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„Für die ‚Abraham-Abkommen‘ gab es amerikanische Gegenleistungen“

„Für die ‚Abraham-Abkommen‘ gab es amerikanische Gegenleistungen“

Datum:
Ort:
Koblenz
Lesedauer:
1 MIN

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Die „Abraham-Abkommen“ bezeichnen eine Reihe von Verträge zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und einigen arabischen Staaten, die durch USUnited States-Vermittlung zustande kamen. USUnited States-Präsident Donald Trump nannte sie „Abraham-Abkommen“ nach dem biblischen Abraham. In der Abraham-Deklaration bekräftigten die Unterzeichner ihren Wunsch nach einer Stärkung des Friedens im Nahen Osten. Die Vereinbarung wurde am 15. September 2020 vor dem Weißen Haus in Washington von den USA (als Vermittler), den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Israel unterzeichnet. Gleichzeitig schlossen die VAE und Israel ein Friedensabkommen, das im Oktober 2020 nach der Autorisierung durch beide Parlamente in Kraft trat.

In Washington vereinbarten Israel und Bahrain die Normalisierung ihrer Beziehungen und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Das Abkommen wurde am 10. November 2020 vom israelischen Parlament ratifiziert. Am 6. Januar 2021 schloss sich der Sudan dem Abraham-Abkommen in einer Zeremonie in der USUnited States-Botschaft in Khartum an. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Marokko wurde am 22. Dezember 2020 im Königspalast in Rabat unterzeichnet.

Portrait Yoel Guzansky

Yoel Guzansky, Senior Research Fellow am Institute for National Security Studies (INSS) in Israel.

INSS

Yoel Guzansky ist Senior Research Fellow am Institute for National Security Studies (INSS) in Israel. Seit 20 Jahren forscht er über die Golfstaaten und über den Iran. Zuvor koordinierte er die Iran-Politik für drei israelische Premierminister. Er ist mit Clive Jones Co-Autor des Buches Fraternal Enemies: Israel and the Gulf Monarchies.

von Igal Avidan

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War die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Golfstaaten eine Reaktion auf Benjamin Netanjahus Ankündigung, am 1. Juli 2020 Teile des Westjordanlandes zu annektieren?

Die Normalisierung wurde seit vielen Jahren, vor allem im Sicherheitsbereich, diskret vorbereitet. Die angekündigte Annexion diente den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain als Alibi für den Zeitpunkt der Abkommen. Denn so konnten beide Staaten erklären, dass sie die Annexion stoppen konnten. Wir werden wohl nie wissen, ob die Annexion wirklich bevorstand. Den Zeitpunkt bestimmte die Administration des ehemaligen USUnited States-Präsidenten Donald Trump.

Der vor den Präsidentschaftswahlen 2020 einen außenpolitischen Erfolg demonstrieren wollte?

Ja. Die Normalisierung ist das Ergebnis harter Arbeit von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, Außenminister Mike Pompeo und deren Mitarbeitern. Israel spielte hier nur eine Nebenrolle. Denn sowohl die Golfstaaten, als auch der Sudan und Marokko erhielten Gegenleistungen von den USA. Seit Joe Bidens Wahlsieg hat sich die Annäherung weiterer arabischer Staaten an Israel verlangsamt.

Welche Gegenleistung erhielten die arabischen Staaten?

Der Sudan wurde von der Liste der Staaten, die den Terror fördern, gestrichen. Die USA erkannte Marokkos Souveränität über West-Sahara an. Die VAE erhielten modernste Rüstungsgüter.

Warum haben die VAE als erstes arabisches Land die Beziehungen zu Israel normalisiert?

Das liegt weitgehend am starken Mann der VAE, Kronprinz Mohammed bin Zayed (MbZ). In den vergangenen zwei Jahren betrieb die VAE eine aktive Außenpolitik. Dazu zählt die Verbesserung der Beziehungen mit dem Iran und mit Syrien sowie der Abzug der VAE-Truppen aus dem Jemen, wo sie an der Seite der Saudis gegen die von Iran unterstützte Huthi-Miliz kämpften. MbZ initiierte 2017 die Blockade gegen Katar. Dieser Aktivismus schadete dem Image der Emirate. Hinzu kam die harsche Kritik in Washington an den Saudis wegen der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi. Die VAE wollten sich durch die „Abraham-Abkommen“ gegenüber den USA friedensorientiert zeigen.

