Transkription MeIN FÜhrungsfahrzeug - Dreizehnte Fahrt mit dem Leiter des Cyber innovation Hubs der Bundeswehr Sven Weizenegger

Transkription MeIN FÜhrungsfahrzeug - Dreizehnte Fahrt mit dem Leiter des Cyber innovation Hubs der Bundeswehr Sven Weizenegger

Sven Weizenegger: Hallo.

Oberstleutnant d.R.der Reserve Tim Kullmann: Hallo Herr Weizenegger.

Sven Weizenegger: Grüße Sie.

Tim Kullmann: Kommen Sie rein in die gute Stube.

Sven Weizenegger: Gerne.

Tim Kullmann: Herzlich Willkommen Sven im Führungsfahrzeug. Schön, dass du heute bei uns bist.

Sven Weizenegger: Vielen Dank, für die Einladung, insbesondere auch so! Ich glaube in Berlin wäre das ein bisschen zu groß. Ich habe gehört, wir fahren jetzt zur Truppe, direkt.

Tim Kullmann: Ja, wir fahren auf einen Truppenübungsplatz würde ich vorschlagen. „Schmidtenhöhe“, das ist hier direkt um die Ecke.

Sven Weizenegger: Ok, und wir haben Sonnenschein in Koblenz!

Tim Kullmann: Ja wunderbar. Kaiserwetter!

Sven Weizenegger: Besser geht‘s nicht!

Tim Kullmann: Sven, dann erzähl ich meine erste Frage. Ich glaube deine Mutter ist Türkin?

Sven Weizenegger: Ja genau, ich bin spät in den 70er Anfang der 80er nach Deutschland gekommen… nach Berlin direkt.

Tim Kullmann: Wie kommt man denn aus Berlin nach Neukölln zur Bundeswehr?

Sven Weizenegger: Naja, das ist ja ein Lebenslauf, der hoffentlich recht normal ist inzwischen, heutzutage. Ich habe einen deutschen Vater. Wie das so üblich ist, hat ein Headhunter mich irgendwann angerufen. Der hat jetzt nicht gefragt, ob ich einen Migrationshintergrund oder so hätte.

Das sehe ich jetzt auch nicht als etwas Besonderes an für mich. Für mich ist das ganz normal letztendlich. Ich habe auch einen deutschen Namen, Sven Weizenegger. Das klingt jetzt nicht so typisch, aber das ist durchaus überraschend für viele, wenn ich sage, dass ich einen türkischen Hintergrund habe. Von daher lebt es sich ganz ok, glaub ich.

Tim Kullmann: Hilft dir eigentlich Vielfalt in deinem Arbeitsalltag im Cyber Innovation Hub?

Sven Weizenegger: Also auf jeden Fall! Ich bin ja in einem diversen Umfeld groß geworden. Divers nicht nur im Sinne von Geschlechtern, sondern auch von den Hintergründen der Menschen und den Freunden, die man im Hintergrund hat, auch heute noch. Ich habe sehr viele Künstler in meinem Freundeskreis, sehr viele Kreative, ein paar Programmierer, App-Entwickler, Projektleute etc. etc.

Das hilft mir natürlich einen anderen Blickwinkel oder Stoßrichtung in den Hub mit hineinzubringen, den vielleicht andere nicht so ohne weiteres haben und vielleicht auch seine eigene Meinung zu überdenken, hier und da mal, weil ich natürlich davon lebe, mir Input zu holen von vielen anderen Menschen, die andere Hintergründe letztendlich haben. Das ist auch eine Form von Diversität, andere Meinung zu zulassen.

Tim Kullmann: Wieso hast du damals gesagt, als der Headhunter dich angerufen hat „Ach das schaue ich mir mal an. Das ist ein tolles Jobangebot, da bin ich dabei“?

Sven Weizenegger: Ich habe natürlich überlegt an dem Tag, wie man das so macht, mit so einem Zwinkern. Aber ich wusste, das ist es! Weil es gibt eigentlich nichts Spannenderes als in einem Bereich zu arbeiten, wo man viele unterschiedliche Projekte hat. Wir haben ja nicht nur ein Projekt, sondern viele kleinteilige Projekte, um die Streitkräfte zu digitalisieren. Das ist total spannend letztendlich. Freunde, die die Bundeswehr nicht so gut kennen und ich erkläre ihnen das, dann denken die direkt ich wäre so ein Q, was natürlich nicht stimmt. Überspitzt formuliert kommt das bei denen manchmal so an. Und auch so James Bond Geschichten werden oft nachgesagt im Freundeskreis. Dann sage ich „Nein, nein das ist nicht so. Alles gut, das ist alles offen, kaum VSNFD“.

