Transkription Folge 3 mit Fregattenkapitän Maik Riegel von der Einsatzflottille 1
Transkription Folge 3 mit Fregattenkapitän Maik Riegel von der Einsatzflottille 1
Korvettenkapitän Nils Müller: Herzlich willkommen zu unserer dritten Folge unserer kleinen Podcast Reihe zum Thema „Fehlerkultur“.
Korvettenkapitän Sascha Schlegel: Ja, wir sind wieder im Raum mit Korvettenkapitän Nils Müller, der euch gerade begrüßt hat und ich bin ein Korvettenkapitän Sascha Schlegel und nach der eher theorielastigen Folge zum letzten Mal wollen wir mit unserem heutigen Gast zeigen, wie der Umgang mit Fehlern in der Bundeswehr auch praktisch erlern- und erlebbar wird.
Nils Müller: Dazu haben wir eingeladen, einen Mann aus der Praxis, wenn man so möchte, der ganz konkret im Bereich der Unternehmenskultur tätig ist, wenn man so möchte. Wir haben heute zu Gast Fregattenkapitän Maik Riegel.
Fregattenkapitän Maik Riegel: Einen wunderschönen guten Morgen.
Nils Müller: Schönen guten Morgen. Er ist Examina für Crew Ressource Management in der Einsatzflottille 1, für die es nicht wissen die Flottille, die unter anderem die Mini-Jagdboote, Korvetten und U-Boote beheimatet. Er kommt aus Kiel und führt dort in der Praxis mit den Schiffs- und Bootsbesatzungen schon seit mehreren Jahren sogenannte CRM-Trainings durch.
Sascha Schlegel: Herzlich willkommen und schön Sie wiederzusehen. Ich habe ja selber auch schon mal an einem CRM-Training teilgenommen und das in guter Erinnerung.
Maik Riegel: Das freut mich ganz besonders.
Sascha Schlegel: Mich auch. Aber viele unserer Zuhörer kennen das bestimmt nicht. Und deshalb fragen wir erst mal: Was ist eigentlich Crew Ressource Management und was ist das Ziel dahinter?
Maik Riegel: Also wir haben im Rahmen der Einsatzausbildung, bevor wir unsere Einheiten für den Einsatz klar haben, ein Modul. Das nennt sich CRM, also Crew Ressource Management, wo alle Command-Teams der Boote und Schiffe das durchlaufen. Das heißt, wir haben drei Tage die Offiziere und POs in einen Raum zusammengesperrt und unterhalten uns quasi über die Möglichkeiten des Handelns in Grenzsituationen.
Also immer, wenn es eng wird. Immer wenn wir weniger Zeit zur Verfügung haben, müssen wir immer noch Hochleistung bringen. Und wo wir da sozusagen an unsere eigenen Grenzen menschlich, aber auch im Team, kommen, das beleuchten wir da näher und versuchen auch Strategien zu entwickeln, wie wir auch im Gefecht am Ende überleben können.
Sascha Schlegel: Wie kann man sich das praktisch vorstellen?
Maik Riegel: Das können Sie sich so vorstellen, dass ich immer mit einem kleinen Theorie Bestandteil im Bereich Situationsbewusstsein oder Kommunikation einleite und wo wir dann im Anschluss mit einer Übung Leute in eine neue Situation versetzen, also das Team, dann eine Art Verhaltensbeobachtung machen und uns im Rahmen der Selbstreflektion einfach mal anschauen wie haben wir uns eigentlich in der Situation verhalten und was könnte man vielleicht zukünftig in dem Team anders machen? Also was kann ich von meinem Team erwarten? Was kann ich aber vielleicht, dass es für einen Kommandanten gerade auch wichtig, in einem Team nicht erwarten?
Sascha Schlegel: Das ist genau der Punkt oder die Anknüpfung zur Fehlerkultur, Fehlermanagement, aus den Fehlern anderer lernen, sich bewusst machen, dass man sich falsch verhalten kann und entsprechend Strategien zu entwickeln, diese Fehler eben nicht mehr zu machen oder vorher zu erkennen und aufzuhalten.
