Geschichte

65 Jahre Zentrum Innere Führung

65 Jahre Zentrum Innere Führung

Datum:
Ort:
Koblenz
Lesedauer:
6 MIN

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Von der Schule zum Kompetenzzentrum

Am 1. Oktober dieses Jahres feiert das Zentrum Innere Führung (ZInFüZentrum Innere Führung) seinen fünfundsechzigsten Geburtstag. Seit sechseinhalb Jahrzehnten steht die Dienststelle auf der Pfaffendorfer Höhe in Koblenz für die Vermittlung und Weiterentwicklung der Führungskultur der Bundeswehr und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Einsatzbereitschaft – und zur Verankerung der Bundeswehr in unserer Gesellschaft.

Das ZInFüZentrum Innere Führung erreicht heute jährlich mit mehr als 250 unterschiedlichen Trainings, Seminaren und Informationsveranstaltungen etwa 12.000 Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr. Das Angebot reicht von lehrgangsgebundener Weiterbildung in Koblenz und am Standort Strausberg bei Berlin über Ausbildungsunterstützung durch moderne Aktionsprogramme und mobile Teams bei der Truppe vor Ort, einsatzvorbereitende Ausbildung sowie Führungskräftecoachings bis hin zu Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung des Rechtspflegepersonals der Bundeswehr. Ergänzt wird dieser Fähigkeitsmix durch vielfältige Produkte, digital und analog aufbereitet, die den Vorgesetzten helfen, eigene Aus- und Weiterbildung in den Themenfeldern der Inneren Führung zu gestalten. Für die Erfüllung dieser Aufgaben engagieren sich rund 220 Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in acht unterschiedlichen Abteilungen und Bereichen – mit dem Anspruch, die eigenen Angebote stets am praktischen Nutzen sowie am Einsatzbedarf der Streitkräfte auszurichten.

Lehrgangsteilnehmer im Lesesaal der Bibliothek in den 1960er Jahren.

Zum Konzept der Inneren Führung gehört immer auch das selbständige Studium. Lehrgangsteilnehmer im Lesesaal der Bibliothek in den 1960er Jahren.

Bundeswehr

Der Gedanke zur Aufstellung einer eigenen Schule für die Vermittlung der Inneren Führung mit ihrem Leitbild vom „Staatsbürger in Uniform“ geht auf Planungen und Vorarbeiten des damaligen Obersten i.G. Wolf Graf von Baudissin und seiner Unterabteilung im „Amt Blank“ zurück. Die Anfänge waren vor fünfundsechzig Jahren jedoch ausgesprochen bescheiden. Der Aufstellungsbefehl vom 30.September 1956 weist für die „Schule der Bundeswehr für Innere Führung“ zwar einen Umfang von 20 militärischen und 46 zivilen Dienstposten aus, von denen zunächst jedoch nur fünf besetzt waren: Neben dem ersten Kommandeur, dem späteren Brigadegeneral Arthur Weber, waren dies zwei Stabsoffiziere und zwei zivile Dozenten. Als erster Dienstsitz mussten einige Zimmer in einem Gebäude des Bundesministeriums für Verteidigung am Salierring in Köln genügen. An die Aufnahme eines geordneten Lehrbetriebs war dort nicht zu denken. Langes Zuwarten auf bessere Umstände kam für den Kommandeur allerdings auch nicht in Frage. Denn „die Innere Führung […] stand damals im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. So mussten in mühseliger Kleinarbeit Vorurteile abgebaut werden: Dass Innere Führung mit ‚weicher Welle‘ nichts zu tun hat, dass der geschichtliche Umbruch unserer Zeit neue Einsichten verlangt…“. Und die Vermittlung dieser „neuen Einsichten“ musste mit dem raschen Aufbau der Bundeswehr Schritt halten und parallel zur „handwerklich-militärischen“ Ausbildung, die in der Truppe und an den Truppenschulen begann, Gestalt annehmen. Der Wertekompass Innere Führung sollte sofort Richtung und Orientierung geben und nicht erst Jahre später „zu etwas willkürlich Angehängtem werden“. Als Möglichkeit gab es daher zunächst nur die sogenannten „Außenlehrgänge“, die bei der Truppe vor Ort stattfanden oder in angemieteten Gasthöfen und Hotels durchgeführt wurden – der erste übrigens bereits vom 8. bis 20. Oktober 1956 in Rheinbach. Schon damals waren die Bataillonskommandeure, Einheitsführer und Kompaniefeldwebel sowie Offiziere und Unteroffiziere in vergleichbarer Dienststellung die wesentlichen Adressaten der Lehrgänge. Und sie sind auch heute noch die wesentlichen Multiplikatoren der Grundsätze der Inneren Führung in der Truppe. Ende November 1956 besuchte Bundeskanzler Konrad Adenauer einen solchen Außenlehrgang in einem Hotel in seinem Wohnort Rhöndorf bei Bonn. Als ihm die organisatorischen Unzulänglichkeiten vorgetragen wurden, unter denen der Lehrbetrieb litt, soll er gesagt haben: „Also, Sie treiben jewissermaßen ambulantes Jewerbe?“ Der Kanzler versprach Hilfe, und bereits im Februar 1957 konnte ein ehemaliges Offizier-Hotel der französischen Streitkräfte auf der Pfaffendorfer Höhe in Koblenz bezogen werden. Dort ist das ZInFüZentrum Innere Führung nach mehreren An- und Erweiterungsbauten bis heute beheimatet.

