Transkription des Interviews mit Generalinspekteur Eberhard Zorn zum Thema Extremismus

Transkription des Interviews mit Generalinspekteur Eberhard Zorn zum Thema Extremismus

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Anmoderation Oberregierungsrat und Chefredakteur if, Jan Marberg:

743 – so viele Fälle von Extremismus-Verdacht zählte das Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr im Jahr 2019. In 14 Fällen bestätigte sich der Verdacht, acht davon waren Rechtsextremisten. Was bedeutet das für die Bundeswehr? Was tut sie für Extremismusprävention? Darüber spreche ich mit einem ganz besonderen Gesprächspartner, dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn.

Oberregierungsrat Jan Marberg:

Guten Tag, Herr General!

General Eberhard Zorn:

Guten Tag, Herr Marberg!

Jan Marberg:

Herr General, wie geht die Bundeswehr mit dem Thema Extremismus um? Wie kann sie sich davor schützen, dass extremistische Menschen in die Bundeswehr gelangen, oder sich Menschen in der Bundeswehr radikalisieren?

Eberhard Zorn:

Ja zunächst möchte ich einmal vorwegstellen, dass wir im Grunde eine Nulltoleranzlinie verfolgen auf diesem Gebiet. Das heisst, wir sind sehr kritisch auf diesem Themenfeld unterwegs und die große Überschrift lautet: Verfassungstreue ist unser Selbstverständnis und gehört glasklar zu unserem Berufsbild. Wenn Sie mich fragen nach der Prävention, dann beginnt die ganz deutlich vor dem Eintritt einer Soldatin oder eines Soldaten in die Bundeswehr. Die gesetzgeberischen Möglichkeiten lassen zu, dass der MADMilitärischer Abschirmdienst, der militärische Abschirmdienst, bereits vorher Untersuchungen durchführt, und damit schon eine erste Filterfunktion einsetzt. Also das heißt, der militärische Abschirmdienst ist wesentliches Hilfsmittel für uns, bereits vor der Einstellung von Soldaten, aber dann auch natürlich im technischen Dienstalltag, durch eine starke Zunahme im Bereich der Sicherheitsüberprüfung, die wir durchführen.

Jan Marberg:

Was passiert mit erkannten Extremisten, die bereits in der Bundeswehr sind?

Eberhard Zorn:

Ja, ich vertrete die These, dass aufgrund dieser Präventionsmechanismen, in der Regel, die Leute ja nicht von heute auf morgen Extremist werden. Sie bringen eine gewisse Grundeinstellung möglicherweise schon mit, die wir nicht erkannt haben, oder sie werden möglicherweise radikalisiert, durch irgendwelche Umstände, sei es im Dienst, sei es während ihrer beruflichen Tätigkeit zu Hause, im sozialen Umfeld, wie auch immer. Das ist der Rahmen: das heißt, wir müssen tatsächlich schauen, dass wir beweiskräftig nachvollziehen, wer ist Extremist, egal von welcher Seite, und das auch juristisch valide nachvollziehen. Sobald wir das dann haben, dann greift im Grunde der Disziplinarvorgesetzte als erste Ebene, der hat alle Möglichkeiten zunächst einmal des Disziplinarrechts. Er kann die Dienstausübung verbieten. Er kann das Tragen von Uniform verbieten, alles das wird getan, und in ganz besonders schwerwiegenden Fällen, wird dann an die Staatsanwaltschaft abgegeben, oder wir können aufgrund der aktuellen neuen Rechtslage sogar Soldaten, die in diesem Feld verdächtig sind und, wo wir es dann auch beweisen können, aus der Bundeswehr entlassen, innerhalb der ersten acht Jahre, in denen die Soldaten bei uns Dienst tun.

Jan Marberg:

Im Rahmen der Extremismusprävention hat das Zentrum Innere Führung in Koblenz erste Lehrgänge für die Truppe durchgeführt. Sie haben sich vom ersten dieser Lehrgänge, oder einem dieser Lehrgänge selbst ein Bild gemacht, was sind Ihre Eindrücke?

