Transkription Mein Führungsfahrzeug - Fünfzehnte Fahrt: Philipp Depiereux
Transkription Mein Führungsfahrzeug - Fünfzehnte Fahrt: Philipp Depiereux
Oberstleutnant d.R.der Reserve Tim Kullmann: Hi Philipp, schön, dass du bei uns im Führungsfahrzeug bist.
Philipp Depiereux, Initiator des „ChangeRiders“: Tim, danke für die Einladung! Freue mich sehr hier zu sein.
Tim Kullmann: Du bist ja quasi mein Pendant in zivil als ChangeRider.
Philipp Depiereux: Ja, genau also cool, dass du das hier machst bei der Bundeswehr und den Laden da so ein bisschen aufmischst oder?
Tim Kullmann: Es macht sehr viel Spaß und ich würde sagen wir starten mal die Motoren. Vorher sollte ich mich anschnallen.
Philipp Depiereux: Mach‘ das.
Tim Kullmann: So… Licht an. Bist du schon mal in einem Bundeswehr-Auto mitgefahren?
Philipp Depiereux: Tatsächlich mit dir eben auf der Teststrecke das erste Mal. Also auch heute das erste Mal als Zivildienstleistender wohlgemerkt, aber ich bin schwer beeindruckt. Coole Karre, cooles Setting, super organisiert – toll!
Tim Kullmann: Du bist auch dann tatsächlich der erste Zivildienstleistende, der mitfährt.
Philipp Depiereux: Gut, sehr gut, genau (lacht)!
Tim Kullmann: Ja Philipp, ich habe mich natürlich im Vorfeld ein bisschen schlau gemacht über dich. Du bist ein sehr spannender Gast und auch ein sehr eloquenter Gast. Das Handelsblatt hat dich mal genannt „Messias der Digitalisierung im deutschen Mittelstand“. Wie lebt es sich denn so als Messias und Heiland?
Philipp Depiereux: Ja gut ok, was die Presse schreibt ist ja das eine. Das andere ist für mich wirklich das Thema „Wandel“. Dass wir in Deutschland nach wie vor die besten Grundvoraussetzungen haben, um sozusagen den Wandel, der da draußen eben stattfindet in den unterschiedlichen Märkten durch die Digitalisierung – Corona war ja auch nochmal so ein Wandel-Booster, wo wir auf einmal sozusagen hier ja auch auf einmal mit ganz neuen Rahmenbedingungen konfrontiert waren... Wir haben gute Grundvoraussetzungen, das alles zu meistern, aber wer sich natürlich so ein bisschen die deutsche Industrie anschaut, Politik ist ähnlich, saturiert, zufrieden, wir sind natürlich eher langsam, wir sind ja eher perfektionistisch, ingenieurstechnisch unterwegs, dass wir sozusagen lange an Themen entwickeln, bis die dann mal fertig sind, sieht man auch jetzt in der Corona-Pandemie wie die Politik dann eben doch langsamer handelt; und das ist sozusagen mein Job, dass ich die Leute ein bisschen aufmuntere und sage „hey, Ingenieursdenken, Perfektionismus super, aber wir brauchen auch mal ein bisschen anderes Mindset. Müssen auch mal mehr scheitern können, müssen schneller sein und auch mal ein bisschen die Kontrolle abgeben. Das ist so meine Mission.
Tim Kullmann: Ja, manche sagen ja auch: „Du hast ein Laptop Zuhause, damit bist du digitalisiert.“ Ist das so einfach?
Phillip Depiereux: Gut, also es ist ja so und das wird bei euch wahrscheinlich ähnlich gewesen sein. Viele Unternehmen haben sich ja nicht vorbereitet! Bei so einem Start-up da hat jeder sein Smartphone und jeder sein Notebook und alles ist gut, aber bei den traditionellen Mittelständlern, wahrscheinlich ähnlich wie bei euch, da musst du erstmal schauen. Sind überhaupt Geräte da? Können die Leute überhaupt von Zuhause arbeiten? Der Buchhalter oder die Buchhalterin, die bisher die Belege physisch im Büro hatten, wie kriegst du die nach Hause? Wie können die überhaupt arbeiten?