Maik Riegel: Absolut. Das ist schon eine Herausforderung. Gerade in unserer Hierarchie, in der Bundeswehr, in der Marine, aber auch in so einem sehr strukturierten Bordleben, wie wir es nun mal haben. Dass wir a) akzeptieren, dass wir Fehler selbst machen. Das ist für den einen oder anderen schon schwierig genug, obwohl wir, wenn wir morgens aufstehen und wir uns die falsche Socke anziehen, da haben wir schon den ersten Fehler gemacht. Den korrigieren wir aber auch meistens selbst. Das haben wir aber letztendlich natürlich an Bordleben auch.
Und der zweite Schritt ist, dass wir akzeptieren in einem Team, dass wenn ich einen Fehler mache, dass den ein anderer erkennt und ihn dann im Zweifel auch reguliert. Das bedeutet natürlich eine bestimmte Art von Vertrauen, eine bestimmte Art von Offenheit, die man haben muss, damit ich mir zum Beispiel auch traue, dem anderen gegenüber zu sagen übrigens, das, was du jetzt gerade gemacht hast, das hat jetzt nicht zum Ziel geführt.
Nils Müller: Offenheit und Vertrauen sind ein gutes Stichwort. Der Bereich Crew Ressource Management kommt ja eigentlich aus der Luftwaffe, oder aus der zivilen Luftfahrt. Es sind ja gerade seegehende Einheiten, insbesondere bei der Marine, natürlich auch von einer starken hierarchischen Organisation geprägt. Merken Sie da gewisse Widerstände, dass es also auch Soldaten gibt, die sagen, dass ist hier doch kein Laber-Klub, kein Debattierclub. Das kann doch alles nicht sein. Ich bin hier der Kommandant eines Kriegsschiffes und wenn ich hier eine Entscheidung treffe, dann hat die doch niemand in Frage zu stellen.
Maik Riegel: Also das ist wahrscheinlich auch eine Frage in den Generationen, als wir CRM eingeführt haben, da hieß es am Anfang schon Ich stell doch hier als Kommandant meine Führungskultur nicht zur Debatte.
Und früher gab es halt auch schon den Rudergänger, der im Zweifel dem WOWachhabender Offizier (Wachhabender Offizier) oder dem Kommandanten gesagt hat, wenn irgendetwas schieflief, dass man da jetzt entsprechend so und so handeln muss. Also darum geht es tatsächlich nicht, weil das habe ich natürlich vorher schon in einem guten Team gehabt, dass ich auch da sozusagen Spirit hatte, wo selbstverständlich auch ein Unteroffizier oder ein PUO einem Offizier gesagt hat Das passt nicht.
Aber wenn man ganz weit zurückgeht in die Anfänge von CRM, war das tatsächlich so, dass die Autorität eines Kommandanten beispielsweise, also auch in der Luft- und Raumfahrt, so exorbitant war, dass sich der Unterbau überhaupt nicht getraut hat, sozusagen sich auch mal anzuschauen, was tut er, um im Zweifel da auch Hilfe zu geben.
Sascha Schlegel: Ja, und das ist genau der wichtige Punkt, dass man Fehler, die vielleicht auch der Vorgesetzte macht, die vielleicht schwerwiegende Folgen haben können, rechtzeitig erkennt und aufhält.
Würden Sie sagen, dass die Leute sich dessen schon bewusst sind, bevor sie zu Ihnen in die Seminare kommen?
Maik Riegel: Also die jungen Leute schon, weil glaube ich, die Generation Millennium beispielsweise weiß, dass wir aufgrund von einer schnelllebigen Änderung, die wir so haben und dass wir uns immer mit neuen Sachen auseinanderzusetzen haben, auch wissen, dass sie nicht allwissend sind und dass sie deshalb auch auf die Hilfe von anderen Leuten angewiesen sind.
