Transkription zum Podcast IF

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19 MIN

[Musik]

Redakteurin Dr. Sarah Reichel: Herzlich Willkommen zum ersten IF-Podcast. Ich bin die leitende Redakteurin der Zeitschrift für Innere Führung. Mein Name ist Sarah Reichel, zu meiner Linken sitzt mein Kollege Oberstleutnant Tim Kullmann.

Oberstleutnant Tim Kullmann: Hallo Sarah.

Sarah Reichel: Hallo Tim.

Tim Kullmann: Und mir gegenüber sitzt Sven Weizenegger, der erste professionelle Hacker der deutschen Telekom. Einer der „Top 40 under 40“ vom „Capital Magazin“ und Leiter und Chef der „Cyber Innovation Hub“ der Bundeswehr, hier in Berlin. Hallo Sven Weizenegger.

Sven Weizenegger: Vielen Dank für die Einladung und wir machen es uns heute auch ganz agil und die Antworten ergeben sich im Laufe des Gesprächs. Ich bin sehr gespannt und freue mich einen Beitrag leisten zu können.

Sarah Reichel: Ja Hallo Herr Weizenegger, ich freue mich Sie heute hier im ersten IF-Podcast als zu Gast zu haben. Das Thema ist Agilität entsprechend der vierten Ausgabe des Jahrganges 22 und ich möchte Sie fragen, wie viel Cyber steckt im Hub?

Sven Weizenegger: „Puh“ antworte ich erst mal. Der Name impliziert ja etwas, nämlich, dass wir uns mit einem Themenspektrum beschäftigen, nämlich der Cyber Sicherheit und der Name kann eigentlich nicht falscher sein. Richtig wäre, glaube ich, eher „Digital Innovation Hub“.  Aber der Name ist jetzt so wie er ist. Wir beschäftigen uns im Wesentlichen, letztendlich mit der kompletten Bandbreite an digitalen Themen, die die Streitkräfte betreffen und da ist Cyber zwar ein wichtiger Teil aber nicht der Hauptbestandteil unserer tagtäglichen Arbeit.

Sarah Reichel: Dahin geht auch die nächste Frage und zwar der Cyber Innovation Hub steht ja für Innovationen und zwar Innovationen bei der Bundeswehr. Wie muss man sich das vorstellen, was genau macht der Cyber Innovation Hub und wie können Soldatinnen und Soldaten von Ihrer Arbeit profitieren?

Sven Weizenegger:Ich hole mal ein bisschen aus, um zu verstehen wie das Konstrukt funktioniert und wie es das Konstrukt überhaupt in dieser Form gibt. Das Konstrukt selbst vorweg ist einmalig in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa und ist auch ein Vorbild für andere im öffentlichen Sektor. 2017 hat sich die damalige Ministerin und auch die entsprechende Staatssekretärin entschieden, ein sogenanntes digitales Schnellboot zu gründen und zu etablieren mit knapp 30, 40, 50 Menschen, die außerhalb des Systems agieren, außerhalb der bestehenden Strukturen und Prozesse und die Bundeswehr hatte bis dato keinen oder einen sehr schlechten Zugang zu dem Startup Ökosystem.

