Transkription Mein Führungsfahrzeug - Vierzehnte Fahrt: Martin Kaloudis
Transkription Mein Führungsfahrzeug - Vierzehnte Fahrt: Martin Kaloudis
Oberstleutnant d. Reserve Tim Kullmann: Ja Martin, schön, dass du bei uns im Führungsfahrzeug bist.
Martin Kaloudis, Chef der BWI GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung: Hallo lieber Tim!
Tim Kullmann: Dankeschön, Dankeschön. Der Grund warum du schon neben mir sitzt: Es regnet draußen und wir sind beide nicht regenfest angezogen.
Martin Kaloudis: Obwohl wir nicht aus Zucker sind, das müssen wir glaube ich betonen.
Tim Kullmann: Ja (lacht). Ja, ich habe leider auch nichts dabei. Ich habe tatsächlich nicht damit gerechnet, dass es noch regnen wird, wenn wir hier drehen. Nun gut, aber dann cruisen wir mal eine Runde.
Für alle die dich vielleicht noch nicht kennen: du bist ja der Vorsitzende Geschäftsführung der BWI, die dürfte ja jeder bei der Bundeswehr kennen und damit auch Chef von rund 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in - waren es 40 Standorten oder so was - also sehr breit gestreut. Wie behältst du denn da den Überblick?
Martin Kaloudis: Man behält den Überblick glaube ich dann gut, wenn man sich selbst nicht zu sehr als Chef auf dem Feldherrenhügel wahrnimmt, sondern einfach als Teil des Teams. Also ich glaube ich kriege einen ganz guten Überblick Tim, indem ich rausfahre in die Mannschaft und zwar… also „Dienstaufsicht“ könnte man das nennen. Ich fahre vor Ort und rede mit unseren Mitarbeitenden über das, was sie bewegt und lasse vor allem auch zu, dass sie sagen, was sie bewegt und glaube, dass ich dadurch ein ganz gutes Frühwarnsystem mit meinen Kollegen in der Geschäftsführung und im Management-Team sukzessive aufbaue. Ein gutes Meldewesen, dass die Leute uns sagen, was gerade los ist. Vor allem auch ehrlich sagen.
Tim Kullmann: Glaubst du, dass die Menschen – also vielleicht ist es bei euch anders in der Wirtschaft - übernehmen die da gerne Verantwortung oder haben die da eher so bisschen Bedenken „Oh wenn wir hier jetzt scheitern, wenn wir ein Fehler machen, das könnte sich auswirken auf eine Beförderung oder auf den weiteren Arbeitsweg?“
Martin Kaloudis: Du, das ist eine total gute Frage! Also ich nähere mich mal ein Stückchen von oben. Wenn du die Verwaltung in Deutschland dir anschaust, dann ist die ja seit Jahrzehnten, wirklich seit Jahrzehnten, auf Fehlervermeidung ausgerichtet. Das ist ein ganz wesentliches Kulturelement. Fehlervermeidung ist jetzt auch mal per se gar nicht Schlechtes. Es macht ja keiner irgendwie gerne Fehler, aber klar ist auch, wenn du im Zweifelsfall immer zur sicheren Seite fällst, und immer erstmal drei Mal drüber nachdenkst, ob du jetzt den Fehler machst, bevor du etwas machst, dann hemmt das ja.
Was ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen versuche, ist eine Brücke zu bauen: Auf der einen Seite Fehlertoleranz und eine agile und auch ausprobierende, auch Innovationskultur zu etablieren. Auf der anderen Seite aber natürlich auch unserem System treu zu bleiben, weil wir produzieren nun mal hochsichere, und wenn ich sage sicher, dann meine ich stabile, aber auch im Sinne einer ITInformationstechnik-Sicherheit, sichere Systeme für eine sichere Bundeswehr und insofern können wir nicht mit Methoden oder Kulturelementen wie vielleicht andere Unternehmungen an so eine ITInformationstechnik-Materie herangehen.
Das ist eine Brücke, aber manchmal auch ein Spagat, was wir versuchen hinzukriegen. Aber ich sage, das ist nicht unmöglich, das funktioniert. Das funktioniert also auch mit agilen, iterativen, auch fehlertoleranten Prozessen und Kulturelementen ITInformationstechnik bei der Bundeswehr zu bauen. Ich glaube im Übrigen nicht nur der BWI, sondern dass die Bundeswehr das auch schon selbst ganz gut kann.
Tim Kullmann: Ihr seid ja als Systemhaus auch mit der Bundeswehr quasi im Einsatz. Weil wenn ihr Computer und ITInformationstechnik mitnehmt, ist ja auch immer ein Stück BWI dabei. Habt ihr dann auch Mitarbeitende vor Ort in den Einsätzen oder kommen die dann nur immer, wenn es irgendwo hakt?