Vorlesung während eines Lehrgangs für junge Offiziere in den 1960er Jahren

Vorlesung während eines Lehrgangs für junge Offiziere in den 1960er Jahren

Bundeswehr

Wissenschaftliches Institut für Erziehung und Bildung

Mit dem Umzug nach Koblenz war nun auch eine längerfristige Lehrgangsplanung möglich. Die Schule konnte personell aufwachsen sowie unter ihrem zweiten Kommandeur, dem späteren Generalinspekteur General Ulrich de Maizière, systematisch weiterentwickelt werden. Damit einher ging auch die Aufstellung des „Wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstabs bei der Schule der Bundeswehr für Innere Führung“, der der Schule nicht unterstellt, sondern lediglich auf Zusammenarbeit angewiesen war. Dieses „Experiment“ wurde von den Angehörigen der Schule offenbar kritisch begleitet. In älteren Chroniken der Schule werden die Pro­bleme in der Zusammenarbeit zwischen militärischem und zivilem Lehrstab denn auch nicht verschwiegen. Gleichwohl trug es Früchte, denn die wissenschaftliche Grundlagenarbeit war maßgeblich für die Weiterentwicklung der Inneren Führung sowie für die Erstellung von Unterrichts- und Lehrmaterialien. Eine Vorschrift zur Inneren Führung, die verbindliche Vorgaben hätte liefern können, gab es zunächst nicht. Das Handbuch Innere Führung erschien 1957 und beinhaltete Texte, viele davon von Baudissin verfasst, die Ziele und Inhalte erklären halfen und dem Lehrpersonal der Schule selbst, aber auch der Truppe als Richtschnur dienen sollten.  Der Wissenschaftliche Forschungs- und Lehrstab wurde 1968 in das „Wissenschaftliche Institut für Erziehung und Bildung in den Streitkräften“ umgewandelt, aus dem später das „Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr“ hervorging, das wiederum 2013 mit dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt zum Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) zusammengeführt wurde.

Mit dem wachsenden Umfang der Bundeswehr wurde es unumgänglich, einen Teil des Lehrdeputats der Schule auf Ausbildungseinrichtungen der Teilstreitkräfte zu verlagern. Nur so konnten die Grundsätze der Inneren Führung in Erziehung, Ausbildung und Führung breiter verankert werden. Damit ging jedoch auch ein Verlust an Standardisierung der Inhalte einher. Zudem waren die vielfältigen gesellschaftspolitischen Entwicklungen der 1970er Jahre hinsichtlich ihrer Folgen für die Bundeswehr und ihre Führungskultur zu bewerten und die Konzeption der Inneren Führung entsprechend weiterzuentwickeln. Struktur und Kompetenzen der Schule konnten diesen neuen Aufgaben auf Dauer nicht gerecht werden. So wurde sie am 1.Januar 1981 umgegliedert und erhielt erneut ein Element „Grundlagen und Weiterentwicklung“. Zeitgleich erfolgte die Umbenennung in „Zentrum Innere Führung“.

Harmonisierung und Standardisierung von Trainingseinheiten

Strukturell bildeten nun drei Lehrbereiche den Kern des neuen Zentrums, deren Lehrgangsangebote sich nach den wesentlichen „Wirkungsfeldern“ (später „Gestaltungsfelder“) der Inneren Führung unterschieden. Es waren dies die Bereiche „Menschenführung“, „Politische Bildung“ sowie „Soldatische Ordnung, Wehrrecht, Kriegsvölkerrecht“. Diese Bereichsgliederung behielt das ZInFüZentrum Innere Führung dann im Grundsatz bis zur Einnahme der aktuellen Struktur im Frühjahr 2020 bei. In dieser Grundaufstellung von 1981 leistete das ZInFüZentrum Innere Führung dann in den folgenden vier Jahrzehnten auch seine Beiträge zum Erfolg bedeutender Entwicklungsschritte der Bundeswehr: Armee der Einheit, Armee im Einsatz oder auch die Öffnung aller Laufbahnen der Streitkräfte für Frauen.

Eine Balancier-Übung lässt Einheitsführer im Lehrgang erfahren, dass schwierige Aufgaben nur gemeinsam zu lösen sind.

Eine Balancier-Übung lässt Einheitsführer im Lehrgang erfahren, dass schwierige Aufgaben nur gemeinsam zu lösen sind.

Bundeswehr

Mit Umgliederung und Umbenennung 1981 übernahm das ZInFüZentrum Innere Führung ebenfalls die Leitfunktion im neu gegründeten „Aufgabenverbund Innere Führung“, dem die Ämter der Teilstreitkräfte, die Führungsakademie und die Universitäten der Bundeswehr angehörten, um die Fragen von Weiterentwicklung und Lehre der Inneren Führung gemeinsam enger abzustimmen. Der „Aufgabenverbund Innere Führung“ existiert nach wie vor und wurde unter Leitung des ZInFüZentrum Innere Führung gerade in den vergangenen zwei Jahren durch die Projektarbeit zur Harmonisierung und Standardisierung von Trainingsinhalten in der Ausbildungslandschaft der Bundeswehr mit neuem Leben erfüllt.

Nur ein Beispiel dafür, wie das ZInFüZentrum Innere Führung auch in Zukunft als richtungsweisendes Kompetenzzentrum in allen Fragen der Inneren Führung seinen Beitrag leisten wird, die Führungskultur der Bundeswehr und der Streitkräfte „fit zu machen“ für das 21. Jahrhundert, wie es der Generalinspekteur der Dienststelle auf der Pfaffendorfer Höhe ins Lastenheft geschrieben hat.

Portrait Oberst i.G. Karl-Georg Habel
Karl-Georg Habel, Oberst i.G. Bundeswehr/Fabian Schier

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65 Jahre Zentrum Innere Führung

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