Maritime Abhängigkeit

Ostsee: Sicherheitsrisiko russische Schattenflotte

Ostsee: Sicherheitsrisiko russische Schattenflotte

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
6 MIN

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Alte, schlecht gewartete Tanker durchqueren die Ostsee. Die Ladung ist oft sanktioniertes Öl oder Ölprodukte. Damit verdient Russland Geld für den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Außerdem kommen die Vorwürfe der Sabotage und Spionage auf. Welches Risiko geht von der Schattenflotte aus?

Karte der Ostsee mit einer rot markierten Route von Russland zur Nordsee

Tanker beladen mit russischem Öl nutzen oft die eingezeichnete Route von den beiden größten russischen Ostseehäfen Primorsk und Ust-Luga

Bundeswehr/Mohr

Was macht die Schiffe der Schattenflotte so gefährlich? 

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist der russische Schiffsverkehr in der Ostsee zurückgegangen, aber die Fahrten beladener Öltanker sind gestiegen. Etwa 1.000 Tanker haben im Jahr 2023 Rohöl und Erdölprodukte aus russischen Ostseehäfen laut Recherchen von Greenpeace transportiert. Alleine im Dezember 2024 soll das Land nach Angaben von Reuters rund 5,5 Millionen Tonnen Ölprodukte aus seinen Ostseehäfen exportiert haben. Das ist ein Anteil von über 50 Prozent der gesamten russischen Ölproduktexporte und entspricht fast der monatlichen Rohölimporte Deutschlands.

Russland nutzt die sogenannte „Schattenflotte“, um die gegen das Land verhängten Sanktionen zu umgehen. Die Sanktionierungen der EUEuropäische Union richten sich gegen Unternehmen, Einzelpersonen und Schiffe. Mit den Maßnahmen gegen die Wirtschaft soll erreicht werden, dass Russland weniger Geld für den Krieg gegen die Ukraine hat. Dazu zählt auch das seit Ende 2022 geltende Ölembargo: 90 Prozent russischen Erdöls und daraus abgeleitete Produkte dürfen nicht mehr in die EUEuropäische Union eingeführt werden. Zusätzlich darf Russland Öl und Ölprodukte an den Rest der Welt nur zu einem festgelegten Höchstpreis verkaufen.

Die Schiffe der Schattenflotte transportieren jedoch Öl und Ölprodukte, die Russland zu höheren Preisen verkauft hat. Der zusätzliche Umsatz soll laut finnischem Thinktank Centre for Research on Energy and Clean Air in den zwei Jahren seit Beginn der Sanktionen etwa 25 Milliarden Euro betragen. Somit erwirtschaftet Russland weiterhin finanzielle Mittel, um den Krieg gegen die Ukraine zu führen. Um dem entgegenzusteuern, erweitern die EUEuropäische Union und andere westliche Staaten ihre Sanktionslisten stetig.

Spionage- und Sabotageverdacht in der Ostsee

Nicht nur, dass Russland mit dieser Schattenflotte Sanktionen umgeht. Es wird vermutet, dass die Schiffe auch für Spionage gegen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten und die Sabotage von Unterwasserkabeln genutzt werden. Schon im April 2024 berichtete die damalige schwedische Marinechefin, Konteradmiral Ewa Skooh Haslum, in einem Fernsehinterview von Handelsschiffen, die auffällige Kommunikationsausrüstung verbaut hätten. Die zusätzlichen Antennen und Funkmasten könnten genutzt werden, um Kommunikation abzufangen.

Zum Jahreswechsel ist zwischen der finnischen Hauptstadt Helsinki und der Insel Rügen der Tanker „Jazz“ aufgefallen. Dreimal hatte das Schiff angeblich Maschinenprobleme – und das jeweils in der Nähe von Unterwasserkabeln. Zufall? Das könnte auch ein Sabotageversuch gewesen sein.

Sanktionen gegen Schiffe der Schattenflotte

Auf den Sanktionslisten der EUEuropäische Union, der USA und Großbritanniens stehen Schiffe, die direkt mit der Schattenflotte in Verbindung gebracht werden, sowie Schiffe, deren Besitzer – Einzelpersonen und Firmen – sanktioniert werden. Auf der EUEuropäische Union-Liste stehen 79 Schiffe, davon sind 59 Tanker. Die USA haben 183 Schiffe auf ihrer Sanktionsliste. Davon sind 155 Schiffe Tanker, von denen 70 der Schattenflotte zugeteilt werden. Großbritannien sanktioniert 110 Schiffe. Bei einem Vergleich der Daten ergeben sich insgesamt 291 sanktionierte Schiffe mit Bezug zu Russland.

Ein Tanker nach links fahrend mit weißen Aufbauten

Der von den USA sanktionierte Tanker „Elegance“, jetzt „Eminent“. Aufgeklärt im Rahmen einer NATONorth Atlantic Treaty Organization-Unterstützungsmission von einer deutschen Einheit.

Bundeswehr/Mühe

Im Oktober 2024 hat Greenpeace eine Liste von Tankern veröffentlich, die zu dem Zeitpunkt noch nicht sanktioniert wurden. Die Nichtregierungsorganisation warnt besonders vor den Umweltgefahren, die generell von den maroden, nicht versicherten Schiffen ausgeht. Die Greenpeace-Liste umfasst 192 Tanker, von denen 171 seit 2022 auch in der Ostsee unterwegs waren.

Mittlerweile wurden von diesen Schiffen bereits 73 weitere Tanker sanktioniert.