Wenn man sich das früher anschaut, da war natürlich, wie gesagt, der Status eines Offiziers ein ganz, ganz anderer. Das hat vielleicht auch etwas mit Ständen zu tun gehabt, und da hatte man sich, wie gesagt, dem unterstellten Bereich sich nicht angemaßt, auch sozusagen die Entscheidung eines Vorgesetzten kritisch zu beäugen, obwohl es immer gemacht wurde, sicherlich, aber dann vielleicht hinter vorgehaltener Hand oder hinter der verschlossenen Tür. Das soll also heißen heutzutage bei den jungen Teams, die ich habe, und wir haben in der EF 1 ja sage ich mal, Command Teams, die so im Mittel 25 bis 30 Jahre alt sind. Da ist es schon so, dass die Leute sich trauen, auch in dem Kreis da auch entsprechend ihre Fehler anzusprechen beziehungsweise auch offen dafür sind, sage ich mal, wenn sie irgendwie Bockmist gebaut haben oder irgendetwas Schlechtes gemacht haben, dass das sozusagen auch korrigiert werden kann.
Nils Müller: Sie bilden ja im Schwerpunkt Bootsbesatzung aus in der Einsatzflottille 1. Sehen Sie da Unterschiede, beispielsweise zu den Schiffsbesatzungen, die in Wilhelmshaven beheimatet sind, oder beispielsweise auch mit Soldaten, die eher in Landdienststellen beheimatet sind, vielleicht doch eher der älteren Generation angehören und die Ihr Training in Kiel nicht durchlaufen haben?
Fregattenkapitän Maik Riegel: Also Sie haben natürlich schon, wenn es um das Thema Fehlerkultur geht, so ein Dienstgrad-Gefälle und Hierarchie Gefälle in Anführungsstrichen zwischen der EF1 und zwischen der EF2. Das heißt, junge Teams tun sich im Allgemeinen und da spreche ich jetzt mal für die EF1, da haben sie halt im Vergleich junge Teams, die tun sich dadurch ein bisschen einfacher, mit Fehlern umzugehen, weil da beispielsweise der Vorgesetzte, gut mittlerweile sind die auch geöffnet, da kann der Kommandant auch ein Fregattenkapitän sein. Aber ich sage mal normalerweise Korvettenkapitän Kaleu, Altersspektrum so in dem Bereich, wo auch die PUOs sind, da tut man sich verhältnismäßig ein bisschen einfacher, weil natürlich auf kleineren Einheiten, dass der Blick nach links oder rechts auch gewünscht ist.
Ich bin selbst auch mal Fregatte mitgefahren, als ich Hörsaalleiter an der Marineschule Mürwik war und da meine Kadetten begleiten durfte. Und da ist mir schon aufgefallen, dass sie da natürlich ein etwas rigideres Regime haben. Ich will jetzt gar nicht so weit kommen und sagen, dass es da so ein Abschnittsdenken gibt. Aber da war die Professionalität in einem Abschnitt schon sehr stark ausgeprägt. Und wenn dann halt einer aus einem anderen Bereich was gesagt hat, dann wurde das erst mal negativ beäugt. Und weil Sie natürlich da entsprechend größeres Gefälle haben, ist der Umgang möglicherweise auch nicht so einfach. Aber auch da hängt es immer von den Vorgesetzten ab. Also wenn Fehlerkultur, Umgang mit Fehlern von den Vorgesetzten vorgelebt wird, dann ist es am Ende auch egal, ob sie auf einer Fregatte, auf einem Flotten-Dienstboot oder auf dem U-Boot zur See fahren.
Nils Müller: Da Sie das ja jetzt schon eine ganze Weile machen, ich weiß auch aus eigener Erfahrung, ich habe das als junger Offizier einmal gemacht und einmal kurz vor dem Kommandanten-Zeugnis für Korvette: Die Wahrnehmung, mit der man daran geht, ist schon unterschiedlich. Merken Sie das so generell über die Einheiten, dass Leute, die schon da waren, auch ihr Verhalten anpassen und eine andere Erwartungshaltung dann äußern nach den Trainings?
