Transkription MeIN FÜhrungsfahrzeug - Fünfte Fahrt mit Leutnant Sven Bäring

Transkription MeIN FÜhrungsfahrzeug - Fünfte Fahrt mit Leutnant Sven Bäring

Datum:
Lesedauer:
9 MIN

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Oberstleutnant Kullmann: Sven, herzlich willkommen im Führungsfahrzeug.

Leutnant Sven Bäring: Ja, vielen Dank für die Einladung

Kullmann: Bevor sich die Leute fragen, warum wir uns duzen: Wir kennen uns!

Bäring: Genau!

Kullmann: Du bist ja der Vorsitzende von QueerBw. Was ist denn QueerBw?

Bäring: QueerBw steht für Queer Bundeswehr. Bundeswehr erklärt sich von allein. Queer ist ein Sammelbegriff für früher hat man LGBTTIQ oder ähnliche Abkürzungen gesagt, also lesbische, schwule, bisexuelle, trans-, inter-, oder andersgeschlechtliche Angehörige der Bundeswehr.

Kullmann: Da sind wir eigentlich schon direkt bei der ersten Frage. Du hattest sie eben gerade schon angesprochen: Transgeschlechtliche Menschen, haben die es eigentlich besonders schwer bei der Bundeswehr?

Bäring: Ich denke, dass das Thema Transgeschlechtlichkeit neuer ist, als der Umgang mit Homosexualität beispielsweise und dadurch natürlich die gesellschaftliche Entwicklung noch nicht soweit vorrangeschritten ist. Dementsprechend braucht es einfach ein bisschen mehr Zeit, damit die gleiche Akzeptanz für transgeschlechtliche Personen vorhanden ist, wie für Homosexuelle.

Kullmann: Die Bundeswehr ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, wie offen können eigentlich homosexuelle Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr leben?

Bäring: Also ich finde, dass queere Angehörige der Bundeswehr offen leben können und es sollte auch jeder den Mut besitzen sich zu outen. Wir sind eine Organisation mit über 260.000 Mitarbeitenden. Es wäre utopisch zu verlangen, dass jeder dieser 260.000 die gleiche Offenheit oder Sensibilität dem Thema gegenüber offen zeigt. Dementsprechend muss man natürlich, wie in jedem anderen Unternehmen oder jeder anderen Organisation dieser Größe, leider noch damit rechnen, dass Personen diesem Thema nicht sensibel oder nicht offen gegenüberstehen und dann sind natürlich auch Diskriminierungserlebnisse möglich. Damit muss man leben, aber das Recht ist auf unserer Seite. Das können wir auf jeden Fall sagen. Von daher bin ich der Meinung, kann man sich heutzutage outen, und offen zu seiner sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität stehen.

Kullmann: Wie glaubst du war das den damals in den 80er und 90er-Jahren – damals muss ja noch deutlich schärfer gewesen sein?

Bäring: Ich glaube für mich als junger Soldat ist es natürlich schwierig, sich in die Lage von damals hineinzuversetzen. Da hat mir vor allem geholfen, dass ich mich mit Soldaten die früher im Dienst waren unterhalten habe. Das heißt Betroffen aus den 60er, 80er, 2000er Jahren. Prinzipiell kann man sagen, vor 2000 wurden Homosexuelle systematisch diskriminiert. Wer sich geoutet hat, durfte nicht mehr befördert werden, durfte kein Ausbilder, kein Vorgesetzter sein. Vor allem hat die Vorschrift explizit davon geredet, dass man nicht Vorgesetzter von jüngeren Soldaten sein durfte, was ja schon einmal irgendwie so ein bisschen unterstellt, dass da irgendwie Missbrauchsgefahr da wäre und das hat die Personen im privaten Leben natürlich stark eingeschränkt. Und die Praxis hat sich erst 2000 durch den Verteidigungsminister Scharping geändert, als der auf Druck des Bundesverfassungsgerichts diese Regelung geändert hat – wohlgemerkt gegen den Willen der Generale und Admirale.

Kullmann: Wie sehen denn eure Erlebnisse im Verein mit sozialen Medien aus? Wenn man auch bei Instagram liest oder bei Facebook – es freuen sich nicht alle Menschen, wenn ihr irgendetwas postet.

Bäring: Ich denke mal da sind wir betroffen, genau wie der Rest der Gesellschaft. In den sozialen Medien hat der eine oder andere ziemlich viel Meinung für ziemlich wenig Ahnung. Dann muss man halt auch Texte lesen, wie: Wir sind eine Schande für die deutsche Militärgeschichte. Das gehört dazu, das darf man nicht an sich heranlassen. Für mich ist jeder Hasskommentar Ansporn, dass ich weiß, wir müssen noch weitermachen, wir sind noch nicht am Ziel angekommen.

Kullmann: Nimmt man sowas abends mit, wenn du dich ins Bett legst, schläfst, den Tag nochmal Revue passieren lässt, oder ist man da mittlerweile so abgehärtet, dass man sagt, komm….

