Transkription Grußwort General a.D. Naumann

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Soldatinnen und Soldaten,  zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr,


ich wäre gerne heute zu Ihnen nach Koblenz ans Zentrum Innere Führung gekommen, aber Corona verbietet es.


Ich danke Ihnen, Herr General Bodemann, für die Aufforderung ein Grußwort zu sprechen und beginne es in diese Zeit mit dem Wunsch, dass Sie alle gesund bleiben mögen. Mein zweiter Gedanken gilt den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Einsatz. Ich wünsche Ihnen Glück und Erfolg, vor allem eine unversehrte Heimkehr.


Wir erinnern heute des Beginns der Aufstellung der Bundeswehr vor 65 Jahren. Am 200. Geburtstag des Generals von Scharnhorst, am 12.11.1955, erhielten in Bonn die ersten 101 Freiwilligen ihre Ernennungsurkunden und wurden vereidigt. Das war die Geburtsstunde der ersten Wehrpflicht-Armee eines demokratischen Rechtsstaats in Deutschland. Erstmals wurden deutsche Streitkräfte geschaffen, die in einem internationalen Bündnis der NATONorth Atlantic Treaty Organization voll integriert waren, und die damals in einem nicht undenkbaren Krieg von alliierten Kommandobehörden nicht von Deutschen geführt worden wären.


Mit der Bundeswehr entstand auch die erste Armee Europas, in der wie in allen verbündeten Streitkräften, Befehl und Gehorsam natürlich das Funktionsprinzip war, aber in der der einzelne Soldat durch die Macht des Rechts vor der Macht seiner eigenen Vorgesetzten geschützt war. Das ist bis heute ein Markenzeichen der Bundeswehr, und das ist der Kern der Inneren Führung.


Ausgebildet von Kriegsgedienten, Offizieren und Unteroffizieren der Wehrmacht, denen dafür Dank und Respekt gilt, folgte der rasche Aufbau der Bundeswehr. Sie wurde in den 80er-Jahren zu einer kampfkräftigen Truppe, die sehr bald neben den amerikanischen Streitkräften in Europa der Kern der NATONorth Atlantic Treaty Organization in Mitteleuropa wurde. Es war eine Truppe, die kämpfen konnte, aber hoffte, nicht kämpfen zu müssen. Sie sollte Frieden, gegenüber dem bis 1988 unter Führung der früheren Sowjetunion Angriffsoperationen planenden „Warschauer Pakt“ durch Abschreckung erhalten.


Die Bundeswehr ist eine der Erfolgsgeschichten der alten Bundesrepublik Deutschland. Millionen Deutsche haben in ihr gedient und durch ihre Bereitschaft für ein ganzes Leben in Frieden und Freiheit dazu beigetragen, die größte Konfrontation von Streitkräften, die Europa je in Friedenszeiten gesehen hat, friedlich zu beenden.


Vor 30 Jahren ging dann die Teilung unseres Vaterlandes zu Ende und die erzwungene Spaltung Europas wurde überwunden. Ohne den Beitrag der Bundeswehr und unserer westlichen Alliierten wäre das nicht möglich gewesen. Deshalb muss in dieser Stunde auch mit Respekt, Dank und Mitempfinden an die Opfer und deren Angehörige gedacht werden, die damals wie auch heute in den Einsätzen leider auch unvermeidlich entstehen und auch weiterhin entstehen werden.


Die noch junge Bundeswehr erlebte ihre erste Bewährungsprobe in der Hamburger Flutkatastrophe und stand dann immer wieder in Naturkatastrophen im In- und Ausland ihren Mann – heute müsste ich dazu sagen auch ihre Frau – bis zum Ende Einsatz 2002, in dem die Armee der Einheit in den Herzen der Deutschen angekommen ist.


Die vermutlich größte Bewährungsprobe entstand vor 30 Jahren, als sozusagen aus dem Stand die unerwartete und deshalb ungeplante Herausforderung der Einheit Deutschlands zu bewältigen war. Die Bundeswehr wurde zu einem der wenigen Bereiche unserer Gesellschaft, in denen Einheit wirklich gelebt wurde.


Ich war zu dieser Zeit Generalinspekteur der Bundeswehr. Wir hatten drei Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen. Erstens, die Einheit zu gestalten durch Auflösung der Nationalen Volksarmee und Integration eines Teil ihres Personals in die Bundeswehr.