Martin Kaloudis: Also wir machen das noch gar nicht. Wir geben unser Equipment in Deutschland aus. Soldatinnen und Soldaten nehmen das Equipment mit, aber wir bauen gerade ein Geschäftszweig, ein Geschäftsfeld, ein neuer Auftrag, den wir von der Bundeswehr bekommen haben zum Betrieb der ITInformationstechnik in den Einsatzliegenschaften aus.
Und das bedeutet in Zukunft hin in der Tat, dass wir - aber in unterschiedlichen
Lieferkonzepten - jetzt nicht in 100 Länder wirklich in die Camps gehen und dort ITInformationstechnik
betreiben, aber es gibt nun erste Piloten, Stichwort „Kosovo“, Stichwort „Niger“, ab nächstem Jahr, wo wir Mitarbeitende der BWI, aber Zivilisten, in die Camps schicken und die dann die ITInformationstechnik-Dienstleistungen vor Ort ausführen. Das ist im Übrigen auch, wenn man an das alte BWI-Geschäft der Vergangenheit, also die APCs, die wir vor Ort haben, die Telefone, die Netzwerkanschlüsse, also das klassische Infrastrukturgeschäft, was unter dem Stichwort: Herkules und SASPFStandard-Anwendungs-Software-Produkt-Familien beispielsweise aufgebaut wurde von 2006 bis 2016, ist ja die Kern-BWI und wir wachsen jetzt in verschiedene Geschäftszweige und das bringt uns in der einsatznahen ITInformationstechnik viel näher an das Kerngeschäft der Bundeswehr heran, als es bisher war und das ist für uns super spannend im Übrigen und auch super neu.
Tim Kullmann: Ich meine der Erfolg, der gibt der BWI ja recht. Ich glaub zwei- oder dreimal seid ihr hintereinander unter die erfolgreichsten und innovativsten mittelständigen Unternehmer gewählt worden. Was könnte denn vielleicht auch die Bundeswehr von BWI lernen?
Martin Kaloudis: Ja, das ist schwierig zu sagen. Jetzt zu sagen, dass die BWI innovativer als die Bundeswehr ist, das würde ich jetzt niemals so stehen lassen, weil ein Großteil der Innovation der BWI kommt ja aus der Bundeswehr. Nimm das Stichwort: Cyber Information Hub der Bundeswehr: Reservistinnen, Reservisten, Soldatinnen, Soldaten und BWI-ler in einer Co-Creation zusammen in Berlin. Da kommt ja die Innovation aus der Truppe und was die BWI macht ist ja folgendes: Diese Innovationsideen mit guten Methoden, scrum, Agilitätsmethoden, einer Lösung zuführen. Also erst mal sagen minimum viable product, also etwas, was du anfassen kannst, ein Gadget. Dann aber kommt die BWI wiederum ins Spiel, die Lösung so zu gestalten, dass sie nicht nur irgendwie ein Gadget, ein Prototyp ist, sondern dass diese Lösung auch skaliert werden kann, umgesetzt werden kann.
Nimm mal die eToken-App beispielsweise. Drei Monate! Wir haben drei Monate mit dem BMVgBundesministerium der Verteidigung, Soldatinnen, Soldaten, Cyber Information Hub und BWI zusammengearbeitet und wir konnten die App skalieren. Das ist total genial!
Martin Kullmann: Habe ich auf dem Handy!
Martin Kaloudis: Haben ganz viele Soldatinnen, Soldaten und funktioniert auch einfach gut - ist eine super Erfolgsgeschichte. Ich glaub wir haben in den letzten drei bis vier Jahren 170 dieser Innovationsvorhaben gemacht und das waren ja Innovationen aus der Truppe. Also insofern glaub ich, liegt die Kunst da drin, vom Enduser, dem Nutzer, der Nutzerin bis hinten zu demjenigen, der das in einem Rechenzentrum betreibt oder auch vor Ort wiederum unsere Field-Service Kolleginnen und Kollegen dann auch mal ein Problem löst. Die Kameradinnen, Kameraden zusammen zu bringen und gemeinsam an der Innovation zu arbeiten. Also dieses übergreifende Denken und Handeln, dass du Dienstgrad und auch Zugehörigkeit eigentlich an der Tür draußen abgibst und dich nur um die Innovation kümmerst. Das ist für mich ein totaler Erfolgsfaktor. Ich glaube ja, das bestimmte Hierarchien und Zugehörigkeitsgefühle eher unförderlich sind, um Innovation zu entdecken, einzuführen und auch skalieren zulassen.
Tim Kullmann: Ganz anderes Thema: warst du bei der Bundeswehr, hast du gedient?
