Rugbyspieler und Rechtsreferent bei der Bundeswehr – im Rollstuhl
Rugbyspieler und Rechtsreferent bei der Bundeswehr – im Rollstuhl
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Er mag es, wenn es richtig kracht. Wenn die Rollstühle spektakulär aufeinanderprallen wie Autoscooter, dann blüht Dirk Wieschendorf auf. Er spielt Rollstuhlrugby, eine der schnellsten, aggressivsten und actionreichsten Sportarten im Behindertensport – und arbeitet als Organisator und Referent in der Personalabteilung im Verteidigungsministerium.
„Da kann man sich unglaublich gut auspowern“, schwärmt der 41-Jährige. „Es macht Megaspaß.“ Bei drei Paralympics war er dabei, neun Jahre Nationalspieler, hat etliche Meisterschaften gewonnen und auch den einen oder anderen Rollstuhl zu Schrott gefahren.
Wie gerne er seine Gegner attackiert, blockiert oder scheppernd rammt, kann man sich kaum vorstellen, wenn Dirk Wieschendorf mit frisch gebügeltem Hemd hinter seinem Schreibtisch im Verteidigungsministerium sitzt und ausgesprochen harmlos lächelt. Er ist Jurist, Beamter und die pure Freundlichkeit. Angriffslustig wie beim „Murderball“, wie Rollstuhlrugby in den Anfangsjahren auch genannt wurde, ist Wieschendorf nur auf dem Spielfeld. „Es passiert relativ wenig“, lacht er. „Wir sind in den Sportrollstühlen gut gesichert. Mensch auf Mensch ist viel gefährlicher.“
Viele verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten
Als Sportler könne man sich keinen besseren Arbeitgeber als die Bundeswehr wünschen, sagt Wieschendorf. Doch das ist nicht der Hauptgrund, warum er sich 2006 beworben hat. Nach seinem Zweiten Juristischen Staatsexamen und einem Aufbaustudium in Wirtschafts- und Steuerrecht, wollte er bei einem Arbeitgeber anheuern, bei dem er nicht jahrelang denselben Job tun muss. „Die Bundeswehr bietet sehr viele verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten und eine Vielfalt an Dienststellen“, so der Jurist. „Und ich bin nun mal ein Typ, der gerne immer mal wieder etwas Neues anfängt.“
Angefangen hat er beispielsweise im Kreiswehrersatzamt Karlsruhe in der Wehrverwaltung, nun arbeitet er als Organisator und Referent in der Personalabteilung im Verteidigungsministerium in Berlin.
„Es war ein Unfall, den jede hätte treffen können.“
Für die Bundeswehr interessierte sich Wieschendorf allerdings schon als Junge: Er wollte Jetpilot werden. Doch mit 14 Jahren verletzte er sich schwer bei einem Badeurlaub in Portugal. Er rannte ins Meer, sprang in die Wellen und landete so unglücklich, dass er sich die Bandscheibe zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel und damit das Rückenmark verletzte und eine Querschnittslähmung erlitt. Seitdem sitzt Wieschendorf im Rollstuhl. „Es war ein Unfall, den jeden hätte treffen können.“
Weil auch seine Funktionen in den Armen und Fingern eingeschränkt sind, suchte er nach dem Abitur eine berufliche Perspektive, die machbar, aber dennoch abwechslungsreich ist. „Ich dachte mir: Jurist geht auf jeden Fall und Du kannst eigentlich überall arbeiten.”
An Verständnis und Hilfsbereitschaft mangelt es nicht
Besonders freut Wieschendorf aber, dass er seine juristischen Kenntnisse auch als Schwerbehindertenvertreter für andere einsetzen kann. An Verständnis und Hilfsbereitschaft mangele es bei der Bundeswehr nicht, betont er, das Problembewusstsein sei indes noch ausbaufähig.
Manchmal passiere es eben doch, dass eine Sitzung an einem Ort stattfinde, wo es Stufen, aber keinen Fahrstuhl gibt. Aber er hat es in solchen Situationen auch schon erlebt, dass die Soldaten dann ohne viele Worte einfach anpacken und den Rollstuhl hoch hieven. „Gerade die Kameradschaft unter den Soldaten, die eben oft auch auf uns Kollegen ausgeweitet wird, die ist schon wirklich großartig.“