Also der neue Mittelstand letztendlich. Weil natürlich im Rahmen der Innovations-Geschwindigkeit, die wir alle tagtäglich im privaten Umfeld auch. Alle haben iPhone’s, Android’s, haben alle ein App Store und können relativ schnell das runterladen, was sie wollen. „Die schnellen Fische fressen die langsamen“ und nicht wie früher „die Großen die Kleinen“. Das heißt das Spiel hat sich komplett gedreht. 2017 gegründet als, ich sag mal, als „Experiment“, 2020 erfolgreich in die BWI integriert als ITInformationstechnik Dienstleistender der Bundeswehr, wo wir beheimatet sind als Abteilung. Trotz alledem die Freiheiten genießen, die wir genießen müssen um auch wirken zu können. Ich sage dazu nur unternehmerische Freiheit, die ich als Leiter genieße, mit den entsprechenden Leitplanken natürlich auch links und rechts - Führung und Auftrag. Ich aber im Rahmen dessen entscheiden kann, wie wir zum Ziel kommen. Da gibt es zwei wesentliche Schwerpunkte, das eine ist ein sogenanntes Innovationsvorhaben durchführen auf Basis der Problemstellung, die die Truppe hat. Nicht auf Basis von Problemstellung, die sich jemand ausdenkt an einem Schreibtisch und sagt „Das hätte ich jetzt gerne Herr Weizenegger, mit ihrem Team in sechs Monaten als Ergebnis“. Nein wirklich, dass der Hauptmann herkommt, wir nennen es jetzt mal Nutzer, dass jemand aus der Truppe, der eine Problemstellung hat. Wir gucken uns das an, qualifizieren und quantifizieren das ganze methodisch. Auch mein Appell Innovation ist kein Zufall, Innovation ist ein verdammt schwerer harter Prozess, weil man sich oft eingestehen muss, die Initialidee, die ich selbst hatte, ist vielleicht doch nicht das, was es am Anfang versprochen hat zu sein. Das ist der eine Schwerpunkt und der andere Schwerpunkt ist, dass wir einen Kulturauftrag haben und darunter fällt unter anderem und insbesondere auch das Thema Intrapreneurship (Anm. der Red.: Handeln, welches von Unternehmergeist geprägt ist), weil wir ganz klar sehen, wissen, dass es ganz viele fähige Menschen in der Bundeswehr gibt, im Geschäftsbereich BMVgBundesministerium der Verteidigung, zivil oder militärisch, die eigene Ideen entwickelt haben. Das ist der zweite Schwerpunkt eine Art Trüffelschwein im System sein. Nach diesen fähigen Bill Gates, Jeff Bezos etc. zu suchen, also die Unternehmer im Unternehmen. Wir wollen eben nicht, dass die die Bundeswehr verlassen, sondern wir wollen, dass sie ihre Träume in der Bundeswehr verwirklichen können.

Tim Kullmann: Ich würde nochmal einen Schritt zurückgehen. Gerade eben hieß es ja, man sucht den Unternehmer im Unternehmen, also bei der Bundeswehr Soldatinnen und Soldaten, die unternehmerisch anfangen zu denken und die kommen dann auf den Cyber Innovation Hub zu. Wie werden die darauf aufmerksam oder wie funktioniert das, wenn ich jetzt als Soldat eine Idee habe? Was mache ich dann?

Sven Weizenegger: Tatsächlich kann man sich direkt an uns wenden. Anrufen, auf unsere Webseite gehen, dort gibt es ein schönes Formular. Man kann uns auf LinkedIn anschreiben, wir haben schon anfragen über Twitter bekommen, über Instagram. Innovation ist eben kein Zufall, wie ich schon gesagt habe, sondern es ist ein sehr strukturierter Prozess. Das sorgt auch für Transparenz übrigens. Weil was ich nicht mag ist Innovation, die in keinem Gespräch entstehen und da sagt Oberst zum Oberst „Komm wir machen das jetzt mal, tolle Idee von mir“. Das meinte ich auch mit Feedback vorhin, sich einzugestehen, tolle Idee gehabt, aber eigentlich hat es die Realität nicht überlebt.

Sarah Reichel: Genau, da setzt meine nächste Frage an. Sie haben einmal gesagt Herr Weizenegger, Agilität sei eine militärische Erfindung. Wie kommen sie darauf?

Sven Weizenegger: Wie komm ich drauf, Stichwort ein Stück weit „Befehlsverweigerung“ und dadurch eine andere Strategie. Ich glaube 1758 war das, also da war ich noch nicht geboren. Die Schlacht von Zorndorf war das. Der glaube ich, Freiherr von Seydlitz hat damals entschieden, entgegen den Befehlen von König Friedrich II, eben anders zu agieren, als es der König es wollte. Das ist deswegen so spannend, weil Von Seydlitz vor Ort war, nah vor Ort war und den Gegner letztendlich ein Stück weit in die Falle getrieben hat, Richtung Sumpf und entschieden hat ich greife dann an, wenn ich im Vorort merke, dass der richtige Zeitpunkt. Und ihm wurde gedroht also wenn das nicht klappt, so nach dem Motto, dann wirst du ein bisschen kürzer. Und das war letztendlich der Grundstein für Agilität und das haben wir auch ein Stückweit glaub ich auch vergessen. Also nicht die StartUps haben das erfunden, wie immer so oft tesselliert wird, sondern das war letztendlich, es waren die deutschen Preußen, die das hervorgebracht haben. Daher kommt die spannende Analogie, die mag ich auch die Geschichte und gefällt mir auch gut. Um sich mal zu erinnern, das ist nicht alles super modern, wie man immer glaubt.