Das Normalisierungsabkommen mit den VAE ist nicht nur das umfangreichste, sondern es war die Basis für alle folgenden Abkommen, wohl weil die Emirate in Absprache mit den Saudis Bahrain, Marokko und Sudan dafür gewinnen konnten.

Warum schließt sich Saudi-Arabien dem Abkommen nicht an und verbessert dadurch seinen Stand im USUnited States-Kongress?

Eine große Rolle spielen die lokalen, regionalen und globalen Empfindlichkeiten Saudi-Arabiens, das als Hüter der muslimischen Heiligtümer und als sunnitische Führungsmacht gilt. Die Saudis befürchten zum Beispiel, dass sich ihr Gegner Iran durch Kritik an der saudischen Israel-Politik profilieren könnte. Das absolutistisch und sehr konservativ regierte Königreich befürchtet am meisten innere Kritik in einer Zeit, in der Kronprinz Mohammed bin Salman seine Autorität noch nicht gefestigt hat. Zudem sind Umfragen zufolge 80% der Saudis – und der Emiratis –gegen eine Normalisierung mit Israel.

Wird die Biden-Administration ein neues Atomabkommen mit dem Iran anstreben?

Sowohl in Israel als auch in den Golfstaaten ist man beunruhigt darüber, welchen Deal Biden mit dem Iran schließen wird – wenn überhaupt. Sie wollen, dass ihre Interessen dabei berücksichtigt werden.

Werden die Palästinenser vom VAE-Israel-Abkommen profitieren oder wurden sie umgangen?

Für die Palästinenser hat sich nichts geändert. Andererseits können sie pragmatischer auftreten, die Verhandlungen mit Israel wiederaufnehmen und vom Abkommen wirtschaftlich profitieren.

Warum haben sich Katar und Kuwait dem Abkommen mit Israel nicht angeschlossen?

Offiziell, weil Israel keinen Friedensvertrag mit den Palästinensern hat. Katar pflegt jedoch rege Beziehungen zu Israel. Kuwait wäre wohl als letzter Golfstaat an der Reihe, weil das Parlament dort große Befugnisse hat und viele Abgeordnete radikale Islamisten sind.

Könnte Israels erfolgreiche Isolierung des Irans das Verhältnis Teherans zum Judenstaat verbessern?

Das bezweifle ich, denn der Iran weiß, dass Israel und die VAE seit Jahren eng miteinander in Sicherheitsfragen kooperieren – überwiegend wegen der großen Angst vor dem Iran, der von den Emiratis als größte Sicherheitsbedrohung wahrgenommen wird.

Sehen Sie eine Chance, dass der Iran seine feindselige Israel-Politik eines Tages revidiert?

Irans Feindschaft zu Israel und den USA gehört zur DNA des iranischen Regimes. Warum soll der Iran seine Feindschaft zu Israel nach 40 Jahren auf einmal beenden? Oder seine Absicht, die pro-amerikanischen arabischen Regimes zu stürzen? Der Iran hat das größte Raketenarsenal im Nahen Osten, es finanziert die Bewaffnung der Hamas und liefert Raketen an die Hisbollah.

Ich würde mich sehr freuen, wenn der Iran seine Politik ändern würde, aber das kann nur nach einem Regimewechsel in Teheran geschehen. Das iranische Volk ist viel Israel-freundlicher als viele arabische Völker. Israel hat mit dem Iran viel mehr Gemeinsamkeiten, als mit allen arabischen Staaten im Nahen Osten. Israel, der Iran und die Türkei könnten eines Tages ihre strategische Partnerschaft aus den 1960er- und 1970er-Jahren erneuern.

IF - Zeitschrift für Innere Führung

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