ein Gruppenfoto vor einem Fahrzeug vom Typ Schützenpanzer Combat Vehicle 90.

    Verschworene Gemeinschaft: Elf Soldatinnen und Soldaten passen in einen einzigen CV 90-Schützenpanzer der norwegischen Streitkräfte. Acht davon sind Panzergrenadiere, die neben Sturmgewehren auch Panzerfäuste und leichte Maschinengewehre einsetzen.

    Bundeswehr/Serkan Heerer

Voneinander lernen und besser werden

Auch die dritte Kampfkompanie der Battlegroup Lithuania will sich endlich im Feld beweisen. Major Alf O. von der mechanisierten Infanterie der norwegischen Streitkräfte führt 140 Soldatinnen und Soldaten mit CV 90-Schützenpanzern und Leopard 2A4-Kampfpanzern ins Gefecht. „Alt, aber zuverlässig“ seien die Gefechtsfahrzeuge, sagt der Kompaniechef. Seinen Truppen scheint das nasskalte baltische Wetter nichts auszumachen. Sie sind harscheres Klima gewohnt: Die Soldatinnen und Soldaten sind sonst in Tromsö stationiert, einer Stadt nördlich des Polarkreises.

Zudem waren viele Angehörige der Kampfkompanie schon mehrmals für die NATONorth Atlantic Treaty Organization in Litauen. Major O. zum Beispiel war 2019 schon einmal an der Ostflanke Europas stationiert. Die russische Invasion in der Ukraine 2022 habe vieles geändert, sagt er. „Man merkt: Hier geht es um eine ernste Sache.“ Es werde viel fokussierter gearbeitet als zuvor, sagt O. Es gelte, die Kampfweise der Battlegroup zu verinnerlichen. „Deshalb trainieren wir mit den Truppen aus Deutschland. Wir lernen viel voneinander.“

Zum Beispiel, wie man mit einem Zug von vier Schützenpanzern in weitem und flachem Gelände kämpft. In Litauen habe man im Vergleich zum zerklüfteten Norwegen mehr Platz zum Manövrieren und kämpfe in größeren Distanzen, sagt der Major. „Man muss sich mehr verteilen, um kein leichtes Ziel zu bieten.“ Auch wegen dieses Erfahrungsaustausches sei das Feldtraining für die gesamte Battlegroup von Vorteil, so der Kompaniechef. „Wir verbessern uns jeden Tag.“

Gut getarnt ist halb gewonnen

Nur nicht auffallen, heißt die Devise bei den Artilleristen der Battlegroup. Das ist leichter gesagt als getan, schließlich kämpfen die Soldatinnen und Soldaten des Artillerie-Lehrbataillons 325 aus Munster mit der rund 50 Tonnen schweren Panzerhaubitze 2000. Ohne gründliche Tarnung ist das Geschütz schon von Weitem zu sehen – auch wenn es gerade keine Geschosse auf ihre Reise Richtung Ziel schickt.

Die 80 Artilleristinnen und Artilleristen haben ihre vier Haubitzen deshalb großzügig in einem Waldstück verteilt. Die harten Konturen der Kettengeschütze verschwinden unter den Tarnnetzen und dem Laub, das die Truppen gesammelt haben. „Die größte Gefahr sind gegnerische Drohnen“, sagt Major Steffen W., der Batteriechef. „Wir ziehen die Batterie deshalb so weit auseinander wie möglich – je weiter die Haubitzen voneinander entfernt sind, desto besser.“

Um der gegnerischen Aufklärung zu entgehen, bewegen sich W.s Soldatinnen und Soldaten auch tagsüber so wenig wie möglich. Nachts machen sie nur dann Licht, wenn es unbedingt nötig ist. Auch die Motoren der Gefechtsfahrzeuge bleiben aus: Viele Nachtsichtgeräte reagieren auf Abwärme. Der Standort der Haubitzen wäre verraten.

Innerhalb der Battlegroup sei die Artillerie für den „Heavy Metal“ zuständig, so der Batteriechef. „Dafür stehen wir rund um die Uhr in Bereitschaft. Bekommen wir die richtigen Schwerpunkte gesetzt, können wir jede Tür öffnen.“ Sobald die Zielkoordinaten übermittelt seien, könne man Ziele in einer Entfernung von rund 30 Kilometern auf 100 bis 150 Meter genau treffen, so der Major. Nach dem Feuern werde schnell die Position gewechselt, um nicht selbst zum Ziel zu werden: „Schießen und wegfahren: Genau dafür ist die Panzerhaubitze gemacht.“

  • Eine Panzerhaubitze 2000 steht im Wald getarnt zwischen zwei Bäumen.

    Mit der Landschaft verschmelzen: Wird eine Panzerhaubitze 2000 vom Gegner aufgeklärt, kann es für die Bedienmannschaft gefährlich werden. Deshalb geben sich die Artilleristinnen und Artilleristen große Mühe, ihr Arbeitsmittel im Gelände zu verbergen.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Eine Panzerhaubitze 2000 fährt über offenes sandiges Gelände, dahinter ist eine Waldkette zu erkennen.