Sarah Reichel: Wir haben hierzu auch einen Experten befragt und zwar Professor Dr. Philipp David Schaller, von der Hochschule Harz. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und seine Antwort, was er unter Agilität versteht, hören wir uns jetzt mal an.

Dr. Philipp David Schaller: Ich verstehe unter Agilität die Fähigkeit von Organisationseinheiten oder ganzen Organisationen auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren oder sogar die Ereignisse selbst zu bestimmen, das heißt proaktiv zu handeln. Also beispielsweise ändern sich Kundenbedürfnisse oder meine Supply Chain (Anm. der Red.: ist die integrierte prozessorientierte Planung und Steuerung der Waren-, Informations- und Geldflüsse über die gesamte Lieferkette (Supply Chain) vom Kunden bis zum Rohstofflieferanten) wird gestört oder ein Gegner wendet eine neue militärische Taktik an. Und agile Organisationen werfen solche Ereignisse eben nicht aus der Bahn, weil sie eben geeignete Strukturen besitzen. Das betrifft natürlich vor allem solche Organisationen, die sich in besonders komplexen Umwelten behaupten müssen und letztlich ist die Hoffnung sich durch agile Strukturen angesichts einer immer komplexer werdenden Welt wettbewerbsfähiger und überlebensfähiger zu machen.

Sarah Reichel: Herr Weizenegger, was verstehen Sie unter Agilität.

Sven Weizenegger: Ich glaub so als Einschub, jeder versteht ein Stück etwas anderes darunter. Daher würde ich jetzt nicht sagen, ich bin jetzt der “Super-Weise“, der die Definition per se hat. Ich glaube, dass digitale Innovation eben nur damit funktioniert, so als Grundprinzip erst mal so als Pflock gesetzt. Und wenn man den Begriff mit einem Wort zusammenfassen würde, der aber zu kurz kommt, wie ihre Anpassungsfähigkeit das auch gerade ein Stück weit gesagt wurde. Worum geht es? Es geht um Flexibilität, Schnelligkeit, proaktives Handeln, antizipatorisches Denken, weil ich auf gewisse Situationen eher proaktiv reagiere oder dann auch schneller reagiere. Ich bin ein bisschen anders groß geworden, darum fällt es mir schwer das zu wissenschaftlich zusammenzufassen, weil ich bin in einer agilen Welt groß geworden. Das ist Teil meiner DNA, ist aber nichtsdestotrotz für das was uns bevorsteht oder auf Grundlage des digitalen Wandels, was ein Stück weit unser Leben auch verändert, eine Notwendigkeit. Aber Agilität ist jetzt kein Allheilmittel und Agilität ist nicht überall sinnvoll. Dem Begriff fehlt glaub ich bedarfsgerecht zu verwenden, dort wo es auch Sinn macht Agilität einzusetzen. Es gibt keinen agilen Finanzplan, es gibt auch keinen HR-Prozess, um Leute einzustellen. Man baut auch nicht agil ein Feldlager auf oder ein Gefechtsstand. Da braucht es gewisse Strukturen, daher darf man nicht in die Falle kommen um zu sagen, es muss immer agil sein um Himmelswillen. Dann wäre man extrem unseriös.

Tim Kullmann: Ich muss noch einmal kurz zurückgehen. Du sagst du bist agil aufgewachsen. Du bist ja in Berlin aufgewachsen. Hat dich das dahin beeinflusst, dass du sagst du bist da sehr agil, weil du in Berlin aufgewachsen bist?