Zweitens durch Partnerschaft mit den Gegnern aus dem Kalten Krieg einen Beitrag zu leisten, um die Öffnung Europas so zu lenken, dass Spaltung überwunden wurde. Dazu gehörte auch die Unterstützung des Abzugs der russischen Streitkräfte aus Deutschland bis 1994.


Und schließlich drittens, hatten wir den Umbau der Bundeswehr zu einer Armee einzuleiten, die in bewaffneten Einsätzen außerhalb des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vertragsgebiets zur Erhaltung und Sicherung des Friedens Beiträge leisten kann. Dies geschieht sei t 1992, seit 28 Jahren. Von Kambodscha bis Mali und auf hoher See. Die Bundeswehr hat das geschafft. Und so denke ich in dieser Stunde an viele Menschen, die ich in meinen 41 Jahren als Soldat der Bundeswehr erleben durfte. Es waren überwiegend Menschen, die ihrem Land dienen wollten – sie wollten nicht verdienen. François Mitterrand hat beim Abzug der Alliierten aus Berlin, im Schauspielhaus, die Soldaten der Wehrmacht als großartige Männer bezeichnet, auf die Deutschland stolz sein könnte und auch sollte.


Ich habe meinen Dienst in der Bundeswehr auch großartige Männer erlebt, Frauen gab es damals nur im Sanitätsdienst und ich erinnere mich an sie mit Dankbarkeit. Meine Ausbildung 1958 hat mir eingeprägt, nie etwas zu verlangen, was man nicht selbst zu leisten bereit ist. Für eine Armee im Einsatz dürfte das heute selbstverständlich sein.


Aber ich bin deshalb als Generalinspekteur im getauchten U-Boot im stürmischen Kattegat gefahren, ich habe mich in einer MiGMikoyan-Gurewitsch-29 über der Ostsee im simulierten Luftkampf durchschütteln lasen und bin ich einem Tornado in Hohenfels fast so tief geflogen, wie ich als Kommandeur einer Panzergrenadierbrigade im Panzer gefahren bin. Die Bundeswehr, die ich erlebt habe, hat ihren Auftrag, unser Land zu schützen erfolgreich verteidigt.


Nun aber, in der großen Phase des Umbruchs, in den frühen 90er-Jahren, die in nur vier Jahren bewältigt wurde, galt es auch, ein neues Verständnis des Soldaten zu entwickeln. Ich habe deshalb bei meiner letzten Kommandeur-Tagung 1995 in München der Bundeswehr als Leitbild vorgegeben „Kämpfen, Schützen, Retten“. Ich denke, das kann durchaus heute noch Bestand haben und die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr, die Reservisten und die vielen zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit 1992 in vielen Teilen der Welt im Einsatz waren oder sind und auch die ihren Ausbildungsdienst leisten, leben dieses Leitbild.


Ich bin dankbar für das, was ich in 41 Jahren als Soldat erleben durfte. Vor allem dass ich ein wenig gestalten durfte, dass ich helfen konnte, unserem Land Frieden, Freiheit und die Einbindung in die Gemeinschaft westlicher Demokratien zu erhalten.


In unserem Land wird man mit 65 Jahren im Allgemeinen in den Ruhestand versetzt. Die Bundeswehr darf mit 65 nicht an Ruhestand denken. Sie wird in unserer Welt, die unruhiger ist, als ich sie je erlebt habe, mehr gebraucht denn je. Unser Land braucht leistungsfähige, einsatzbereite und dazu ausreichend finanzierte Streitkräfte. Es braucht eine Bundeswehr, die in den Einsätzen von NATONorth Atlantic Treaty Organization und Europäischer Union, wo immer dies der Bundestag entscheidet, auch weiterhin ihren Mann oder ihre Frau steht, und auch kämpft, so wie es vor allem in Afghanistan gezeigt wird.


Die Welt, in der wir heute leben, erlaubt es Deutschland nicht wegzusehen und sich wegzuducken. Es ist unvermeidlich, es wird weiter Einsätze geben, in denen die Deutschen mehrheitlich hinter ihren Soldaten stehen müssen.


Ich denke an diesen 65. Geburtstag der Bundeswehr hätte unser Land allen Grund, seinen Soldaten, den zivilen Mitarbeitern oder auch den vielen Reservisten Dank zu sagen für ihren Dienst für Deutschland und noch einmal mit Respekt an die zu denken, die in diesem Dienst ihr Leben verloren haben.


In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Festveranstaltung.

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