Das ist der erste Schritt. Das haben glaub ich die Unternehmen in der Breite gut gemeistert. Man sieht ja selbst Siemens als ein großer Tanker, die jetzt gesagt haben: „Hey Homeoffice bleibt und ist in Zukunft auch erlaubt.“ Das ist ja auch ein Kulturwandel. Aber natürlich bedeutet das noch lang nicht, dass jetzt die Unternehmen alle digital sind und die Sekundchen-Stellen digital besetzt sind und jetzt digitale Umsätze machen. Das ist jetzt der große Weg, den wir noch in der Wirtschaft gehen müssen. Aber ich glaub in der Breite war das natürlich erstmal ein Schock und ich glaub mit schnellen Maßnahmen haben es die Unternehmen, die ich kenne, sehr schnell umgesetzt.
Tim Kullmann: Wir werden ja auch immer vernetzter und ständige Erreichbarkeit, Dienst-Handys, Dienst-Laptops auch bei der Bundeswehr. Wie wichtig ist denn für dich auch die Trennung von Beruf und Familienleben? Also ständige Erreichbarkeit versus Familie?
Phillip Depiereux: Tim, das ist toll, dass du das fragst! Ja natürlich als digital native tendierst du immer always on zu sein, aber es gibt bei uns schon jetzt klare Regeln. Auch klare Regeln für mich. Für meine Kinder ist es so, die wachsen mehr oder weniger digitalfrei auf, aber das ist noch mal ein anderes Thema. Bei mir ist es so, ich arbeite niemals am Wochenende. Ich arbeite von Freitagnachmittag bis Montagmorgen nicht.
Und so als Beispiel… Unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel hat mich mal zu einem Unternehmerempfang am Sonntag in Hannover eingeladen. Da habe ich mich für die Einladung bedankt und ihr geschrieben: Ich bin an dem Wochenende in Österreich. Sie können gerne zu mir immer nach Österreich kommen und mit meinen Kindern Zeit verbringen und mit mir auch, aber ich kann auf keinen Fall in der Familienzeit dort hinreisen.
Es gibt bei mir auch keine Nachtarbeit. Das heißt, die berühmte Nachtschicht, die ich in den ersten frühen Jahren hatte, mache ich jetzt auch nicht mehr. Und jeden Tag auch eine Stunde Sport, das ist auch digitalfrei. Und so gibt es paar Regeln, Work-Life-Balance und natürlich ein bisschen Digital Detox, wo ich auch immer in der Weihnachtszeit vier Wochen wirklich nichts mache, kein Social Media. Von Mitte Dezember bis Mitte Januar wirklich aus, also nicht lesen, nicht posten und im Sommer habe ich das vorletztes Jahr auch mal vier Wochen gemacht und das ging auch gut. Ja und da muss man eben ein bisschen gegen die Sucht arbeiten.
Tim Kullmann: Du hattest ja die Schule angesprochen, dass man auch nicht alles in der Schule lernen kann. Zum Beispiel scheitern. Wie wichtig ist es denn, dass man, ich sag mal, einfach mal scheitert?
Philipp Depiereux: Du, also ich sag dir ganz ehrlich, wie heißt es so schön in unserer Startup Sprache, du kennst es ja auch: build-measure-learn. Also du kannst natürlich nur sozusagen lernen, wenn du mal gescheitert bist. Also du lernst natürlich auch durch Erfolg. Aber vor allen Dingen ganz wichtig ist ein Scheitern auch zu bewerten. Wirklich auch klar über Scheitern zu sprechen und sagen „hey, und das war jetzt auch ein Fehler“, wie zum Beispiel auch Angela Merkel, wieder mal als Beispiel, die sich vor ein paar Wochen hingestellt hat, da ging es um diesen Oster – du erinnerst dich – Oster-Lockdown wo wir sagen, da fahren wir fünf Tage das Land runter. Die sich da hin stellt, nachdem sie das entschieden hat mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten „das war ein Fehler, ich nehme es auf meine Kappe und das hätte man nicht machen sollen“. Es ist natürlich in Deutschland wirklich selten und ich würde mir natürlich wünschen, dass gerade Menschen, die sozusagen Führungsverantwortung haben, natürlich viel offener und besser über Scheitern sprechen.
Tim Kullmann: Ja Phillip, wir hatten ja schon das Thema Scheitern gerade angesprochen. Wenn wir jetzt mal so ein bisschen vorausblicken: Wo denkst du denn stehen wir so in zehn Jahren ungefähr in Deutschland? Magst du da so einen Vorausblick geben? Was würdest du dir vielleicht sogar persönlich wünschen?