Maik Riegel: Also ich habe letzte Woche gerade mit dem ersten U-Boot Geschwader, mit der Besatzung Delta, ein Seminar gehabt und man hört ja vorher immer so ein bisschen was über die Seminare und denkt sich so um Gotteswillen, jetzt stellen wir hier irgendwo eine pädagogische Nebelkerze hin und dann labern wir so ein bisschen um Dinge herum. Und wenn man dann allerdings nach den drei Tagen rausgeht oder nach den vier Tagen, dann ist diese Meinung komplett geändert. Selbstverständlich ist das natürlich auch ein bisschen pädagogisch angehaucht. Also wenn wir über Kommunikation, über Grenzen des Situationsbewusstseins sprechen und wenn wir über unsere eigenen Ressourcen sprechen und wie wir mit bestimmten Sachen in kritischen Situationen umgehen, dann muss man darüber reden. Also ohne Reden klappt das nun mal nicht. Und der Seefahrer an sich möchte natürlich manchmal weniger reden, sondern mehr handeln. Also im Seminar wird natürlich schon mehr gesprochen, aber wenn man dann den Leuten erst mal die Angst genommen hat vor einem CRM-Seminar, dann gehen sie raus und finden das alles gut.
Ich will jetzt nicht sagen, dass ich eine hundertprozentige Erfolgsquote habe, aber die geht schon deutlich Richtung 90 bis 95 Prozent. Es gibt immer ein paar Leute, die das nicht erkennen. Das ist dann aber immer eher mein Problem, wenn ich das den Leuten nicht vermitteln konnte.
Aber die meisten erkennen dann doch, dass das der richtige Schritt in die richtige Richtung ist, dass nämlich wir ihn letztendlich nur dazu beitragen wollen, ein fehlerresistentes Team für die Routine, aber auch für das Gefecht am Ende des Tages zu etablieren.
Nils Müller: Jetzt gab es ja Gott sei Dank in der Marine in der jüngsten Vergangenheit eher keine prominenten oder größeren Havarien in anderen Marinen. Auch von Nato-Partnern sieht das anders aus. Stichworte sind hier die Havarien bei den Amerikanern oder auch der Norweger. Werden die Beispiele auch bei Ihnen beispielsweise in den Trainings thematisiert? Beziehungsweise was sind dann Ihre konkreten Ableitungen, die Sie aus solchen Havarien finden können? Auch für die deutsche Marine.
Maik Riegel: Ist eine spannende Frage, die Sie da stellen, das geht auch in den Bereich hinein, der etwas mit beinahe Unfällen zu tun hat. Ich bin ja nebenbei auch noch Beauftragter für Havariewesen in der EF 1. Das heißt, ich setze mich halt mit den Jahresberichten des BHavM auseinander. Wir versuchen auch ein bisschen in das Vorfeld hinein zu kommen, wo es halt um beinahe Unfälle geht. Und oft genug bekomme ich von Kameraden einen Hinweis USSUnited States Ship McCain ist ein gutes Beispiel oder Fitzgerald oder auch die norwegische Fregatte, die da gekentert ist und auf Grund gelaufen ist oder die eine Kollision hatte. Und dann heißt das immer relativ schnell: Guck dir doch mal an, was wir daraus lernen können. Und dann denke ich mir immer so: Ja, na klar. Also da kann man eine ganze Menge daraus lernen. Da merkt man halt schon, da ist ein Interesse da, sich mit solchen Sachen auseinanderzusetzen. Aber mir fehlt dann manchmal so ein bisschen der zweite Schritt, dass wir nämlich sagen: Ok, lass uns doch mal in unsere eigenen Beispiele schauen, was wir daraus lernen können, weil die eigentlich auch viel greifbarer sind. Und da stelle ich immer wieder fest, dass wir da im Umgang mit eigenen Lehren, mit eigenen Erfahrungen noch einen guten Schritt zu gehen haben.