Sven Weizenegger: Ich bin im Cyberspace aufgewachsen. Das hat dafür gesorgt das ich agil denke und handle. Um da vielleicht mal ein bisschen auszuholen Kindheit, Jugendalter, ich bin vor dem schwarzen Bildschirm groß geworden. Das heißt ich habe nicht gesehen, mit wem ich so im IRC-Chat kommunizieren. Da standen Namen wie „Alphatier82“, „SuperSpookie“, „Goofy“, „Biene3“. Ich hab keine Gesichter und keine Geschlechter gesehen. Das heißt, das Einzige was für mich gezählt hat, war das geschriebene Wort und Code, also Quellcode und im Code liegt die Wahrheit, habe ich mal gesagt so salopp. Weil es verhindert, dass man beides ist, weil ein Code lügt nicht, Code ist oder war damals nicht beides. Jetzt ist die KIkünstliche Intelligenz ein bisschen anders, weil ich Modelle trainiere, das würde jetzt zu weit führen. Darum habe ich eine andere Art und Weise an die Dinge heranzugehen. Natürlich erwische ich mich manchmal auch, dass ich ein Stück weit beides bin, das will ich gar nicht leugnen aber da muss ich mich manchmal selbst kneifen oder es muss mich jemand darauf hinweisen, dass ich gerade ein Stück weit dem entrückt bin, was ich selbst vorleben möchte. Hat auch mit Innere Führung zu tun, ein Stück weit. Ja und daher ist das total meine DNA. Ich bin sehr fluid bei meiner Entscheidungsfindung. Ich hab anscheinend sehr viele Synapsen im Hirn. Das kann morgen bisschen anderes aussehen, weil ich auf neueste Erkenntnisse sehr anders reagiere, weil ich sie annehme, ich leugne sie nicht. Wenn ein Mitarbeiter oder Mitarbeiterin sagt: „Sven, Naja gestern war nicht so gut, weil wir haben jetzt einen neuen Datensatz“. Da sag ich „Wow cool, machen wir“. So seltsam es auch klingen mag. Du hast es auch erlebt.

Tim Kullmann: Ja.

Sven Weizenegger: Eine meine Lieblings Sätze ist: „Du machst das schon“ und wir hatten auch mal über Vertrauen gesprochen. Wenn ich jemanden einstelle, dann durch läuft die Person einen Interview Prozess und im Rahmen des Interview Prozesses gibt es viele Gespräche mit vielen verschiedenen Menschen. Der Arbeitsvertrag, das dauert drei bis sechs Monate. Der hat Vertrauen per se, darum hab ihn geholt. Ich habe in der alten Telekom-Welt mal gelernt: „Vertrauen muss man sich verdienen“. Was für ein großartiger Schwachsinn von alten weißen Männern. Wenn sich jemand committed seinen alten Arbeitgeber zu verlassen um ein neues Abenteuer einzugehen, dann hat er per se Vertrauen verdient und bekommt ihn auch, Punkt!

Sarah Reichel: Sprechen wir noch mal über die Welt und blicken mal aus dem Cyber Innovation Hub hinaus. Der Angriff Putins Armee auf die Ukraine hat die Welt auf den Kopf gestellt. Die Sicherheitsordnung, wie sie seit dem Ende des zweiten Weltkrieges gestaltet wurde, aus ihren Angeln gehoben, Krieg nach Europa gebracht und die Menschen in der Ukraine in fürchterliches Leid gestürzt und die NATO aus dem Plan gebracht. Der Kanzler spricht von einer Zeitenwende und die Bundeswehr stärkt ihre Landes- und Bündnis-Verteidigung. Was kann der Cyber Innovation Hub hier beitragen?

