Transkription 65 Jahre Bundeswehr

Transkription 65 Jahre Bundeswehr

Sprecher: Ja, hervorragend, vielen Dank Herr Oberstabsfeldwebel.


Herr Stabsgefreiter, holen Sie den Kuchen.


Stabsgefreiter: Jawohl!


Wir feiern heute Geburtstag und das Geburtstagskind hat schon 65 Jahre auf dem Buckel – natürlich die Bundeswehr. Und weil man immer noch ein paar Worte über das Geburtstagskind verliert, will ich Ihnen noch ein paar Sachen dazu erzählen. Ein Wunschkind war unsere Bundeswehr aber wahrlich nicht.


(Einblendung „Geburtsstunde“)


Vor 65 Jahren, also 1955, beginnt ihr Aufbau. 10 Jahre zuvor hat das nationalsozialistische Deutschland einen verbrecherischen Angriffskrieg verloren. Deutschland wurde von den Siegermächten geteilt. Der eiserne Vorhang zieht sich seit 1947 durch Europa. Im Westen wächst die Angst vor einer sowjetischen Bedrohung. Beide deutschen Staaten, die freiheitlich verfasste Bundesrepublik Deutschland und die sozialistische demokratische Republik, rüsten auf.


In Westdeutschland gibt es eine öffentliche Diskussion, sogar eine Protestbewegung, gegen die Wiederbewaffner. Für die Bundesrepublik gilt: Die neuen aufzustellenden Streitkräfte dürfen nach der Erfahrung mit der NSNationalsozialismus-Dikatatur keine neue Wehrmacht werden.
Der Grundstein dafür wird 1950 im Kloster Himmerod, in der Eifel, gelegt. Hier berät eine Expertenkommission über die Grundzüge der neuen deutschen Streitkräfte. Neben ersten Gedanken zur Organisation und Ausbildung wird unter dem Stichwort „Inneres Gefüge“ der Kern des Neuen formuliert. Die Streitkräfte werden in die Demokratie eingebettet. Daraus wird das Konzept der Inneren Führung und das Bild des Staatsbürgers in Uniform entwickelt.


Die Bundesrepublik Deutschland ist am 6. Mai 1955 der NATO beigetreten, ohne einen einzigen Soldaten zu haben. Heer, Luftwaffe und Marine suchen nach Freiwilligen. Erst am 12. November, ein halbes Jahr später, erhalten die ersten Soldaten ihre Ernennungsurkunden. Diese neuen deutschen Streitkräfte nennt man ab dem April 1956 „Bundeswehr“.


(Einblendung „Anfänge“)


Im April 1957 werden die ersten Wehrpflichtigen einberufen. Diese Wehrpflicht ist die Voraussetzung für den massenhaften Aufwuchs der Bundeswehr. 1965 wird die vorgesehene Größenordnung von rund 500.000 Soldaten erreicht. Der größte Teil untersteht direkt der NATO.


Ihre ersten Spuren verdient sich die Bundeswehr bereits 1960 in Agadir, Marokko. Nach einem schweren Erdbeben sind dort über 15.000 Tote zu beklagen, mehr als 12.000 Menschen sind obdachlos. Die Bundeswehr reagiert umgehend und schickt das Sanitäts-Bataillon 5 aus Koblenz direkt nach Agadir. So verdient sich die Bundeswehr international Dank und Anerkennung. 1962 muss die Bundeswehr auch in Deutschland erstmals Ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Die Sturmflut an der Nordsseeküste fordert die Bundeswehr als Helfer. Hand in Hand mit NATO-Truppen der Amerikaner und Briten fast die ganze Küste entlang.


(Einblendung „Eskalation“)


1962, ein Jahr nach dem Bau der Berliner Mauer, steht die Welt vor dem Dritten Weltkrieg. Die Sowjetunion will Atomraketen auf Kuba stationieren. Für die USA ist das nicht hinnehmbar. Präsident Kennedy fängt eine Seeblockade gegen russische Kriegsschiffe, die auch tatsächlich beidrehen. Die Sowjetunion lenkt ein und zieht ihre Raketen wieder ab.


Beide Supermächte rüsten im Bereich der Interkontinentalraketen massiv auf. Das Gleichgewicht der Atomwaffen sichert den Frieden durch Abschreckung. Der Kalte Krieg geht in Form von Stellvertreterkriegen, wie etwa in Vietnam, weiter.


(Einblendung „Kalter Krieg“)


Die Bundeswehr trägt mit ihrer konventionellen, militärischen Stärke in Verbund mit den westlichen Alliierten dazu bei, dass in der Mitte Europas kein sicherheitspolitisches Vakuum entsteht.


Aber ab Mitte der 1970er-Jahre droht eine neue Herausforderung: Die Sowjetunion rüstet bei den Trägersystemen auf, die zwischen den taktischen Atomraketen und den Interkontinentalraketen liegen: Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20. Der Rüstungsvorsprung der Sowjetunion und das Erstreben nach Seemacht im Nordatlantik führen im Dezember 1979 zum NATO-Doppelbeschluss. Gegen die sowjetischen SS-20 Raketen setzen die USA Marschflugkörper vom Typ Pershing 2, bieten aber gleichzeitig Gespräche über Abrüstung an. Die Ära der Entspannungspolitik scheint zu Ende zu gehen.