Ich hatte vor zwei Jahren einen internationalen Boot Command-Lehrgang absolviert. Auch mit Human Factor Training, also international nennt man das ja heutzutage eher Human Factor Training. Und da hatten wir halt aus 5 – 6 – 7 Nationen U-Boot Fahrer, angehende U-Boot Kommandanten, mit dabei und die konnten relativ von der Leber heraus erzählen, weil sie auch eine Kultur der Auswertung haben, was sozusagen bei denen passiert ist und wir Deutschen haben uns da vergleichsweise schwer damit getan. Obwohl die Ursachen, die dazu führen, dass es sozusagen zu Havarien kommt, in allen Nationen die gleichen sind. Also wenn man da die Stichpunkte mangelnde Erfahrung, reduzierte Fachausbildung, komplexe Waffensysteme beziehungsweise fehlendes Systemkenntnis nimmt, Fatigue, Kommunikation, Springertum, also auch wir haben natürlich in vielen Bereichen Fachkräftemangel und das bedingt natürlich auch andere Ressourcen, wenn ich die Leute dann in andere Systeme mit reinstecke und von daher sind die Beispiele schon vergleichbar.
Der dritte Schritt wäre dann halt, die richtigen Ableitungen daraus zu treffen. Also wenn ich jetzt zum Beispiel weiß, ich habe mangelnde Erfahrung, wie kann ich also mangelnde Erfahrung kompensieren? Oder wenn ich halt fehlende Systemkenntnisse habe, wie kann ich den Leuten halt Systemkenntnis beibringen, sodass sie sozusagen auch in den komplexen Systemen überleben können?
Sascha Schlegel: Das ist ja gut zu wissen, dass Sie auch für die Zuhörer da draußen, dass wir gut sind, Probleme zu erkennen, aber oftmals auch daran scheitern, sie dann wirklich zu lösen oder sinnvolle Lösungsmaßnahmen einzuleiten. Bevor wir die Folge beenden, wollte ich noch mal an Nils übergeben, um an die letzte Folge anzuknüpfen und vielleicht noch mal ein paar Minuten über High Reliability Organisation mit Fregattenkapitän Riegel zu sprechen.
Nils Müller: Also ein bisschen hatten wir es ja schon im Endeffekt. Wir haben in der letzten Folge uns über achtsame Organisationen oder Englisch High Reliability Organisations befasst, also Organisationen, die im Endeffekt vor dem Hintergrund hoher potenzieller Risiken auch Rahmenbedingungen, die Sie gerade genannt haben, wie beispielsweise einem hohen Zeitdruck, trotzdem in der Lage sind, ein hohes Maß an organisationeller Zuverlässigkeit aufrecht zu halten. Also im Endeffekt wenig Fehler machen. Und wenn man jetzt die Bilanz der Marine der letzten Jahre sieht, sollte man eigentlich meinen, dass auch die Marine und insbesondere auch die fahrende Flotte dazu in der Lage ist.
Also insofern würden Sie als Quintessenz sagen, alles gut gemacht bisher oder eher nur Glück gehabt?
Maik Riegel: Also den einen Punkt, der schon angesprochen wurde, sozusagen wir haben kein Erkenntnisproblem oder wir haben ein Umsetzungsproblem, den würde ich sofort unterstreichen. Also wir wissen eigentlich eine ganze Menge.
Wir wissen, dass wir mangelnde Systemkenntnis haben. Wir wissen, dass wir mit Sicherheit mangelnde Erfahrung haben. Wir wissen, dass wir zu wenig Zeit haben, dass die Einsatzhäufigkeit so schnell geht, dass wir uns einfach keine Zeit geben, um die Besatzungen, um Einzelpersonen in Situation zu versetzen, dass sie sozusagen lernen können und lernen können, bedeutet ja auch immer, dass ich einen Fehler mache, weil aus einem Fehler, den ich gemacht habe, im besten Falle lerne ich etwas. Mache ich nicht noch mal. Wie meine Tochter, die sicherlich nur einmal in ihrem Leben auf eine Herdplatte gegriffen hat und das dann sicherlich nicht wiederholt. Diese Chancen müssen wir auch nutzen.