Sven Weizenegger: Ich habe mir die Rede auch angehört, live. Sie war ja sehr eindrucksvoll und da habe ich versucht zu reflektieren. Was heißt das für uns? Ist das etwas Neues für uns, was da gerade gesagt wurde für den Hub selbst. Eine Innovationseinheit, denen muss man nicht sagen, weil es Teil der DNA ist. Denen muss man nicht sagen: „Verändert euch“. Das ist ein Urantrieb für mich, für meine Leute, für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Soldaten die hier sind, die tagtäglich hinterfragen, vielleicht ist das das falsche Wort, weil es klingt sehr sehr negativ, ist ja negativ konnotiert, weil wir nicht jeden Tag hier sitzen und fragen „Oh Gott, sind wir doof? Haben wir was falsch gemacht?“, sondern im Disput zu sagen „Ok ich mach jetzt ein Review. Habe ich richtig gehandelt?  Kann ich daraus lernen?“. Und die Rede war einerseits super interessant, weil ich erkannt habe, naja diesen Druck setzen wir uns selbst aus. Den Druck hatten wir schon immer, weil eine Innovationseinheit die sich nicht weiterentwickelt ist keine Innovationseinheit. Eine Innovationseinheit, die nur grüne KPIs (Anm der Red.: Key Perfomance Indikator) hat, war nicht mutig genug. Ich sage der Begriff des Sense of Urgency (Anm der Redaktion: Gefühl der Dringlichkeitsglaube hier entscheidend. Wir leben und erlebten bis vor kurzem noch in einer relativ gemütlichen Welt. Wer hätte gedacht, dass dort, was dort passiert, passiert. Jetzt kann ich natürlich sagen, das ist meine private Meinung „Es gab Anzeichen dafür“. Und ich glaube, was die Bundeswehr von uns lernen kann, diese Entscheidungsfreudigkeit die wir haben, selbst schnell zu entscheiden auf Basis von Daten, Ereignissen, ist Teil unserer DNA und ist immens schnell. Wir haben Leute, hier die hospitieren, aus der Bundeswehr, aus anderen Entitäten, die es so gibt. Dann frage ich die „Wie ist es denn hier?“, weil ich will auch Feedback von außen, meinen die „Naja ist ganz schon hoher pace“. Für mich kann der gar nicht hoch genug sein. „Ja wie meinst du das?“ sage ich, „Ja ihr habt ganz schön druck auf dem Kessel!“, „Ja“ hab ich gesagt.  Woher kommt das? Weil wir extrem ungeduldig sind, wir sind keine Forscher, wir sitzen nicht sieben Jahre im Forschungszentrum und brüten darüber aus. Respekt dafür, es gibt Menschen, die können das. Meine Leute können das nicht. Meine Hubler wollen so schnell wie möglich der Truppe helfen, das treibt uns an. Darum war die Zeitenwende-Rede für mich, für meine Organisation jetzt keine große Überraschung. Wir hatten das im Gefühl, dass das so kommen soll und muss. Dass das aber so kam, ist natürlich schade, aber so wie es ist letztendlich. Und der zweite Aspekt ist eine Form der Fehlerkultur etablieren. Zu sagen „Ja, dann ist das so gewesen“ Punkt. Muss ich jetzt ein Gremium einberufen, Spirit Committe, das jetzt sieben Jahre debattiert, wieso hast du dies und das gemacht. Zu sagen es gehört zum Prozess und dann bin ich stoisch, ja ich glaube Seneca (Anm. der Red.: Lucius Seneca, römischer Philosoph) hat das glaub gesagt ja: Das ist wie, wenn ich einen Bogenschützen hab, der jahrelang übt und ist im Finale und schießt den Pfeil ab und es kommt eine Windböe, dann kann er nichts für, dann ist das so. Er hat wenigstens den Prozess sehr gut beherrscht und darum geht's bei Innovation auch. Den Outcome kann ich nicht vorhersagen, um Himmelswillen. Die Quote von Projekten, die vielleicht nicht funktionieren, die liegt im oberen zweistelligen Bereich. Aber wenn ich den Prozess beherrschte, mein Bestes gebe, Interviews führe, Feedback einsammle, quantitativ und qualitativ Dinge bemesse, dann bin ich glücklich und sag meinen Leuten, du hast dein Bestes gegeben, du hast Erkenntnisse gewonnen, für dich hast du was dazu gelernt. Weil viele Themen sind total neu für uns und da fräsen die sich rein bei so einen Menschen, bei meinen Mitarbeiter und lassen auch nicht mehr los. Ich sagte das immer wie… einer meiner Mitarbeiterinnen, die Sarah, sag ich immer „Du bist so wie ein Pitbull, du lässt nicht locker“. Die lässt irgendwie nicht locker und viele wundern sich, was ist denn hier los, was ist das für ein Tempo, was ist für ein Druck, ja das ist die Realität. Willkommen in 2022 und die Zukunft wird noch schwieriger werden und das kann die Bundeswehr von uns lernen. Und ich glaube was sie auch noch lernen kann, ist der Begriff, es gibt so ein Begriff „der Goldrand Lösung“ davon sind wir kein Fan. Wir glauben nicht, dass wir zu Probleme die heute und morgen sind, die erst in zwanzig Jahren entwickeln können, sondern müssen sie jetzt entwickeln und oftmals gibt es diese schon. Und ich muss nicht 120 Prozent der Vorgaben erfüllen, manchmal reicht auch 80 Prozent und das können wir sehr gut. Einfaches Beispiel, ich hatte erwähnt mit den Projekten, die wir auch international machen, Gefechtsstände aufbauen, super viele lange Kabelstränge. Wir wollen das digitaler machen und unsere Mehrwerthypothese ist, ohne ins Detail zugehen, anstatt fünf Tage brauchen wir nur zweieinhalb Tage. Ganz einfache Mehrwerthypothese. Wir testen das jetzt um mal zu gucken, wie das bei der Truppe ankommt.

