Transtription: Wissen, wofür wir kämpfen – Der Staatbürger in Uniform
Transtription: Wissen, wofür wir kämpfen – Der Staatbürger in Uniform
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Kaum ein ziviles Unternehmen beschäftigt sich so intensiv mit dem Thema Persönlichkeitsbildung wie die Bundeswehr. Die Grundlage dafür ist unter anderem der aktuelle Entwurf einer Allgemeinen Regelung. Sie definiert die Zielsetzung und die Handlungsfelder umfassend. Die Persönlichkeitsbildung in den Streitkräften spielt immer schon eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von Soldatinnen und Soldaten zu reflektierten und verantwortungsbewussten Staatsbürgern in Uniform. Ohne den Begriff der vielzitierten „Zeitenwende“ erneut zu strapazieren, stellt sich in Zeiten sich wandelnder Bedrohungsszenarien und gesellschaftlicher Veränderungen aber durchaus die Frage, ob die bestehenden Ziele und Maßnahmen der Persönlichkeitsbildung noch zeitgemäß sind. Welche Anpassungen sind notwendig, um den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gerecht zu werden? Finden sich eben solche Anpassungen in der neuen Regelung wieder? Kann die Bundeswehr in diesem Bereich sogar als Vorbild für andere Institutionen dienen? Und welche Bedeutung hat der „gebildete“ Staatsbürger in Uniform für eine wehrhafte Demokratie? Diese Fragen wollen wir im Folgenden beleuchten.
Zeitgemäße Ziele und Maßnahmen
Die Bundeswehr hatte immer schon eine Vielzahl von Programmen oder Initiativen zur Persönlichkeitsbildung. Dazu gehören beispielsweise der Lebenskundliche Unterricht, Politische Bildung oder auch verschiedene Trainings speziell für Vorgesetzte. Diese zielen darauf ab, Soldatinnen und Soldaten nicht nur militärisch, sondern auch moralisch und intellektuell zu schulen. Basis dabei ist immer die „Innere Führung“, welche die Bedeutung von Menschenführung, Ethik und staatsbürgerlicher Verantwortung hervorhebt. Doch sind alle diese Maßnahmen und auch die aktuelle Weiterentwicklung ausreichend und zeitgemäß?
Ein internationaler Vergleich zeigt, dass die Bundeswehr in vielen Bereichen gut aufgestellt ist. So ähnelt das Konzept der „Inneren Führung“ als Basis der Persönlichkeitsbildung in Teilen den Werten und Prinzipien, wie sie auch in anderen modernen Streitkräften, wie beispielsweise in Skandinavien oder Kanada, gelehrt werden. Diese Armeen setzen ebenfalls auf eine Wertebindung in der militärischen Ausbildung. Auch andere Streitkräfte und Institutionen informieren sich häufig über das Konzept der Inneren Führung, was die Aktualität und Anwendbarkeit belegt.
Die schnelle technologische Entwicklung führt jedoch dazu, dass in der Persönlichkeitsbildung Anpassungen notwendig sind. Die zunehmende Digitalisierung und die damit einhergehenden neuen Bedrohungsszenarien erfordern von Soldatinnen und Soldaten ein hohes Maß an technologischem Verständnis und Anpassungsfähigkeit. Hier gilt es, Programme zu entwickeln, welche die digitalen Kompetenzen noch stärker fördern, um damit auf die psychologischen Herausforderungen der Cyberkriegsführung vorzubereiten. Darüber hinaus müssen die ethischen Fragestellungen, die durch technologische Entwicklungen wie autonome Waffensysteme aufgeworfen werden, in die Ausbildung integriert werden.
Soldatisches Selbstverständnis und persönliches Mindset
Die Zeitenwende, die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, geopolitische Verschiebungen und neue Bedrohungen wie Cyberangriffe und hybride Kriegsführung geprägt ist, verlangt von Soldatinnen und Soldaten ein neues Mindset. Das traditionelle soldatische Selbstverständnis, das mit Recht stark auf physische Stärke und Disziplin setzt, muss durch Fähigkeiten ergänzt werden, die Kreativität, Flexibilität und interkulturelle Kompetenz umfassen.
Es ist und war immer schon essenziell, dass Soldatinnen und Soldaten lernen, ihre Rolle in einem breiteren sicherheitspolitischen Kontext zu sehen. Dazu gehört die Fähigkeit, in multinationalen Einsätzen und in Zusammenarbeit mit zivilen Akteuren effektiv zu agieren. Programme zur Persönlichkeitsbildung müssen daher verstärkt auf die Förderung von Teamarbeit, interkultureller Kommunikation und innovativem sowie kritischem Denken setzen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Resilienz. Die mentale Belastbarkeit von Soldatinnen und Soldaten ist angesichts der modernen Kriegsführung, die oft mit hohen psychischen Anforderungen einhergeht, von entscheidender Bedeutung. Hier könnte die Bundeswehr von Modellen wie dem amerikanischen „Comprehensive Soldier and Family Fitness“ (CSF2) Programm lernen, das Resilienztraining systematisch in die militärische Ausbildung integriert. Dort wird den Soldaten zusätzlich zu einem Training auf Einheitenebene und in Armeeschulen angeboten, Familienmitgliedern und Armeeangehörigen Techniken zum Aufbau von Resilienz zu lehren und ihre eigenen sozialen Netzwerke auf individuellen Bedürfnissen und Vorlieben basierend zu bilden.