„Zurzeit gibt es keine umfängliche und einheitliche Definition zur Schattenflotte“, sagt der Leiter der Marineschifffahrtleitung, Fregattenkapitän Steffen Lange. Dadurch sei eine klare Zuordnung momentan schwierig. Um diese Lücke zu schließen, wird – basierend auf Beschreibungen der International Maritime Organisation (IMOInternational Maritime Organization) – eine einheitliche Definition erstellt. So sollen Schiffe dieser suspekten Flotte schnell zugeordnet werden können.

Öl mit unbekannter Herkunft

Um die Herkunft der transportierten Güter zu verschleiern, schalten die Schiffe teils ihr automatisches Schiffsidentifizierungssystem AISAutomatic Information System aus. Die Nutzung des AISAutomatic Information System ist nach internationalem Recht für die meisten Schiffe verpflichtend. Das System übermittelt neben Daten zum Schiff auch die Positions- und Bewegungsinformationen. Dies dient der Überwachung des Schiffsverkehrs und der Vermeidung von Kollisionen.

Oft pumpen die Tanker der Schattenflotte ihre Ladung auf See auf einen anderen Tanker. Somit ist es schwieriger nachzuverfolgen, wohin das Öl verschifft wird. Ein solcher Umschlag auf See ist mit großen Risiken für die beteiligten Schiffe und die Umwelt behaftet.

Viele Schiffe der Schattenflotte sind schlecht gewartet und überdurchschnittlich alt. Oft bestehen sehr unklare Eigentumsverhältnisse. Auf Grund dieser Verschleierung ist schwer zu bestimmen, welches Schiff zu dieser Flotte gehört. Schiffe können nicht nur wiederholt den Eigentümer, sondern auch den Flaggenstaat wechseln. Einige zählen nur kurzzeitig zur Schattenflotte, andere gehören schon seit Kriegsbeginn dazu.

All das ist kein neues Vorgehen. Auch Nordkorea benutzt seit vielen Jahren Handelsschiffe, um UNUnited Nations-Sanktionen zu umgehen. Wie bei der russischen Schattenflotte sind die Eigentumsverhältnisse unklar und Schiffe übergeben Waren auf See, um deren Herkunft zu verschleiern. Daher überwacht die internationale Marinemission Pacific Security Maritime Exchange auch unter Beteiligung der Bundeswehr das Seegebiet um die koreanische Halbinsel.

Was können die Anrainerstaaten tun?

Kommt es zu solchen Vorfällen, liegen Ermittlungen und Strafverfolgung in der Zuständigkeit polizeilicher und anderer Behörden. Sie unterstützen sich gegenseitig in Amtshilfe. Auch die Marinen der Ostseeanrainerstaaten  können Unterstützung leisten.

Nach dem Seerechtsübereinkommen greifen unterschiedliche Regelungen in unterschiedlichen Bereichen des Meeres. Für Handels- und Kriegsschiffe gilt das Recht der friedlichen Durchfahrt für das Küstenmeer und vorgelagerte Archipele eines Staates sowie Meerengen zwischen Küstenstaaten. Somit ist es zum Beispiel für Schweden und Dänemark nicht möglich, einem Schiff die Durchfahrt durch den Öresund oder den Großen Belt zu verbieten.

SNMG 1 Seeraumüberwachung

Die Fregatte F 218 „Mecklenburg-Vorpommern“ sichert im März 2023 die Umgebung der norwegischen Bohrinsel Troll A während der Standing NATONorth Atlantic Treaty Organization Marime Group 1 (SNMGStanding NATO Maritime Group 1) in der Nordsee

2023 Bundeswehr/Tom Kistenmacher

Trotzdem: In Küstengewässern haben die Behörden mehr Möglichkeiten zum Handeln. Dies zeigt auch der Vorfall in der Nähe von Rügen zu Beginn des Jahres 2025. Nach einem Maschinenausfall haben Schlepper den Tanker „Eventin“ zu einem sicheren Ankerplatz vor Sassnitz in den Küstengewässern Deutschlands geschleppt. Die deutschen Behörden haben ein Weiterfahrverbot ausgesprochen, der Zoll hat die Ladung überprüft.

„Ohne den Maschinenausfall wäre es deutschen Behörden nicht möglich gewesen, so vorzugehen“, sagt Steffen Lange. „Unklar für mich ist, ob das nicht ein bewusster Test war, um zu sehen, wie Behörden mit einem Havaristen umgehen.“

So reagiert die NATONorth Atlantic Treaty Organization

Als Reaktion auf diesen und weitere ähnliche Vorfälle hat die NATONorth Atlantic Treaty Organization am 14. Januar eine neue Mission auf den Weg gebracht. Die Aktivität Baltic Sentry,  zu Deutsch „Wächter der Ostsee“, soll die militärische Präsenz in der Ostsee erhöhen. Das bedeutet ganz praktisch, dass zusammen mit Polizei- und anderen Behördenschiffen mehr Plattformen zur Verfügung stehen, um verdächtige Schiffe zu überwachen.

Mehr See- und ergänzende Luftraumüberwachung sollen ein multinationales Lagebild der Schifffahrt in der Ostsee ergeben. Auch der Ende 2024 aufgestellte deutsche Führungsstab Commander Task Force (CTFCommander Task Force) Baltic wird in die Aktivität eingebunden und koordiniert die Schiffe der Bündnispartner in der Ostsee.

Das Hauptaugenmerk von Baltic Sentry liegt auf dem Schutz maritimer kritischer Infrastruktur. So wollen die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Nationen mögliche Sabotage schneller erkennen und auf Schäden schneller reagieren können. Aktuell prüfen die Ostseeanrainerstaaten weitere Möglichkeiten zum Vorgehen gegen die mutwillige Beschädigung der Unterwasserinfrastruktur im Rahmen des internationalen Seerechts.

von Presse- und Informationszentrum der Marine

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