    Bereitmachen zum Einsatz: Eine Panzerhaubitze 2000 rollt in ihre Feuerstellung, nachdem die Koordinaten eines Ziels übermittelt wurden. Sobald der Feuerbefehl erteilt wird, schicken die Artilleristen einen Hagel aus Sprenggeschossen auf die Reise.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Ein tschechischer Soldat steht vor seinem Fahrzeug vom Typ ABC- Abwehr und unterhält sich mit jemandem.

    Gefühl für Gefahren: Hauptmann Martin M. ist Chef der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkräfte der Battlegroup Lithuania. Der tschechische Offizier erklärt, wie seine Soldatinnen und Soldaten mit Kampfstoffen aller Art fertig werden.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Auf einer strauchigen Lichtung in einem Wald steht ein tschechisches Fahrzeug vom Typ ABC- Abwehr.

    Alleskönner: Wenn es um die Detektion und Identifikation von Kampfstoffen aller Art geht, greifen die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkräfte aus Tschechien auf dieses Spürfahrzeug zurück. Es verfügt sogar über einen Roboter, um unbekannten Gefahren auf den Grund zu gehen.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Ein Schützenpanzer steht zur Betankung neben einem Tanklaster der Bundeswehr.

    Pitstop auf der Platte: Damit den Gefechtsfahrzeugen der Battlegroup nicht der Sprit ausgeht, wurde eine mobile Tankstelle auf dem Truppenübungsplatz eingerichtet. Der Tank eines Pumas fasst 950 Liter, der eines Leopard 2 sogar 1.200 Liter Diesel.

    Bundeswehr/Serkan Heerer
  • Ein Schützenpanzer Leopard fährt in eine Instandsetzungshalle auf den Betrachter zu.

    Ein Fall für die Schrauber: Beschädigte Gefechtsfahrzeuge werden in der Werkhalle des Instandsetzungszuges auf Vordermann gebracht. Dieser Leopard 2 hat es aus eigener Kraft zur Reparatur geschafft – im Zweifel muss der Bergetrupp ausrücken.

    Bundeswehr/Serkan Heerer

Immer sauber bleiben

Wenn es auf dem Gefechtsfeld richtig giftig wird, treten die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrkräfte der Multinational Battlegroup Lithuania auf den Plan. Hauptmann Martin M. steht mit knapp 60 Soldatinnen und Soldaten der tschechischen Streitkräfte bereit, falls atomare, biologische oder chemische Kampfstoffe eingesetzt werden. In den Dekontaminationszelten können pro Stunde bis zu 100 Soldatinnen und Soldaten von Kampfstoffen befreit werden. „Das funktioniert wie eine Waschstraße“, sagt M. Auch Waffen und Gerät werden von seinen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Truppen gereinigt.

Im Krieg in der Ukraine würden überwiegend chemische Kampfstoffe eingesetzt, so M. Manche verursachen Übelkeit bis zum Erbrechen, andere einen kaum erträglichen Juckreiz. „So kann man ganze Einheiten außer Gefecht setzen.“ Auch deshalb gelten die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrtruppen als militärisches Hochwertziel, das der Gegner nicht entdecken sollte.

Hauptmann M. blickt auf Einsätze in Afghanistan und im Kongo zurück, auch in Litauen hat er schon gedient. „Ich habe in der Vergangenheit schon viel mit der Bundeswehr geübt“, sagt er. Auch wenn sich die Befehlsketten leicht unterschieden, ähnelten sich die militärischen Verfahren beider Streitkräfte. Wichtig sei vor allem der kontinuierliche Austausch von Lageinformationen, sagt der Hauptmann. „Die Kommunikation ist entscheidend. Die Abstimmung muss funktionieren.“ Seine Truppen stünden bereit, die Kampfkompanien der Battlegroup zu unterstützen. „Wir warten auf unsere Befehle.“

Den gemeinsamen Nenner finden

Die multinationale Zusammenarbeit wird aber nirgendwo intensiver gelebt als in der Versorgungskompanie der Battlegroup Lithuania. Knapp 200 Deutsche, Niederländer, Norweger und sogar acht Luxemburger sorgen gemeinsam dafür, dass sich die Kampfkompanien auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.

Die Versorgungstruppe kümmert sich um die Instandsetzung der Gefechtsfahrzeuge, gewährleistet den Nachschub mit Proviant, Treibstoff und Munition und transportiert alle erdenklichen Güter dahin, wo sie der Gefechtsverband benötigt. „Wir finden immer einen gemeinsamen Nenner“, sagt ein deutscher Soldat über die Zusammenarbeit mit den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kameraden. „Das Transporterherz ist bei uns allen das Gleiche.“

Fällt ein Kampf- oder Schützenpanzer beim Feldtraining aus, greifen Stabsunteroffizier Jacek B. und sein Bergetrupp ein. „Wir sind der ADAC der Kampftruppe“, sagt B. über seine Arbeit. Was nicht gleich im Feld repariert werden könne, werde in der Wartungshalle erledigt. „Bei einem Triebwerksschaden tauschen wir den Motor eines Panzers in einer halben Stunde aus“, sagt B. Bisher sei dies aber noch nicht nötig gewesen, so der Stabsunteroffizier. „Wenn sich die Kampftruppe nicht meldet, haben wir einen guten Job gemacht.“ Fahren, zielen und schießen: das gehe fast immer.

von Timo Kather

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