Bäring: Ich glaube, es wäre gelogen, wenn ich sage, dass man sowas einfach vergisst. Natürlich nimmt man das mit. Man muss es halt verarbeiten können, muss auch einfach offen darüber sprechen, wenn einen das belastet. Das gehört mit zu einer ehrenamtlichen Arbeit, dass man sozusagen das Erlebte mitverarbeitet. Es darf halt nicht länger an einem selbst hängenbleiben, da muss man aufpassen und muss im kameradschaftlichen Gespräch einfach nochmal Hilfe suchen.

Kullmann: Bei uns im Führungsfahrzeug gibt es immer drei Zuschauerfragen, die sind hier im Auto versteckt, meistens da unten rechts.

Bäring: Überraschung!

Kullmann: Überraschung! – (lacht) Vielleicht könntest du die laut vorlesen und kurz beantworten, wenn du möchtest.

Bäring: [Frage] Wieso hast du gerade die Bundeswehr als Arbeitgeber ausgesucht? Hattest du keine Bedenken?

[Antwort] Dass ich mich aktiv mit dem Thema Homosexualität und Bundeswehr auseinandergesetzt habe, da war ich schon bei der Bundeswehr. 2014 habe ich das das erste Mal gegoogelt. Von daher, die Bedenken waren weniger von meiner Seite.

[Frage] Haben deine Eltern versucht, dich von der Idee Soldat zu werden abzubringen?

[Antwort] Das Einzige, woran ich mich ganz gut erinnern kann, ist, dass sich meine Mutter tatsächlich Sorgen gemacht hat, weil sie Angst hatte, dass ich diskriminiert werde. Sie hat aus Sorge einmal zu mir gesagt, dass mir klar sein müsse, dass ich das keinem sagen darf, dass ich schwul bin – weil sie einfach Sorge um ihren Sohn hatte.

[Frage] Wie sieht die Realität aus? Es dürfte sicher genug Negativkommentare zu deiner wichtigen Arbeit geben.

[Antwort] Die gibt es, aber Ziel sollte sein, diese als Ansporn zu sehen und sich nicht davon abhalten zu lassen. Wenn uns eine Situation nicht gefällt, dann muss man sich einfach aktiv dafür einbringen, dass es besser wird und das ist auch der Grund, warum ich Vorsitzender von dem Verein geworden bin – einfach die Bundeswehr auch gesellschaftlich weiter voranbringen.

Kullmann: Hier der Standort der Universität der Bundeswehr in München ist ja eigentlich super. Du hast die Berge vor der Tür, die schönen Seen, München ist eine wunderschöne Stadt, das kann man schlechter treffen oder?

Bäring: Auf jeden Fall, mir gefällt es sehr und das obwohl ich als Dorfkind aufgewachsen bin. Ich kann behaupten, das in meinem Dorf mehr Schmetterlinge als Einwohner existieren. Wir haben Europas größte Schmetterlingsfarm auf der Insel Usedom in meinem Dorf, aber ansonsten nur 900 Einwohner, da war nicht viel los. Aber mittlerweile bin ich zu einem richtigen Stadtmenschen geworden. Ich mag es, in der Stadt zu Wohnen. Deswegen ist der Standort, genau wie Hamburg ziemlich attraktiv: Dicht an der Stadt gelegen, öffentlicher Nahverkehr, gut angebunden. München ist einfach eine superschöne Stadt, zum Beispiel der englische Garten, wo man einfach mit Freunden sitzen kann und picknicken kann, den Surfern auf der Eisbachwelle zuschauen. Es gibt einfach viele schöne Ecken.

Kullmann: Jetzt wurde ja auch die Studie veröffentlicht „Tabu und Toleranz“. Was sagst du dazu? War es an der Zeit?

Bäring: Das ist ein ganz wichtiger Schritt für die Bundeswehr. Das Auseinandersetzen mit der eigenen Geschichte und die Aufarbeitung des eigenen Unrechts und das ist der große Unterschied: In dem Fall können wir nicht sagen, ‚das war die DDR, das war das dritte Reich, oder irgendwas‘, sondern da haben wir Menschen verfolgt, teilweise auch mit dem militärischen Abschirmdienst, das heißt von einem Nachrichtendienst verfolgen lassen. Und aus damaliger Sicht hätten wir das zurecht getan. Das ist schon eine heftige Sache. Das muss natürlich aufgearbeitet werden und ich denke die Studie ist einfach ein wichtiger erster Schritt. Es ist wichtig, dass der getan wurde, aber jetzt geht es darum die Themen sozusagen in die Gegenwart und in die Zukunft zu tragen und daraus zu lernen.

Kullmann: Das ist ja eigentlich auch eine Aufgabe der Inneren Führung, diese Botschaft zu transportieren.

