„Wir holen Euch raus“

Schneller Adler 2022: Vorüben auf der „Rotterdam“

Schneller Adler 2022: Vorüben auf der „Rotterdam“

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in See
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5 MIN

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Bei der multinationalen Übung Schneller Adler 2022 trainieren niederländische und deutsche Soldaten, Zivilisten aus einer Krisensituation zu evakuieren. Für den maritimen Anteil des Manövers sind Seesoldaten und Marineflieger auf dem Landungsschiff „Rotterdam“ in der fiktiven Krisenregion vor Rügen im Einsatz.

Ein graues Schiff in See mit einem großen Flugdeck hinten; zwei Hubschrauber stehen darauf.

Mit dem Docklandungsschiff „Rotterdam“ stellt die niederländische Marine das Führungsgschiff der Marineeinsatzgruppe zur Übung Schneller Adler 2022. Hier beim Auslaufen aus Kiel

Bundeswehr/Julia Kelm

Sie sind, unter anderem, auf militärische Evakuierungen spezialisiert: die Seesoldaten der Küsteneinsatzkompanie (KEK) des Seebataillons aus Eckernförde. Allein jeder deutsche Marineinfanterist lernt zum Beispiel, Hafenanlagen zu sichern, damit Schiffe geschützt anlegen können. Das ist nötig für den Eigenschutz von Marineschiffen, aber auch für den sicheren Transport von Truppen, militärischem Gerät und sogar ziviler Versorgung.

Darüber hinaus verfügt der 1. Zug der KEK über das Fachwissen, Personen von einer schwimmenden Plattform aus, aus einer Krisensituation an Land heraus, evakuieren zu können. Im internationalen Verbund zählt das Seebataillon dafür seit 2016 auf die Zusammenarbeit mit der Königlich-Niederländischen Marine.

Für die deutsch-niederländische Übung Schneller Adler 2022 ist das Docklandungsschiff HNLMSHis/Her Netherlands Majesty's Ship „Rotterdam“ die Basis für alle amphibischen Anteile einer militärischen Evakuierungsoperation. Das Schiff bietet, zusätzlich zur Stammbesatzung, Unterbringung für mehr als 600 Personen. Mit nur knapp 100 zusätzlichen Marineinfanteristen und weiteren Experten an Bord bietet das Schiff also reichlich Platz für Hilfebedürftige oder Flüchtende.

Auch Experten in Heeresuniform sind an Bord

Eine graue Schiffswand von schräg unten, eine Rampe führt ins Schiff, darauf mehrere Soldaten in Flecktarnuniform.

Einschiffung in Kiel: Sieben Tage sind die Männer und Frauen des Seebataillons an Bord der „Rotterdam“

Bundeswehr/Nico Theska

Zu den benötigten Fachleuten gehören neben den Soldatinnen und Soldaten der KEK Minentaucher, Feldjäger und Marineflieger sowie der kleine Stab für die amphibische Marineoperation. Für Schneller Adler 2022 kamen sie bereits am 2. Mai in Kiel an Bord der „Rotterdam“.

Bereits auf dem Schiff waren schon Kameraden des niederländischen Pendants zur KEK, das 21st Raiding Squadron des Korps Mariniers. Beide Seiten kennen sich: Schon während der Übung Cold Response im März waren die Niederländer mit dem 2. Zug der KEK gemeinsam auf der „Rotterdam“ im Manöver gewesen.

„Aus dieser Vielzahl an Experten müssen wir eine Kampfgemeinschaft formen“, wünscht sich Fregattenkapitän Norman Bronsch. Der Kommandeur des Seebataillons hat als sogenannter Commander Task Group (CTGCommander Task Group) die Befehlsgewalt über alle Marineeinheiten während Schneller Adler 2022. Nur wenige Tage bleiben noch bis zum ersten Übungseinsatz seiner Seesoldaten.

Während die „Rotterdam“ also nach dem Ablegen in Kiel am 3. Mai in den Einsatzraum vor die Ostseeinsel Rügen fährt, spielt sich die internationale Besatzung an Bord ein. Der Tag ist geprägt von Einweisungen – von einer allgemeinen Orientierung im dem mehr als 160 Meter langen Schiff, über die Essenszeiten bis hin zum Verfahren beim Betrieb des Welldecks für Anlandungen über See und nicht zuletzt das Verhalten bei Notmanövern.

Die Fußtruppen eignen sich Seebeine an

Vor allem um das Schiff mit Landungsboot, Speedboot oder Hubschrauber für den Einsatz an Land geordnet verlassen zu können, muss die gesamte Crew – Stammbesatzung plus eingeschiffte Marineinfanteristen – fleißig üben. Dazu gehört: Ausrüstung bereithalten und anlegen, Waffen empfangen, geordnet in die Boote oder Helikopter einsteigen. Dabei müssen alle immer gegen den Uhrzeigersinn durch das Schiff laufen, um Staus auf den relativ schmalen Gängen zu vermeiden.