Martin Kaloudis: (lacht) Ich bin 1989 gemustert worden. Ja, zu Zeiten der Bundeswehr und der NVANationale Volksarmee und da wurde ich unerwartet ausgemustert. Und das passt überhaupt nicht zu meinem Lebensplan, weil ich wollte nach dem Abitur zur Bundewehr und musste mich dann kurzerhand für ein Studium entscheiden. Also in der Retrospektive war das natürlich vollkommen in Ordnung. Aber es hat mich dann sehr überrascht, weil ich einfach nicht damit gerechnet hab und ich ja auch kerngesund bin, weil ich ja jetzt gerne auch Reservedienstleister werden möchte. Corona hat mir da einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht, aber lieber Tim, ich bin nachgemustert worden und ich glaub ich bin einer der wenigen, die vor 20 Jahren, nein vor 30 Jahren - ja leider 30 Jahren schon - mit fünf gemustert wurde und dann mit zwei. Und ich darf zu allen sagen, die schon vor mehreren Jahrzehnten gemustert worden sind, die Musterung läuft heute noch ab wie vor 30 Jahren ungefähr. Ich habe mich da irgendwie, also das war „blast from the past“, schön zurückerinnert… (lacht) Aber jetzt also bin ich quasi tauglich und freu mich dann auch auf meinen nächsten Einsatz, den ersten.
Tim Kullmann: Wo würdest du gerne hingehen truppengattungsmäßig?
Martin Kaloudis: Naja, ich habe mir eine Luftwaffenuniform ausgesucht, da ja der ITInformationstechnik-Chef des BMVgs auch Luftwaffenuniformträger ist. Da dachte ich mir, halt ich mich einfach mal an den. Passt ja auch bisschen zum Fliegertum.
Tim Kullmann: Ja, also würdest du auch heute vielleicht sagen die jungen Menschen, die jetzt mal überlegen, was können sie als Beruf wählen, vielleicht auch mal zur Bundeswehr zu gehen, oder auch bei der BWI reinzuschnuppern?
Martin Kaloudis: Na ja klar, also zur Bundeswehr auf jeden Fall und also eine Sache muss ganz klar sein: der Außeneindruck mag manchmal noch etwas traditionell wirken, was es bestimmt auch in Einzelbereichen gibt. Aber die Bundeswehr ist heute innovativ. Und auch gerade für Menschen, die technisch etwas interessiert sind. Da gibt es noch so viel zu bewegen und zu tun, das ist super spannend und ich kann es jedem wirklich nur empfehlen und ans Herz legen.
Ja klar, bei der BWI natürlich auch, das muss ich ja sagen. Aber auch was die ITInformationstechnik-Verwendung bei der Bundeswehr betrifft, das ist ein super Spielfeld für jeden, der irgendwie eine gewisse Affinität hat.
Tim Kullmann: Letzte Frage: Worüber freut sich Martin Kaloudis? Womit kann man dir eine Freude machen oder wo du sagst: das sind einfach Dinge, die habe ich gerne in meinem Leben, das ist einfach schön. Schönes Essen? Oder oben in 10.000 Metern irgendwo rumfliegen oder…?
Martin Kaloudis: Ja, also was für mich einfach immer wieder schön ist - du hast es eben erwähnt - in die Heimat meines Vaters zu fahren und dort Zeit zu verbringen, was ich auch mache, wenn ich Urlaub habe. Ich mache das am liebsten mit meiner Familie; Zeit ist ja irgendwie das Gut, was uns meistens fehlt oder viel fehlt und deswegen ist Zeit mit meiner Familie dass was ich gerne mache. Ansonsten esse ich total gerne Schokolade, wenn ich ehrlich bin.
Tim Kullmann: (lacht) Sieht man nicht.
Martin Kaloudis: Nö, aber ich esse trotzdem gerne Schokolade. Nee, das sind so die kleinen Dinge, die freuen mich besonders.
Tim Kullmann: Martin, jetzt sind wir schon wieder da.
Martin Kaloudis: Mensch, das ging jetzt aber echt schnell!
Tim Kullmann: Fünf Mal im Kreis gefahren … (beide lachen).
Martin Kaloudis: Das war mir eine große Ehre. Check (fist bump gegen die Plexiglasscheibe), ganz besonders sicher mit der Plexiglasscheibe.
Tim Kullmann: Plexiglasscheibe, Corona-Negativ-Test, alles da. Und Teile haben schon die ersten Impfungen bekommen.
Martin Kaloudis: Genau.
Tim Kullmann: Wir müssen jetzt noch aussteigen, wir machen vorne noch ein Foto und dann nichts wie weg hier.
Martin Kaloudis: Vielen Dank.