Vorbildfunktion der Persönlichkeitsbildung
Die Persönlichkeitsbildung in der Bundeswehr kann durchaus als Vorbild für andere Institutionen dienen, insbesondere dort, wo es um die Ausbildung und Entwicklung von Führungskräften geht. Sie basiert auf modernen Bildungsprinzipien, welche die Entwicklung einer freien, selbstbestimmten Persönlichkeit fördern. Der Fokus auf Resilienz, Teamfähigkeit, interkulturelle Kompetenz und politische Bildung ist auch in zivilen Kontexten von großer Bedeutung.
Besonders im Bereich der Ethik und Menschenführung setzt die Bundeswehr hohe Standards. Diese Aspekte sind auch für andere Bereiche der Gesellschaft, wie die Polizei, Rettungsdienste und zivile Führungspositionen sehr wichtig.
Die Integration von staatsbürgerlicher Verantwortung in die Ausbildung könnte in zivilen Bildungseinrichtungen einen positiven Einfluss haben. Schulen und Universitäten könnten von der systematischen Vermittlung von Werten wie Verantwortung, Integrität und Teamarbeit seitens der Bundeswehr gerade jetzt in anspruchsvollen Zeiten profitieren. Ein Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und zivilen Schulen, bei der die Jugendoffiziere über eben diese Werte berichten. In diesem Bereich ist sicherlich noch mehr Potential vorhanden. Gerade im Bereich Leadership-Ausbildung oder auch im Bereich „Corporate Social Media Strategy“, wie sie unter anderem die Deutsche Marine aktuell im „Talentmagnet Marine – Den Zauber der Marine erleben“ angeht, könnte die Wirtschaft von den Erfahrungen der Bundeswehr direkt profitieren.
Anwendbarkeit der Persönlichkeitsbildung im zivilen Berufsleben
Die Prinzipien der Persönlichkeitsbildung in der Bundeswehr haben nicht nur innerhalb der Streitkräfte Relevanz, sondern bieten auch wertvolle Erkenntnisse und Praktiken für das zivile Berufsleben. Führungskräfte in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst können von den hohen Standards und bewährten Methoden der Bundeswehr lernen. Ein besonderes Beispiel hierfür ist die Bundesagentur für Arbeit, die für ihre Führungskräfte einen Handlungsrahmen beschrieben hat, den sogenannten „Führungskompass“. Dieser basiert inhaltlich im Wesentlichen auf den Führungsvorschriften und Prinzipien der Bundeswehr. Militärische Führungsgrundsätze in einer zivilen und „sozial“ geprägten Organisation – was auf den ersten Blick erstaunlich wirken mag – hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen.
Aktuell gibt es auch zunehmend Veröffentlichungen, die sich mit der Anwendung bzw. Transformation von Führungshandeln in der Bundeswehr und Werten im zivilen Managementalltag auseinandersetzen. Beispielhaft seien hier „Das Handbuch Innere Führung“ des Zentrums Innere Führung selbst oder „Führung und das 3 Alpha Prinzip“ von Thomas Saller und Hans-Christian Witthauer genannt. Diese Werke verdeutlichen, wie Prinzipien der militärischen Führung, wie Entscheidungsfindung in unsicheren Lagen, ethische Verantwortung und Resilienz im zivilen Kontext Anwendung finden können.
Der gebildete Staatsbürger in Uniform
Ein gebildeter Staatsbürger in Uniform ist für die wehrhafte Demokratie und eine kriegstüchtige Bundeswehr unerlässlich. Das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform betont, dass Soldatinnen und Soldaten nicht nur Verteidigerinnen und Verteidiger des Staates, sondern auch aktive Mitglieder der Gesellschaft sind. Bildung und kritisches Denken sind dabei zentrale Elemente.
In einer Demokratie, die auf informierte und verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist, spielt die Bildung der Soldatinnen und Soldaten eine doppelte Rolle. Sie müssen in der Lage sein, militärische Befehle zu befolgen, aber auch ethische Entscheidungen zu treffen und diese kritisch zu hinterfragen. Dies stärkt nicht nur die moralische Integrität der Truppe, sondern auch das Vertrauen der Gesellschaft in ihre Streitkräfte.
Die Persönlichkeitsbildung in der Bundeswehr fördert diese Qualitäten und trägt somit zur Stabilität und Wehrhaftigkeit der Demokratie bei. Gebildete Soldatinnen und Soldaten verstehen die Werte, die sie verteidigen, und können diese in ihrem täglichen Handeln widerspiegeln. Dies stärkt nicht nur das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, sondern fördert auch eine Kultur der Verantwortungsübernahme und des kritischen Denkens innerhalb der Truppe.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ziele und Maßnahmen der Persönlichkeitsbildung in der Bundeswehr und der Entwurf der Regelung grundsätzlich zeitgemäß sind, jedoch stets weiterentwickelt werden müssen, um auch zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Die Anpassung des soldatischen Selbstverständnisses und des persönlichen Mindsets an die neuen Gegebenheiten ist hierbei entscheidend. Die Bundeswehr kann mit ihrer umfassenden Persönlichkeitsbildung als Vorbild für andere Institutionen dienen und trägt damit maßgeblich zur Stärkung der wehrhaften Demokratie bei.
Unser inspirierender Appell an die geneigten Leser lautet: Die kontinuierliche persönliche und berufliche Weiterentwicklung ist nicht nur für Soldatinnen und Soldaten, sondern für jede Bürgerin und jeden Bürger eine Pflicht. Nur durch ständiges Lernen und flexible Anpassungsfähigkeit können wir den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft erfolgreich begegnen.
Von Hans-Christian Witthauer und Kilian D. Grütter.