Portraitbild eines Soldaten in Flecktarnuniform

Fregattenkapitän Norman Bronsch, Kommandeur des Seebataillons, führt den Marineanteil von Schneller Adler

Bundeswehr/Nico Theska

Für die deutschen Sea-King-Hubschrauber des Marinefliegergeschwaders 5 stand wenige Stunden nach dem Auslaufen der erste Flugbetrieb auf dem Plan. „Wir fliegen hier erstmalig im Dual-Spot-Verfahren“, erklärt Fregattenkapitän M.P. [Name geändert; d.Red.], der Leiter der Marineflieger vor Ort. „Das heißt, paralleler Betrieb mit beiden Hubschraubern von einem Flugdeck aus – beide Maschinen starten und landen immer zusammen, kurz nacheinander. Das gab es so für uns noch nicht.“ Abgesehen davon, dass dies neue operative Möglichkeiten eröffne, ändere sich für die Flieger aber nichts, sagt M.P. und lobt: „Die Niederländer legen eine beeindruckende Professionalität an den Tag. Wir agieren mit ihnen auf Augenhöhe und lernen viel voneinander.“

Am 4. Mai erreicht die „Rotterdam“ den Einsatzraum vor Rügen. Dort stößt auch die Korvette „Braunschweig“ hinzu. In dem Zweier-Verband übernimmt das kleine Kampfschiff die Sicherung des deutlich größeren, aber nur leicht bewaffneten Landungsschiffs.

Marineflieger und Bootsgruppe trainieren parallel

Blick auf offenes Meer mit mehreren kleinen Booten im Mittelgrund; im Vordergrund rechts und links Schiffswände.

Blick aus dem Welldeck: Das offene und teilgeflutete Heck ermöglicht den Booten, direkt ins Schiffsinnere zu fahren. Personentransporte sind damit gut fünfmal schneller, als es bei deutschen Schiffen möglich wäre.

Bundeswehr/Nico Theska

Auf der „Rotterdam“ selbst üben die Soldatinnen und Soldaten indessen weiter das Gelernte vom Vortag. Die Schiffs-Lautsprechanlage ruft die vorher durchnummerierten Trupps auf Englisch zu ihren „assault stations“, den „Angriffsstationen“. Sobald die Seesoldaten sich dort ausgerüstet und „klar zum Gefecht“ gemeldet haben, geht es in einen Sammelraum. Von dort begleiten sie Besatzungsmitglieder mit Warnwesten weiter – wahlweise zum Welldeck, dem Mini-Bootshafen im Heck des Schiffs oder aufs Flugdeck. Dort trainieren sie das richtige Betreten und Verlassen von Speedbooten und Hubschraubern. Diese Übungen dauern bis in die späten Abendstunden. Erst im Dunkeln steigen die Letzten wieder aus den Sea Kings.

Derweil erarbeiten die Offiziere im Operationsstab einen ersten Plan zur Evakuierung von niederländischen und deutschen Staatsangehörigen von See aus. Eine der Herausforderungen dabei: Sie müssen die Operation aus einer laufenden Lage heraus flexibel entwickeln.

„Der letzte Plan für eine solche Evakuierungsoperation der Deutschen Marine liegt schon so viele Jahre zurück, dass wir kaum darauf aufbauen können“, erzählt CTGCommander Task Group Bronsch. „Die Verfahren haben sich seitdem stark geändert. Die in Kabul im vergangenen Sommer gemachten Erfahrungen eignen sich umso mehr.“ Im August 2021 hatte die Bundeswehr, zusammen mit weiteren NATO-Partnern, zuletzt in einer echten Krisensituation Personen aus Kabul evakuiert. Das fand zwar auf dem Luftweg statt, aber viele Details in den Abläufen nutzen auch in der bevorstehenden seegestützten Übung.

Größte Herausforderung: die Entwicklung der gespielten Krisenlage

Zweei Hubschrauber landen auf dem grauen Flugdecks eines Schiffs.

Ungewohnt für die deutschen Marineflieger ist das große Flugdeck der „Rotterdam“. Es erlaubt das Starten und Landen von zwei Helikoptern praktisch gleichzeitig.

Bundeswehr/Nico Theska

Am 5. Mai, dem letzten Tag vor dem ersten amphibischen Anteil der Übung Schneller Adler 2022, trainiert die Stammbesatzung der „Rotterdam“ noch einmal ihre eigenen Notverfahren an Bord, darunter zum Beispiel die Brandbekämpfung. Die eingeschifften Kräfte bereiten indes ihre Ausrüstung vor, gehen Pläne für den Folgetag durch und warten gespannt auf jede Information vom Fortschritt der Evakuierungsübung der Heeres- und Luftwaffensoldaten. Letzteres beschäftigt vor allem Bronschs Stab, weil das Fortschreiten der Operation im Stundentakt Anpassungen der Planungen erfordert.

Abends versammelt sich die Truppe noch einmal im Hangar. „Wir sind einsatzbereit für eine robuste Seeevakuierungsoperation. Sie haben ihr Ausrüstung vorbereitet, und der Stab hat einen Operationsplan parat, bei dem Ihre Sicherheit an oberster Stelle steht“, zeigt sich Kommandeur Bronsch zufrieden und verkündet: „Ich bin stolz auf das, was ich von Ihnen in den letzten Tagen sehen konnte.“ Seine Kampfgemeinschaft ist jetzt startklar für den Einsatz früh am nächsten Morgen.

von Sven Kusau  E-Mail schreiben

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