Marine und HRO ist ein spannendes Thema. Ich glaube, wir haben uns mit dem Begriff in der Marine so noch nie auseinandergesetzt, obwohl wir es glaube ich schon leben unterm Strich. Also wenn Sie natürlich an Bord eine falsche technische Schaltung machen, es kommt zu einem Öl-Unfall, dann ist das Risiko die Natur zu beschädigen natürlich genauso groß wie auch in einem anderen Bereich. Wenn Sie eine falsche Waffen-Zuweisung machen, dann werden Sie, egal ob Sie Korvette fahren, ob Sie gut fahren oder was auch immer, dann werden Sie im Zweifel Ihren Auftrag vielleicht nicht erfüllen. Politische Folgen haben, Menschen verletzen, die Sie nicht verletzen wollen und dann haben Sie da sozusagen ein Problem.
Als ich mal kurz in den Bereich HRO reingeschaut habe, dann sieht man ja immer so Tschernobyl als Beispiel, vielleicht auch Fukushima, wo also Risiken bewertet wurden und so weiter und so fort. Das kann man schon bei uns, auch wenn wir den Begriff nicht nutzen, kann man das schon übertragen, weil natürlich auch wir in dem Bereich arbeiten, der komplex und dynamisch ist, also sowohl in der Routine, wenn ich einfach nur in der Kieler Förde zur See fahre und in die Ostsee fahre, um Einsatzausbildung zu machen, aber auch wenn ich mich in einem Einsatzszenario befinde. Wir umgeben uns natürlich immer mit Risiken, die man halt im Hochleistungsteam, was wir ausbilden wollen, kompensieren wollen.
Von daher ist für mich die Marine schon, auch wenn wir das bis jetzt nicht so gedacht haben, eine HRO.
Nils Müller: Muss man das in gewisser Weise auch aushalten, dann, wenn Fehler gemacht werden? Also es ist eine Sache innerhalb der Besatzung Fehler auszuhalten und zu tolerieren als Kommandant beispielsweise. Aber ich muss eventuell nach außen kompensieren. Die Gesamtorganisation muss damit leben und ich muss als Organisation vielleicht auch in der Lage sein, das nach außen gegenüber der Öffentlichkeit zu vertreten. Oder könnte das eventuell eine Schwierigkeit sein, wenn man sagt, dass die Öffentlichkeit vielleicht nicht bereit ist zu akzeptieren? Auf Deutsch gesagt Wo gehobelt wird, fallen Späne oder wo im Endeffekt zur See gefahren wird und gerade wo ich mich darauf vorbereite, auch im hoch intensiven Gefecht zu bestehen, dass da auch Fehler passieren und eventuell auch es zu Beschädigungen kommt, an Material, eventuell sogar auch am Menschen?
Maik Riegel: Also es ist natürlich auf jeden Fall ein spannendes Thema, weil warum sollen wir auf einmal andere menschliche Verhaltensweisen in der Marine haben als die in einem Atomkraftwerk oder woanders? Also natürlich bei uns wo gehobelt wird, fallen Späne, das kann ich deutlich unterstreichen.
Deshalb rufen wir auch immer wieder auf bzw. versuchen die Besatzung zu einer Fehlerresistenz zu erziehen. Weil Fehler werden immer gemacht, müssen auch immer gemacht werden. Aber der Kamerad, der links und rechts oben auf Brücke sitzt oder in der Maschine, der muss halt erkennen, dass der andere einen Fehler macht. Das passt halt mit achtsamer Organisation ganz gut, weil das bedingt natürlich auch eine Einstellung der Leute, dass sie sozusagen nicht abschalten, dass sie halt nicht irgendwie träge einfach nur tumb ihren Dienst machen, sondern dass sie die ganze Zeit auf einem relativ Vigilanz-Level bleiben, also sprich Daueraufmerksamkeit, um da risikoarm zu arbeiten.