Eberhard Zorn:

Der erste Eindruck ist der, dass alle Soldaten, die dort waren, es ging also im Wesentlichen um Führungskräfte aller Ebenen, vom Kompaniechef bis zum Battaillonskommandeur, von der Ebene der Feldwebel, von den Zugführern bis zum Spieß, dass da eine große Bereitschaft ist, diese Lehrgänge wahrzunehmen, sich da auch weiterbilden zu lassen, und was ich festgestellt habe, ist, dass alle einen Bedarf haben an zusätzlicher Information. Also es wurde gefragt, eine Handreichung, eine Checkliste, eine Möglichkeit, alle Maßnahmen zusammenzutragen, um damit Handlungssicherheit in der Truppe zu gewinnen und das zusätzlich zu addieren zu der Beratung durch unsere Rechtsberatung. Insofern hohe Akzeptanz des Lehrgangs, und große Bereitschaft gemeinsam mit uns zusammen diesen Weg zu gehen, Extremismus aus der Bundeswehr zu verbannen.

Jan Marberg:

Die Soldatinnen und Soldaten sind durch ihren Eid und durch das Soldatengesetz in ganz besonderer Weise zur Verfassungstreue verpflichtet, also zur Identifikation mit den Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. Wie kann man diese Identifikation weiter fördern?

Eberhard Zorn:

Die eine Säule habe ich angesprochen, das ist Prävention, die zweite ist für mich: das, was Sie ansprechen - Resilienz. Ist ein vielfach genutzter Begriff aktuell. Ich verstehe ihn einmal als Resilienz des Systems Bundeswehr insgesamt, aber auch als eine Resilienz des Einzelnen. Und wenn ich mir den Einzelnen betrachte, dann trägt hier maßgeblich bei, unverändert das Konzept der Inneren Führung und dabei vor allem politische Bildung und ethische Bildung. Also, Vermittlung von Werten, neu hinzugekommen auch die historische Bildung, also auch deutlich zu machen, wie zum Beispiel der Nationalsozialismus, als Beispiel, einzuschätzen ist. Da gibt es klare Bewertungen, da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel daran, wie hier die Rechtslage ist und wie hier die historische Bewertung auch ist. Das zu vermitteln auch an die jüngere Generation insbesondere, halte ich für eine ganz wesentliche Maßnahme, um die Resilienz des Einzelnen zu stärken, also mit diesen Feldern und das können wir nicht nur im Bereich der Lehrgänge machen, also im Zentrum Innere Führung, oder in den Laufbahnlehrgängen, sondern es ist auch die Aufgabe aller Vorgesetzten vor Ort, immer wieder mit Nachdruck diese Themen zu vermitteln, nicht nur im Frontalunterricht, sondern auch im täglichen Dienstalltag.

Jan Marberg:

Die überwältigende Mehrheit der Menschen in der Bundeswehr ist ja anständig, also ist ja Verfassungstreu, wie kann man diese Mehrheit weiter stärken, wie kann man sie dazu motovieren sich noch deutlicher gegen Extremismus zu positionieren?

Eberhard Zorn:

Ja das möchte ich noch unterstreichen, also egal welche Zahlen, welche Statistiken Sie auswerten, die große Mehrheit aller Soldatinnen und Soldaten, aber auch der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leistet verfassungstreu ihren Dienst, steht zum Auftrag, den die Bundeswehr hat. Das ist also meine eine Feststellung, die andere ist: wie krieg ich die alle mitgenommen, und auch weiter qualifiziert, dass sie auf diesem Pfad bleiben, und auch selber aktiv wirken, im Sinne von Resilienzbildung und im Sinne von Wachsamkeit gegenüber allen extremistischen Bestrebungen. Ich glaube, neben der Bildung und Ausbildung ist ein ganz wesentlicher Punkt: die Rolle aller Vorgesetzten aller Ebenen, das ist die Vorbildfunktion eines jeden Einzelnen und auch die Wachsamkeit auch Kleinigkeiten gegenüber. Wir merken das zur Zeit, anhand einer verstärkten Meldedisziplin, aber auch an einem erhöhtem Meldeaufkommen in diesem Themenkomplex, das heißt: im Vergleich zu den Jahren vorher, ist eine hohe Sensibilität entstanden bei dem Themenfeld. Das, glaube ich, geht zurück auf das immer wieder bewusst machen dieses Themas, und ich denke, das die Vorgesetzten mit Vorbild hier auch nach innen wirken können, in ihre jeweiligen Einrichtungen. Ich sage bewusst Einrichtungen, das sind nämlich Truppenteile, das sind auch zivil geführte Dienststellen. Ich erwarte das eigentlich von beiden Seiten.

Jan Marberg:

Herr General, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Eberhard Zorn:

Herzlichen Dank.

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