Das reizt mich wirklich viele unterschiedliche Projekte zu machen, mit dem Team was ich dahabe.

Jeden Tag Neues zu lernen, vor allem Dinge schnell umzusetzen und nicht zwei, drei Jahre zu warten, bis man mal ein fertiges Produkt auf den Markt hat.

Tim Kullmann: Das heißt ihr bekommt eine Herausforderung gestellt und sagt in einem Zeitrahmen X haben wir eine Lösung parat oder können an dem Projekt weiterarbeiten und schieben das nicht auf die nächsten 300 Jahre?

Sven Weizenegger: Also ein Bundesangehöriger kann sich bei uns melden, relativ formlos, der muss jetzt nicht ein Passierschein 38 ausfüllen, wie bei Asterix und Obelix. Und dann gucken wir erst mal, ist das wirklich ein Problem oder ist es ein Problem, was nur ihn selbst betrifft.

Es gibt Ideen bei der Einreichung, wie eine E-Ladesäule, das ist kein Innovationsverfahren aus unserer Sicht, das ist ganz klar Beschaffung, ganz klassisch. Aber wenn wir sagen das hat irgendwie einen Reiz, dann gucken wir uns das an, versuchen zu quantifizieren und qualifizieren, bis da wirklich ein Bedürfnis und wirklich ein Schmerzpunkt den der Nutzer hat und könnte man das vielleicht lösen mit einer Idee. Unsere große Stärke ist wirklich einerseits sehr schnell zu sein, sehr offen zu sein, was die Ideen und Probleme der Herausforderung angeht. Wir wollen das Problem lösen. Wir lieben das Problem, wir sind wirklich verliebt in das Problem, in die Herausforderung und gucken dann auf dem Markt, was gibt es vielleicht schon für fertige Lösungen? Kann man das vielleicht für die Bundewehr adaptieren? Viele tolle Lösungen kommen aus dem zivilen Umfeld letztendlich, die wir vielleicht mit einem kleinen Touch in die Bundeswehr-Welt übersetzen. Das ist unsere große Stärke und natürlich Dinge schnell an den Mann und die Frau zu bringen. Weil wir kennen das aus der zivilen Welt, wenn man im App-Store ist, will man Dinge sofort haben. So kennt man das und unser Bestreben ist auch Dinge so schnell wie möglich in die Hand des Soldaten oder der Soldatin zugeben, damit eben diese erstmal überhaupt Feedback geben können und nicht drei Jahre warten müssen.

Tim Kullmann: Die Bundeswehr ist ja eigentlich so hierarchisch organisiert. Erschwert das Innovation oder schließt das vielleicht Innovation aus?

Sven Weizenegger: Das hat man letztendlich in allen großen Organisationen. Auch eine Deutsche Telekom ist durchaus so aufgestellt. Nur weil man mit dem Pulli herum rennt mit Rollkragen-Pulli, ist man nicht gleich innovativ, um Himmels Willen. Auch dort hatte ich Erlebnisse, wie dass es irgendwie Gates gab. Quality-Gates nannte sich das und da haben wir nur alle sechs Monate getagt, auch das gibt es in großen Organisationen. Jede große Organisation tut sich durchaus schwer, sich vielleicht selbst zu erschaffen oder Dinge bei Seite mal zu legen und zu sagen, das ist es vielleicht nicht mehr.

Aber deswegen wurden wir geschaffen letztendlich, als digitales Schnellboot der Bundeswehr, um eben solche Momente zu zulassen und der Bundeswehr hier und da eine Empfehlung zugeben „ok das sollte in die Richtung gehen.“

Tim Kullmann: Also ist quasi die Bundeswehr als der große Tanker und ihr als das kleine Schnellboot/Beiboot, was dann links und rechts relativ schnell agieren kann?

Sven Weizenegger: Genauso würde ich das bezeichnen. Also wenn du jetzt in das Amazonasgebiet mit dem Tanker fahren würdest, wäre das glaub ich nicht so schön, das Gebiet wäre ziemlich schnell kaputt. Was wir machen, ist das Schnellboot zu sein um zu gucken „Ok da gibt es was Interessantes“ und dann wieder anzudocken an die Bundeswehr oder an die BWI wo wir beheimatet sind a­Is Innovationseinheit und sagen „ok da haben wir ein Goldstück gefunden und wir sollten da mal tiefer schauen.“

Tim Kullmann: Sven, du hast dir auch ein Lied ausgesucht. Kannst du ganz kurz was zu dem Lied sagen?

Sven Weizenegger: Altýn Gün ist meine Lieblingsband. Ist eine Band aus den Niederlanden, macht so türkische Musik mit arabesken Untertönen. Vor allem ist das so Funk, Soul, bisschen elektronische Musik, super Tanzbar. Und denen ich es bisher gezeigt habe, meinen es ist ziemlich groovie. Daher Altýn Gün - „Goldener Tag“ glaub ich heißt das.