Till Kullmann: Schaut ihr euch die Startups nur in Deutschland an oder schaut euch die, ich sag mal auch bei anderen NATO Partnern an oder gibt es da ja vielleicht auch schon ich sag mal Kooperationen mit anderen Units?

Sven Weizenegger: Also Startups gucken wir uns selber an, ist relativ egal woher sie kommen relativ, relativ in Anführungszeichen. Sie müssen natürlich die ITInformationstechnik- Sicherheitsanforderung der Bundeswehr erfüllen und die Datenschutzgrundverordnung Thematik, die es da so gibt. Das ist das Wesentliche. Viele sind natürlich aus Deutschland klar. Was machen wir international? Haben wir Pläne? Ja, aber wir führen sie auch schon aus. Pläne haben ist das eine, das Executen ist das andere. Execution Matters sagt man in der StartUp Welt. Wir haben eine Kooperation mit Mind geschlossen, das ist eine Innovationseinheit aus den Niederlanden. Mit denen machen wir eben diese Digitalisierung der Gefechtsstände und wir haben vor wenigen Wochen eine Kooperation mit F-Works geschlossen, eine Schwesterorganisation der USA, die letztendlich auch das Vorbild für den HUB war, 2017. Waren hier in Rammstein auch zu Besuch und haben uns ausgetauscht und man stellt fest, sie sind in einigen Bereichen weit und wir auch, vielleicht sind wir in einigen Bereichen sogar muss man sich eingestehen. Und da gucken wir das wir jetzt im Bereich Entrepreneurship lernen können, also Selbstbefähigung der Truppe voranbringen. Die gibt es auch in Israel. Auch dort gibt es ganz viele Anknüpfungspunkte inzwischen. Da kann man voneinander lernen, die auch sehr begeistert sind wie unser Setup ist, weil wir halt Leitungsrelevant sind, das ist für uns natürlich wichtig als Innovationseinheit, weil als Innovationseinheit hat man immer das Problem, dass man mit neuen Denkmodellen kommt, neuen Denkansätzen und Bestehendes hinterfragt. Das mag natürlich eine Kernorganisation oder eine bestehende Organisation nicht und ich muss aber respektvoll sagen die Kernorganisation sorgt dafür, dass das bestehende Geschäft am Laufen bleibt. Unsere Organisation sorgt dafür, dass neues Geschäft generiert wird, wenn ich das jetzt in Geschäftsphrasen übersetzen wollen würde und da gibt es immer ein Stück weit einen Kampf. Ja, aber wir genießen die Rückendeckung und es ist für uns sehr wichtig. Wir hatten letztens die Delegation aus Singapur zu Besuch, dort haben wir uns auch ausgetauscht. Und die bestätigen uns, dass wir sehr weit sind. Wir haben jetzt eine Einladung bekommen für 2023 ein Vortrag zu halten zum Thema „do use“, Was unsere Stärke ist, Bestehendes zu nehmen, einzusetzen in die Bundeswehr-Welt oder zu adaptieren auf die Bedürfnisse der Truppe.

