Gastbeitrag

Die Rolle der Veteranen in Geschichte und Gesellschaft

Die Rolle der Veteranen in Geschichte und Gesellschaft

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
5 MIN

Es geht um Wertschätzung und Anerkennung: Veteraninnen und Veteranen der Bundeswehr haben mit dem Veteranenbüro in Berlin eine zentrale Anlaufstelle für ihre Anliegen bekommen. Wie sich die Veteranenkultur historisch entwickelte, welche gesellschaftliche Rolle Veteranen spielten und was heute für sie getan wird, schildert Major Dr. Dennis Werberg.

Nahaufnahme von einem Veteranenabzeichen der Bundeswehr an einem Jackett

Veteraninnen und Veteranen der Bundeswehr können seit 2019 ein Veteranenabzeichen bekommen. Es wird an der Zivilkleidung getragen und signalisiert die Verbundenheit mit den Streitkräften.

Bundeswehr/Torsten Kraatz

Die Frage nach dem Umgang einer Gesellschaft mit ihren Veteranen stellt sich, seit es Streitkräfte gibt. Es geht dabei um angemessene Formen der Anerkennung und Würdigung sowie um die Wiedereingliederung von Veteranen und heute auch von Veteraninnen. Dies gilt umso mehr für ehemalige Militärangehörige nach einem Krieg oder einem militärischen Einsatz. Stets ging es auch um individuelle und kollektive Sinnstiftung, um den Umgang mit den gemachten Erfahrungen, aber auch um die materielle Versorgung.

Was ein „Veteran“ war, welche Personenkreise Anspruch auf besondere Leistungen haben sollten, war in der Geschichte lange Zeit eindeutig und klar: Bis heute definieren Wörterbücher wie der Duden den „Veteran“ oder die „Veteranin“ als eine „Person, die (besonders beim Militär) altgedient ist, sich in langer Dienstzeit oder Ähnlichem bewährt hat“.

Veteranen in Deutschland 1871–1990

Im 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich organisierten sich die ehemaligen Soldaten und vor allem jene, die in den Reichseinigungskriegen gekämpft hatten, in Kriegervereinen. Der um 1900 gegründete Kyffhäuserbund diente als Dachorganisation. 

Mit ihrem konservativ-monarchischen Profil gehörten die Vereine zum obrigkeitsstaatlichen, preußisch-deutschen Establishment. Als „Veteranen“ bezeichneten sich die Feldzugsteilnehmer in der Regel allerdings nicht. Die Verwendung dieses Begriffes, hergeleitet vom lateinischen „vetus“ (alt, ehemalig) für römische Legionäre, die ihre Militärdienstzeit abgeleistet hatten, war in Deutschland damals nicht üblich. 

Schwarz-Weiß-Aufnahme von älteren Männern mit Auszeichnungen am Jackett, die in einer Reihe stehen

Alte Herren, viele Orden: Veteranen des Garde-Füsilier-Regimentes bei einem Feldgottesdienst in Berlin-Moabit 1926. Anlass ist die Hundertjahrfeier ihres Verbandes (Archivbild).

Bundesarchiv

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zersplitterte diese Vereinskultur. Im Zug der Novemberrevolution schlossen sich Kriegsteilnehmer zunächst in Selbstschutzorganisationen und Freikorps zusammen. Nach deren Auflösung sammelten sich viele in Wehrverbänden, die sich auch als Interessenvertretung für die Veteranen verstanden. 

Die Trennlinien zwischen den Verbänden entsprachen den Konfliktlinien zwischen den politischen Lagern. Nach der Machtübergabe an Hitler 1933 wurden die linksgerichteten Soldatenverbände aufgelöst, die der politischen Rechten gleichgeschaltet und schließlich ebenfalls beseitigt. 

Nach 1945 organisierten sich Veteranen beider Weltkriege erneut und prägten das politische Geschehen in der Bundesrepublik Deutschland auf unterschiedliche Weise. Seit den frühen 1990er-Jahren organisieren sich zudem zahlreiche ehemalige Soldaten aufgelöster Verbände von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee.

Die Wiederkehr der Veteranen

Die Generation des Zweiten Weltkrieges ist demografisch bedingt weitgehend verschwunden. Mit ihr schied auch die Figur des Veteranen aus dem öffentlichen Diskurs aus. Das Ende des Ost-West-Konfliktes und die Aussetzung der Wehrpflicht ließ das öffentliche Interesse an den Streitkräften zusätzlich in den Hintergrund treten. In der jüngeren bundesrepublikanischen Geschichte spielten Veteranen daher lange Zeit keine Rolle. 