Tim Kullmann: Wie wichtig ist in deinem Arbeitsalltag die Innere Führung?

Sven Weizenegger: Ich muss ja Vorbild sein, also wenn ich sage ich möchte Exzellenz, dann muss ich auch exzellent sein. In der zivilen Welt sagt man „Der Fisch stinkt vom Kopf“ und darum versuche ich immer gut zu riechen. Das ist letztendlich für mich eine Form der Inneren Führung, ein Vorbild zu sein. Bedeutet für mich allerdings natürlich auch Hindernisse aus dem Weg zu räumen, für meine Mitarbeiter, ihnen aber auch die Tools zu geben, um sie überhaupt zu befähigen. Im Innovationsleben muss man auch mal „Nein“ sagen, man kann nicht immer „Ja“ sagen. Ich habe gelernt im Leben je öfters man „Nein“ sagt, je werti­­ger ist das „Ja“.

Tim Kullmann: Sven, bei uns im Führungsfahrzeug haben wir immer drei Zuschauerfragen, die sind üblicherweise da unten irgendwo in der Tür.

Sven Weizenegger: Ich suche ja, aber finde sie nicht… Toll vorbereitet (lacht).

Tim Kullmann: Ja, toll vorbereitet (lacht). Neben der gelben Warnweste.

Sven Weizenegger: Hier, da vorne?! Achso. Die waren so Tarnfleck, ich habe das nicht gesehen… Brauche ich auch sowas.

Tim Kullmann: Ja, habe ich welche dabei. Kann ich gleich mitgeben.

Sven Weizenegger: Soll ich die Frage vorlesen?

Tim Kullmann: Ja, das wäre super.

Sven Weizenegger: Damit auch jeder sieht, dass ich lesen kann.
Wie wichtig sind Reservisten für den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr?

Sie sind sehr wichtig! Man muss nämlich wissen, dass knapp 50 Prozent unserer Stellen zivile Angestellte sind, wir haben insgesamt 46 aktuell, die andere Hälfte besteht aus Soldaten. Zeitsoldaten einerseits, zum Beispiel aus dem Zentrum für Softwarekompetenz uns zur Verfügung gestellt. Ein großer Teil, ich glaube so knapp 18 aktuell, sind bei uns Reservisten. Wieso sind Reservisten für uns so wichtig? Weil die natürlich Impulse aus der Wirtschaft mitbringen, die wir vielleicht nicht haben. Auch wir verengen ja auch manchmal unseren Blick, wenn man ehrlich ist. Das passiert ja jedem. Ich bin bias manchmal, oh die Idee ist es. Darum habe ich ja auch gesagt, ich möchte im methodischen Hub arbeiten, um mich zu qualifizieren. Da haben wir durchaus Reservisten, die das können, die neue Impulse mit rein bringen, die aber auch wieder zurück in die Gesellschaft gehen und sagen, ich hab in der Bundeswehr zu etwas beigetragen und das innerhalb von 3-10 Monaten nur. Daher ist der Call to Action, wenn ihr Reservisten seid und ihr habt Lust auf was Digitales und wollt Dinge schnell umsetzen, dann versucht in den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr zu kommen.

Tim Kullmann: Da rufe ich nächste Woche an.

Sven Weizenegger: Super, dann gucken wir mal, ob das passt.

Was sind Ihre eigenen Erfahrungen von Führen mit Auftrag?

Also ich kannte das unter einem anderen Begriff natürlich: Agilität, Leadership. Daher habe ich positive Erfahrungen, da ich das schon kenne. Die Begrifflichkeit war nur anders ehrlich gesagt. Daher war das für mich nichts Neues. Ich glaube, was man bewerkstelligen muss in der Bundeswehr ist, dass hinauszutragen, dass wir tolle Instrumente und Möglichkeiten haben und Werkzeuge. Ich glaube das ist oftmals draußen nicht so bekannt. Wenn ich meinen Freunden davon erzähle, gucken die immer mit großen Augen und sagen „Wie? Ich dachte ihr macht nur Panzer und Düsenjet?!“ – „Ne, ne da gibt’s auch noch ein paar andere Sachen…“ Wie das Zentrum für Innere Führung zum Beispiel und eben solche Begrifflichkeiten und Ansätze, Dinge gut umzusetzen im alltäglichen Leben.

Für mich ist die Innere Führung auch Teil von Leadership, wenn man das in die Wirtschaft übersetzen würde. Die Masterclass der Bundeswehr.

Tim Kullmann: Das klingt gut!

Sven Weizenegger: Das kann man gut vermarkten.