Till Kullmann: Noch mal ganz kurze Nachfrage: Die Menschen in Israel. Haben die da ein anderen „Sence of urgency“ als wir hier in Deutschland.

Sven Weizenegger: Definitiv. Ich erzähle eine persönliche Anekdote, wenn ich darf.

Sarah Reichel: Gerne.

Sven Weizenegger: Ich bin nach Israel gereist und man kennt das im Flugzeug, dass da diese Bildschirme da runterkommen und so war es für mich ein eindrückliches Erlebnis, weil ich erst dann verstanden haben, was eigentlich passiert. Man sieht diesen Ausschnitt der Region und dann denkt man „Oh, das ist aber ein kleines Land“. Drumherum sind ganz viele andere Länder, die noch wesentlich größer sind und die von sich aussagen: „wir wollen die ins Meer treiben“. Und dann stellt man fest „Achso, darum sind die so, darum waren am Flughafen die Kontrolle anders als üblicherweise, wenn ich nach Paris fliegen würde. Das ist lascher, als wenn ich nach Israel oder wenn ich aus Israel fliegen wiederum nach Deutschland, ebenfalls harte Kontrollen und dann versteht man…Die haben ein ganz anderes „Sence of urgency“, ein ganz anderes Dringlichkeitsempfinden, weil es da um die Existenz geht. Und ich glaube, Sie hatten vorhin gefragt bezüglich Ukraine, der Zeitenwendenrede. Es rückt ja immer näher und dadurch entsteht Druck und Druck ist ein Katalysator für Veränderung, weil ich glaube, wenn wir Druck nicht hätten, wäre Deutschland glaube ich nicht in dem Modus, wie es jetzt ist. Wir brauchen ihn. Das es jetzt dadurch geschehen ist, ist natürlich schade. Ich hätte mir gewünscht es wäre anders, aber Druck tut gut. Für Veränderung ist es notwendig, ansonsten würde man es so laufen lassen wie es läuft, weil es funktioniert ja irgendwie. Und Sie kennen das alle privat, digitale Verwaltung, eine Katastrophe würde ich sagen. Ja, wenn man in Berlin drei Monate braucht um einen Termin zu bekommen, dann fässt man sich am Kopf. Wir sind natürlich ein „role model“ für andere Bereiche im öffentlichen Sektor. Das es geht, wenn man mutig genug ist und das BMVgBundesministerium der Verteidigung war mutig und ist mutig genug, auch für die nächsten Jahren mutig genug um zu sagen, wir wollen uns so ein Schnellboot leisten, wir wollen so etwas und möchten ein Element haben, dass Dinge hinterfragt, das Dinge anders macht, das Dinge schnell voranbringt, aber nicht im Sinne von wir belehren alle und sagen auf wie es besser geht, sondern mit gutem Beispiel vorangehen, Leute mitnimmt, hier und da auch pikst, eine charmante Unverschämtheit hat, das System muss es auch erlauben und tut es auch und da auch großen Dank an alle, die uns unterstützt und auch uns in Zukunft unterstützen werden.

Sarah Reichel: Herr Weizenegger, ganz herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch über Agilität, über den Zusammenhang zwischen Startups der Bundeswehr und dem Cyber Innovation Hub, herzlichen Dank auch dir, Tim.

Tim Kullmann: Gern geschehen, immer gerne.

Sven Weizenegger: Jetzt muss ich mich bedanken und das du ich auch sehr ehrlich und gerne. Vielen Dank für die spannenden Fragen und gucken was so an Feedback aus der Truppe und der zivilen Welt zurückkommt, schauen wir mal. Danke sehr.

Sarah Reichel: Ich danke auch noch dafür, dass wir hier zu Gast sein durften im Cyber Innovation Hub und dieses neue Podcast-Studio austesten dürfen, Herzlichen Dank.

Sven Weizenegger: Gerne und bis bald.

Sarah Reichel: Genau bis bald, tschüss.

Till Kullmann: Servus.

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