Die erste Hälfte der 1980er Jahre ist geprägt durch heftige Proteste in der Zivilbevölkerung gegen den NATO-Doppelbeschluss. 1985 kommt dann die Zäsur. Für viele in West und Ost ist das ein politisches Wunder. Die Sowjetunion unter Michael Gorbatschow leitet einen Politikwechsel ein, auf den der Westen positiv reagiert.


(Einblendung „Freiheit“)


Mit den Abrüstungsvereinbarungen nimmt die nukleare Bedrohung gegenüber der Bundesrepublik ab. Das Umdenken in Moskau löst bei vielen Menschen in der DRR die Hoffnung auf mehr Freiheit aus. 1989 fordern sie freie Wahlen und Reisefreiheit. Sie gehen, wie hier in Leipzig, zu Tausenden auf die Straße und trotzen dem Geheimdienst und Polizeiapparat des DDR-Regimes. Gorbatschows neue Ideen von Transparenz „Glasnost“ und Umbau „Perestroika“ stoßen bei der DDR-Führung auf taube Ohren. Dennoch kommt es zum Fall der Berliner Mauer, zum Ende der DDR und zur Auflösung des Warschauer Paktes. Die Sicherheitsarchitektur in Europa verändert sich dramatisch und mit ihr das Profil der Bundeswehr. Sie wird zur Armee des staatlich geeinten Deutschlands. Tausende Soldaten der aufgelösten NVANationale Volksarmee werden übernommen, überprüft und – wenn möglich – integriert.


(Einblendung „Bündnisse“)


Auch nach Ende des Ost-West-Konflikts gilt weiterhin Artikel 5 des Nordatlantikvertrags. Ein Angriff gegen ein Mitglied der NATO ist ein Angriff gegen alle und kann mit Waffengewalt beantwortet werden – der sogenannte Bündnisfall. Neu ist, dass die NATO nun auch in Konflikte außerhalb des eigenen Territoriums eingreift. So geschehen zum ersten Mal im Kosovo-Krieg 1999. Die NATO bombardiert Jugoslawien aufgrund von serbischen Menschenrechtsverletzungen an der albanischen Bevölkerung. Seitdem ist die Bundeswehr immer mehr im Einsatz unter Mandaten von EUEuropäische Union, UNOUnited Nations Organization, OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und NATO. Voraussetzung hierfür ist ein vorheriger Beschluss des Deutschen Bundestags.


(Einblendung „Gestern und heute“)


Die Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon in den USA, am 11. September 2001, markieren den Beginn des weltweiten Kampf gegen den radikalislamischen Terrorismus. Auch Deutschland beteiligt sich an den NATO-Missionen in Afghanistan. Die Bundeswehr wird endgültig zur Armee im Einsatz: Nord-Afghanistan steht sie erstmals in Gefechten und hat zum ersten Mal seit ihrer Gründung gleich mehrfach Gefallene zu beklagen.


Nicht nur die Kampfeinsätze verändern die Bundeswehr. Seit 2001 sind alle Laufbahnen auch für Frauen geöffnet. Die Truppe wird insgesamt moderner, vielfältiger und bunter. Die Bundeswehr kümmert sich zunehmend besser um geschädigte Kameradinnen und Kameraden aus dem Einsatz, aber auch zu Hause. Sie lernt.


Die Wehrpflicht scheint zunehmend nicht mehr zeitgemäß, weswegen sie 2011 ausgesetzt wird. Die Maßnahme ist Teil einer Streitkräfte-Reform, mit der die Bundeswehr von rund 255.000 Soldaten auf etwa 185.000 verkleinert wird.


Aber auch die Welt ist im Wandel. Die sicherheitspolitischen Bedrohungen nehmen wieder zu und zwar ausgerechnet in Europa. 2014 annektiert Russland die Halbinsel Krim und interveniert im Osten der Ukraine. Die NATO reagiert und stärkt die Verteidigung an ihrer Ostflanke, an den baltischen Staaten und in Polen.
Für die Bundeswehr heißt das: Sie muss jetzt wieder beides könne: Armee im Einsatz und Landes- und Bündnisverteidigung.


(Einblendung „Morgen“)


Vielen Dank, Herr Stabsgefreiter, Sie können gehen.


Mit 65 Jahren gehen andere in Rente oder in Pension – nicht so unsere Bundeswehr. Sie hat sich in all den Jahren den verschiedenen Herausforderungen angepasst – manchmal dauerte das etwas länger. Sie wird sich aber auch in Zukunft weiter entwickeln: Sie wird weiter lernen, weiter verstehen. Als Kind der Demokratie und als Parlamentsarmee wird sie mit ihren Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern in Uniform ihren Auftrag weiter ausführen. Daraus zieht sie ihre Legitimation, daraus speist sich ihre Tradition – und darauf sind wir stolz.


Alles herzlich Gute zum Geburtstag.