Tim Kullmann: Das kann man gut vermarkten.

Sven Weizenegger: Dann die dritte und letzte Frage:

Warum ist der Cyber Innovation Hub wichtig für die Bundeswehr?

 Ja, wieso sind wir wichtig? Weil wir die digitale Innovation in die Streitkräfte bringen und das sehr schnell. Wir sind ungeduldig. Ungewöhnlich vielleicht auch hier und da mal. Aber ich glaube, wenn man auf die Kritik guckt, dann würde ich sagen, hat das seine Bewandtnis wieso es uns gibt, weil irgendwas hat vielleicht vorher nicht funktioniert und darum gibt es uns letztendlich. Dinge schnell in die Truppe zubringen und schnell Feedback einzuholen, schnell umzusetzen und einen gewissen Change of Mindest natürlich zu machen. Ich hatte am Anfang gesagt, dass das Thema Entrepreneurship total wichtig ist, weil ich glaube wenn man das richtige Mindset hat, kann man auch viele tolle Dinge umsetzen. Das ist auch letztlich der Schlüssel zu vielen Dingen. Aber das ist in anderen Organisationen auch nicht anders.

Tim Kullmann: Sven, wie unterscheidet ihr euch eigentlich von anderen staatlichen Institutionen, wie zum Beispiel jetzt die Cyber Agentur?

Sven Weizenegger: Das schöne Thema der Abgrenzung. In einem Satz. Wir machen keine Forschung. Das ist der große, große Unterschied. Wenn man das mal ein bisschen komplexer betrachtet, auf einer Folie, würde ich das wie folgt darstellen: XY-Achse, oben rechts ist der Strom „Innovationsagentur“, die destruktive Technologien entwickelt, in einem Zeitansatz von 7-10 Jahren, wenn ich das richtig im Kopf habe. In der Mitte findet man die Cyber-Agentur, die Grundlagenforschung macht im Bereich Cyber, 5-7 Jahre und uns findet man unten links, 30 Tage bis 1 Jahr. Das ist mal eine Hausnummer. Wieso? Weil wir anwendungsnahe Sachen machen und darum forschen wir auch nicht, sondern nehmen durchaus Dinge, die auf dem zivilen Markt vorhanden sind und geben denen einen militärischen Kontext. Dinge können natürlich auch mal länger dauern, um Himmels Willen, aber wir sind nicht die Forscherjungs und –mädchen, sondern wir gehen direkt in die Umsetzung, weil wir uns als Do-Tank verstehen und das unterscheidet uns letztendlich. Das heißt die Abgrenzung ist für mich relativ klar.

Ziemlich großes Areal.

Tim Kullmann: Ja, also herzlich willkommen auf der „Schmidtenhöhe“. Eine Frage hätte ich noch…

Sven Weizenegger: Oh, jetzt kommt’s…

Tim Kullmann: Es geht ja auch nicht immer alles gut.

Sven Weizenegger: Ne, das ist im Leben so…

Tim Kullmann: Stichwort „Scheitern“. Kann man aus scheitern auch einen gewissen Erfolg nachher herausziehen?

Sven Weizenegger: Also es ist auf jeden Fall ein Erkenntnisgewinn und lieber scheitern wir schnell als zu spät. Ich kenne das ja auch aus der Telekom, dass man zwei Jahre an einem Projekt festgesetzt war oder musste und alle wussten es wird nichts. Das gibt’s im Hub nicht. Also wenn wir sagen nach drei Monaten, das geht in die falsche Richtung, dann beendet man das und hat einen Erkenntnisgewinn, weil dann weiß man beim nächsten Mal macht man es richtig. Ich vergleiche das immer mit der Glühbirne: Hätte der Erfinder keine Fehler gemacht auf dem Weg dorthin, hätten wir die Glühbirne nicht. Und wenn man keine Fehler macht, dann ist irgendwas falsch. Das gehört dazu. Wir alle machen Fehler im Leben. Ich glaube der Weg dahin ist das wichtige und ich sage auch immer ganz gerne „Innovation tut extrem weh. Innovation ist schmerzhaft und Innovation ist 90 Prozent Disziplin und 10 Prozent Glück.“

Tim Kullmann: Ja, ich habe das meiste durch Fehler gelernt.

Sven Weizenegger: Exakt.

Tim Kullmann: Danke für deine Zeit.

Sven Weizenegger: Dann werfe ich noch was – boom!

Tim Kullmann: Komm gut zurück nach Berlin.

Sven Weizenegger: Ja, ich sehe gerade, das ist echt schön hier.

Tim Kullmann: Ja, das da hinten ist…weiß ich nicht. Da ist die Autobahn.

Sven Weizenegger: Ein riesiges Areal! Ist ja riesig!