Erst im Zug der deutschen Beteiligung an den internationalen Militäreinsätzen auf dem Balkan, insbesondere jedoch in Afghanistan, kehrten die Veteranen in das gesellschaftliche Bewusstsein und in den öffentlichen Diskurs zurück. Mit der Öffnung der Bundeswehr für Frauen treten im 21. Jahrhundert zum ersten Mal in der deutschen Geschichte auch Veteraninnen in Erscheinung. 

Ein Soldat im Porträt
Major Dr. Dennis Werberg, Militärhistoriker Bundeswehr
Es wäre wünschenswert, wenn sich auch hierzulande eine sichtbarere Veteranenkultur etablierte, wie sie in anderen Ländern längst zum Alltag geworden ist.

Die aus den Einsätzen zurückkehrenden Soldatinnen und Soldaten bildeten Organisationen und veröffentlichten eine Vielzahl (auto-)biografischer Schriften über ihre Einsatzerfahrungen. So wurden sie als eigene gesellschaftliche Gruppe sichtbar, indem sie Politik und Gesellschaft an die ihnen geleisteten Dienste erinnerten. Das öffentliche Interesse wuchs ebenso wie der Wille der Politik, die Leistungen der ehemaligen wie aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stärker und auch sichtbar wertzuschätzen.

Anerkennung und Wertschätzung

Vor diesem Hintergrund stieß der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière 2012 eine Debatte um eine „Veteranenpolitik für die Bundeswehr“ an. Wer genau ein Veteran oder eine Veteranin ist, stand zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht fest. Nach einer längeren Debatte wurde im November 2018 durch einen Tagesbefehl der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen festgelegt: Veteran beziehungsweise Veteranin ist jeder Soldat und jede Soldatin, der oder die derzeit in der Bundeswehr dient oder einmal gedient hat und ehrenhaft aus dem Militär ausgeschieden ist, also den Dienstgrad nicht verloren hat.

Damit entschied sich das Verteidigungsministerium bewusst für eine Definition mit größtmöglicher Reichweite, die alle aktiven wie ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr miteinbezieht und damit gegen die im allgemeinen Sprachgebrauch übliche, enger gefasste Begriffsbestimmung. 

In Workshops im November 2019 und Januar 2020 wurden im Verteidigungsministerium unter Beteiligung der in der Veteranenarbeit engagierten Verbände und Organisationen mehrere Maßnahmen beschlossen. Diese wurden in einem Leitfaden festgehalten, der noch 2019 in Kraft gesetzt wurde. Das Ziel der Politik ist klar: Die gesellschaftliche Wertschätzung für die Veteraninnen und Veteranen soll einhergehen mit Betreuung und Fürsorge durch die Bundeswehr.

Drei Sportler mit Flaggen und Medaillen stehen jubelnd auf der Bühne bei den Invictus Games 2023

Bei den Invictus Games messen sich an Körper oder Seele verletzte Veteraninnen und Veteranen im sportlichen Wettstreit. Die jüngsten Spiele fanden im September 2023 in Düsseldorf statt – hier feiern die Sieger eines Ruderwettbewerbes.

Bundeswehr/Jörg Hüttenhölscher

Inhalte einer deutschen Veteranenpolitik

Um die beschlossenen Maßnahmen in die Praxis umzusetzen, wurden die Aufgaben eines Beauftragten für Veteranenangelegenheiten (BVeterAngelBw) dem stellvertretenden Generalinspekteur übertragen. Gleichzeitig wurde im Verteidigungsministerium ein eigenes Referat für Reservisten- und Veteranenangelegenheiten geschaffen.

Öffentliche Veranstaltungen wie der Tag der Bundeswehr, der Marsch des Gedenkens und insbesondere die Invictus Games in Düsseldorf im September 2023 sollen der Wertschätzung und Anerkennung der Leistungen von aktiven wie ehemaligen Angehörigen der Streitkräfte, insbesondere der im Einsatz Verwundeten, sichtbaren Ausdruck verleihen. 

Dem diente auch die Stiftung eines Veteranenabzeichens, welches bis Ende 2023 bereits über 90.000 Mal verliehen wurde. Zudem soll in Zukunft ein Veteranenheim zur zeitlich befristeten Unterbringung von bedürftigen Veteranen eingerichtet werden. Zum Maßnahmenkatalog gehört schließlich auch ein Veteranenbüro, welches jüngst in Berlin eröffnet wurde. 

Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn sich auch hierzulande eine sichtbarere Veteranenkultur etablierte, wie sie in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern längst zum Alltag geworden ist. Hierfür sind stärkere und wirkungsvolle Impulse in der öffentlichen Debatte notwendig.

von Dr. Dennis Werberg