Philipp Depiereux: Ja gut, also tolle Frage! In meinem neuen Buch „Werdet Weltmutführer“ habe ich, das letzte Kapitel heißt „Deutschland 2030“ also das passt sozusagen ganz gut… Ich wünsche mir natürlich ein Land was mutig voran geht, was Dinge ausprobiert, was eine gute Scheiterkultur hat, wo man auch gut über Scheitern sprechen kann. Das Thema generell Diversity, wo wir natürlich in Politik und der Wirtschaft auch viel mehr Frauen haben, das Thema Diversity allgemein, dass wir natürlich auch Menschen mit anderen Hintergründen sozialen Hintergründen und Nationen, dass die sozusagen auch deutlich stärker in Deutschland in Führungsverantwortung in der Breite auch dementsprechend vertreten sind. Das Thema Bildung: das wir natürlich weg vom sozusagen Bulimie-Lernen, Auswendiglernen – auskotzen – vergessen, ich sag mal hin zu einem Schul- und universitären Ausbildungssystem gehen, wo wir mehr Richtung Projektarbeit gehen, mehr Richtung auch Entrepreneurship, mehr auch Dinge ausprobieren. Dass wir auch das Thema Umweltschutz entsprechend anders denken. Genau, also ich glaube da gibt es viele, viele Bausteine, und ich glaub wir haben auch die Möglichkeiten das alles zu schaffen, wir müssen nur halt jetzt anfangen. Wir können nicht mehr länger warten.
Ah und jetzt fahren wir über die Huckelstrecke.
Tim Kullmann: Jetzt fahren wir über die Hügelstrecke, du kannst aussuchen: entweder über die ganz schlimme, die mittlere oder…
Philipp Depiereux: Ich will die ganz schlimme!
Tim Kullmann: Die ganz schlimme? Ey ey ey…
Philipp Depiereux: Ich will die auf jeden Fall, weil du fährst ja und ich halte mich hier rechts mal fest.
Tim Kullmann: Würdest du heute, so mit ein paar Jahren Abstand, was würdest du heute machen? Würdest du sagen mal die Bundeswehr ausprobieren, als Wehrdienstleistender oder als Freiwilliger?
Philipp Depiereux: Genau, also bei mir war früher einfach das Thema und das ist mir nach wie vor noch das Thema also Zivildienst, ich war in der Familien- und Altenbetreuung drin. Ich war der erste Familienbetreuer in Nordrhein-Westfalen. Ich hatte sozusagen einen Haushalt, wo die Mutter lag im Krankenhaus und der Vater war Arbeiten, ich habe mich den ganzen Tag um die Kinder gekümmert und so. Also geputzt und eingekauft und hatte da viele soziale Interaktion. Das war großartig. Aber natürlich das Thema Bundeswehr sehe ich natürlich jetzt nochmal mit ganz anderen Augen. Das Thema auch wirklich Hilfseinsätze, jetzt auch wenn man sieht was in der Corona-Zeit hier die Bundeswehr auch gleistet hat. Das ist ja eben nicht nur das klassische Bild: ok, du hast eine Waffe und du hast eine Kriegssituation. Und deswegen finde ich das schon spannend, also mit dem Thema Wehrübung ist ja so paar Tage, eine Woche, dass man sozusagen dann auch kennenlernt wie die Bundeswehr arbeitet. Damit möchte ich mich beschäftigen, also das würde ich auch machen, ja.
Tim Kullmann: Ja Philipp, jetzt sind wir auch schon da.
Philipp Depiereux: Ja, vielen Dank. Das war cool. Also ich sag mal, die Beifahrererfahrung war für mich jetzt Premiere mit den ganzen Kameras, aber cool! Danke und super, dass du dir die Zeit genommen hast. Großartig! Und cooles Format.
Tim Kullmann: Ja, ich habe dir zu danken, auch nochmal für die Inspiration und für die Denkanstöße, das ist immer wichtig, dass man Feedback bekommt.
Philipp Depiereux: Gerne. Dank dir, alles Gute auch an die Kolleginnen und Kollegen von der Bundeswehr. Macht weiter so, bis dann, ciao.