Bäring: Auf jeden Fall, deswegen hat das Zentrum Innere Führung eine sehr wichtige Aufgabe in der Bundeswehr. Die ist einmalig und es ist zwar ein sehr großes Thema, das damit angeschnitten wird, aber es geht auch immer wieder um die Frage Tradition und unsere Werte. Für mich sind es die Werte unseres Grundgesetzes, das was bei uns traditionsstiftend ist, das, was uns alle verbinden sollte in der Bundeswehr. Und wer der Meinung ist, dass die Menschenwürde nicht unantastbar ist, der hat meiner Meinung nach auch nichts in der Bundeswehr zu suchen. Wir verteidigen das Grundgesetz, die Rechte und wir verteidigen auch das deutsche Volk und nicht 99,9, sondern 100 Prozent des deutschen Volkes. Und dazu zählen auch die Rechte von Queers, die Rechte von Menschen mit Migrationshintergrund, Personen, die vielleicht andere Lebensweisen haben, das gehört einfach mit dazu und den Respekt sollten wir einfach jedem entgegenbringen.

Kullmann: Ich hör mal was im Radio läuft [schaltet Radio ein] Kennst du das Lied? Passt ja irgendwie!

Bäring: Ja, auf jeden Fall: „Sterne“ von „Schrottgrenze“. Es ist etwas politischer, aber ‚Lieb doch wen du willst!` ist eines meiner großen eigenen Lebensprinzipien. Gönne jedem die Freiheit, die er haben möchte, solange er keinen anderen einschränkt. Es kann mir doch scheißegal sein, mit wem du zusammen bist und ob du dich als Mann, als Frau oder als divers fühlst. Mich kostet es doch keine Freiheit. Das ist genau das gleiche, wie mit der Ehe für alle: Mich kostet es kein Stück Freiheit, der Vorteil ist aber, dass du Freiheit gewinnst. Deswegen sollten das vielleicht mehr Leute beachten, dass man sagt, man gönnt jedem sozusagen die Freiheit, die einem zusteht. Die sexuelle Orientierung gehört mit zu mir, das ist meine Persönlichkeit und die brauche ich nicht verstecken. Genauso wie kein anderer seine Heterosexualität versteckt. Wenn ich meinen Chef frage, was er am Wochenende gemacht hat, und er mit erzählt, dass er mit seiner Frau unterwegs war, dann erzählt er mit indirekt von seiner Heterosexualität. Wenn ich erzählen würde, ‚Mensch ich habe einen Mann kennengelernt‘, das habe ich auch schon erlebt, dann wird so ein bisschen gestöhnt, dann heißt es ‚Ach, dass muss man ja nicht so rausposaunen‘. Das gehört mit zu mir und dafür muss sich niemand verstecken. Weder dafür, dass er hetero-, homo-, bisexuell oder Transgender oder intergeschlechtlich ist.

Kullmann: Du bist ja jetzt hier mit vielen jungen Soldatinnen und Soldaten – Ihr seid ja alle Studentinnen und Studenten. Ist da vielleicht schon ein anderes Denken dabei? Ist für junge Studentinnen und Studenten das Thema QueerBw vielleicht schon Alltag?

Bäring: Die Einstellung eines jeden Einzelnen ist eine persönliche Entscheidung, das mag ich auch so bezeichnen. Ich kann mich entscheiden, ob ich intolerant und unfair zu bestimmten Menschen bin, weil ich sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beurteile oder ob ich die Werte des 21. Jahrhunderts teile. Ich habe meine eigenen Diskriminierungserlebnisse im Sanitätsdienst gemacht. Da wo jeder sagt, ist doch offen und tolerant, wir haben die meisten Frauen. Das sind persönliche Entscheidungen, das hat nichts damit zu tun, dass man Uniform trägt, dass man jung oder alt ist. Das ist einfach eine persönliche Entscheidung, die kann einem überall begegnen. Und da gibt es natürlich leider auch Vorfälle an der Universität der Bundeswehr, das sind aber Einzelfälle. Mir ist da ein einziger bekannt, wo sozusagen auch intolerantes Verhalten dann zu Ermittlungen führte.

Kullmann: Sven, vielen Dank, das du heute bei uns im Führungsfahrzeug dabei warst. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich hoffe dir auch! Eine Frage hätte ich aber tatsächlich noch: Was würdest du dir wünschen, wie die Bundeswehr vielleicht in ein paar Jahren aussieht?

Bäring: Ich würde mich freuen, wenn die Bundeswehr weiter voranschreitet und mit der Gesellschaft geht. Ich denke dazu gehört auch, dass wir eine verpflichtende Ausbildung integrieren und sage, dass sich jeder mit dem Thema Vielfalt beschäftigen muss, damit einfach jeder begreift, dass es ein Vorteil ist, sich mit Vielfalt zu beschäftigen.

Kullmann: Vielen Dank.

Bäring: Vielen Dank an dich, dass ich eingeladen war und viel Spaß mit Deinem Führungsfahrzeug.

Kullmann: Den werden wir haben. (lacht)

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