Sascha Schlegel: Da ist doch schon fast ein ganz schönes Schlusswort. Aber bevor wir Sie jetzt aus dem Gespräch entlassen, wollten wir Ihnen auch noch die Frage stellen, die wir allen Gästen gestellt haben, nämlich welche Tipps haben Sie, um Fehlerkultur für unsere Zuhörer im eigenen Bereich vielleicht zu verbessern oder besser zu machen?
Maik Riegel: Also der erste Tipp ist sicherlich der, dass man sich erst mal bei sich selbst mit Wie gehe ich selbst mit meinen eigenen Fehlern um sich darüber bewusst macht. Und das merke ich bei mir selbst immer. Ich mache auch nicht gerne Fehler. Ich würde nicht sagen, dass ich perfektionistisch bin, aber Fehler macht man ungern. Je älter man wird und man hat halt junge Leute zu führen, dann möchte man den ja auch nicht das Gefühl geben, der macht ja auch Fehler. Das heißt also einen professionellen Umgang mit der eigenen Fehlerkultur, also mit den eigenen Verhaltensweisen, wenn mir dann irgendetwas passiert, das ist schon mal ganz wichtig.
Der zweite Tipp ist das Beleuchten der positiven Sachen. Weil was wir immer gerne in dieser Diskussion vergessen, ist, dass wir eigentlich viele Sachen viel richtiger machen, als dass wir sie falsch machen und wenn das ein bisschen stärker beleuchtet wird, ist das auch schon viel wert.
Ich finde das ganz spannend. Wir haben ja gerade den Bereich kompetenzorientierte Ausbildung in den Streitkräften eingeführt und das schafft aus meiner Sicht, wenn es richtig umgesetzt wird, eine gute Ausbildungskultur, die dann auch Auswirkungen hat auf den Dienst sozusagen außerhalb der Ausbildung. Dass man nämlich a) Zeit hat, sich mit Dingen zu beschäftigen und dass man sich auch selbst ausprobieren darf und das schafft wahrscheinlich auch eine andere Art von Umgang, als wenn einfach nur ex cathedra irgendetwas befohlen wird, unterrichtet wird. Dann muss ich einfach nur zehn Punkte niederschreiben und dann habe ich die am Ende des Tages richtig gemacht oder falsch.
Sascha Schlegel: Genau, mehr mitarbeiten und mitdenken wird verlangt.
Maik Riegel: Genau.
Sascha Schlegel: Ja, super, das war auch schon wieder. Die Zeit ist um. Und wir haben ein paar spannende Einblicke in die Praxis bekommen. Ich freue mich auf mein nächstes CRM-Seminar. Danke für das aufschlussreiche Gespräch.
Maik Riegel: Vielen Dank, dass ich hier sein durfte.
Nils Müller: Danke auch an alle Zuhörer. Das war es nicht nur mit unserer Folge, sondern das war es auch schon mit unserer kleinen Podcast-Reihe zum Thema Fehlerkultur.
Es gibt natürlich noch viel mehr Themen, die wir hätten hier besprechen können, aber es sollte nur ein kleiner Aufschlag werden und euch ein bisschen für das Thema Fehlerkultur interessieren und vielleicht auch begeistern. Und wir verabschieden uns und hoffen, dass es euch zukünftig gelingt, besser vielleicht mit Fehlern umzugehen. Und vor allen Dingen, das haben wir gerade auch noch mal gehört, besser auch mit den eigenen Fehlern umzugehen. Vielen Dank und auf Wiederhören.
Sascha Schlegel: Genau, auf Wiederhören.
Maik Riegel: Auf Wiederhören.
Nils Müller: Macht’s gut.