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Astrid Bardubitzki: Mein Name ist Astrid Bardubitzki, ich bin Dozentin am Zentrum Innere Führung in Koblenz.

Christian Stahl: Ich bin Oberstleutnant Christian Stahl, Kommandeur des deutsch-französischen Versorgungsbataillons in Müllheim.

Bardubitzki: Herr Oberstleutnant Stahl, Sie haben ungefähr vor einem Jahr den Lehrgang „Der Militärische Führer im Umgang mit Tod und Trauer“ besucht. Dieses Thema ist in unserer Gesellschaft ja eher mit Verdrängung behaftet. Warum ist es aus Ihrer Sicht trotzdem sinnvoll, diesen Lehrgang zu besuchen.

Stahl: Für mich als Bataillonskommandeur kann es zu den traurigen Aufgaben gehören, Todesnachrichten an Kameraden oder Angehörige von gefallen oder verunglückten Soldaten zu überbringen. Letzendes muss ich dann natürlich auch immer ein Stück weit die Nachsorge begleiten. Von daher war es mir relativ wichtig noch recht zu Beginn meiner Verwendung als Bataillonskommandeur diesen Lehrgang zu besuchen, um Handlungssicherheit zu erfahren.

Bardubitzki: Gibt es bestimmte Themen die Sie im Vorfeld erwartet haben? Haben Sie sich irgendwie darauf vorbereitet?

Stahl: Ich habe einen Leitfaden erwartet, was wie und in welcher Reihenfolge in unterschiedlichen Szenarien abzuarbeiten ist. Ich wusste das es einen praktischen Anteil während dieser einwöchigen Ausbildung gibt und auch hieraus die eben erwähnte Handlungssicherheit zu gewinnen. Auch wenn es natürlich eine Lehrgangssituation ist, muss ich sagen, der ein oder andere Moment mit einem Klos im Hals war einfach da. Ich kann bereits jetzt sagen, dass es mir sehr viel gebracht hat und ich kann jedem Bataillonskommandeur empfehlen, sich mindestens einmal intensiv mit dem Thema auseinander zu setzen und hierfür bietet sich der Lehrgang hervorragend an.

Bardubitzki: Ich höre heraus, dass Ihre Erwartungen erfüllt wurden.

Stahl: Absolut.

Bardubitzki: Gibt es vielleicht Themen mit denen Sie vorher so nicht gerechten hatten?

Stahl: Tatsächlich die recht intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Suizid. Das das natürlich erwähnt wird, war mir klar. Wie aber genau damit umzugehen ist und was im Fall eines Suizids dann explizit zu tun ist, wird in dem Lehrgang sehr intensiv beleuchtet. Hat mir auch sehr geholfen. Es gibt ja immer wieder Situationen, auch wenn ich glücklicherweise noch nie in einer solchen war, wo der Verdacht im Raum steht oder entsprechende Äußerungen getätigt werden. Ich muss sagen, sich im Vorfeld mit diesen Situationen auseinandergesetzt zu haben, hat mir jetzt bereits geholfen. Als Stichwort S-Blatt [Anm. d. Red.: Handlungsanweisung und Leitfaden im Umgang mit einem Suizid], welches hilft mit der Situation umzugehen und im Falle eines Falles zwingen auszufüllen ist. Habe ich vorher nicht gekannt. Ist während des Lehrgangs intensiv vorgestellt worden und hat mir unheimlich geholfen.

Bardubitzki: Sie sprechen immer wieder den Praxisbezug, der auch ein Ziel des ZInFüZentrum Innere Führung für diesen Lehrgang war. Habe ich Sie da richtig verstanden, dass wir dem Anspruch gerecht wurden oder haben Sie noch Ergänzungen?

Stahl: Absolut, begnadete Schauspielleistungen [lächelt] – ich selbst und auch anderen Kameraden, die diesen Lehrgang in diesen und auch anderen Durchgängen besucht habe, haben immer wieder bestätigt, dass dies der Kern war. Das hat uns wirklich geholfen. Es sind natürlich Extremsituationen, die während der praktischen Ausbildung besprochen werden. Ich habe mir aber immer gesagt, dass wenn man mit all diese Extremsituationen, und man kann sich zum Teil gar nicht vorstellen, mit welchen man da konfrontiert wird, umgehen kann, dann kann man mit den „normalen“ Situationen auch umgehen.

Bardubitzki: Wenn Sie jetzt auf den Lehrgang und Ihren großen Kameradenkreis in der Bundeswehr zurückblicken, wen speziell würden Sie dieses Training empfehlen?

Stahl: Definitiv allen Dienststellenleitern, den Bataillonskommandeuren, Kompaniechefs – im Prinzip jedem der in die Situation kommen kann, diese Nachricht überbringen zu müssen, sei es an die Angehörigen oder an die Kameraden. Letztendes habe ich basierend auf diesem Lehrgang ein Tagesseminar an meinem Standort angeregt - gemeinsam mit dem für mich wichtigen Kern des psychosozialen Netzwerks, das waren die katholische und evangelische Militärseelsorge und die Truppenpsychologie. Die drei haben im Teamteaching ein Tagesseminar gemacht für meine Kompaniechefs, Spieße, Stabsoffiziere und prinzipiell für alle, die als Offizier im Führungsdienst in die Verlegenheit kommen können, mich in einer solchen Situation vertreten zu müssen. Das man das nicht falsch versteht, es ist meine ureigene Aufgabe, diese Nachricht zu überbringen, es gibt für mich aber drei denkbare Szenarien, wo das jemand anderes treffen kann: das eine ist, ich bin tatsächlich nicht greifbar, zum Beispiel bei einem Auslandsaufenthalt oder die räumliche Distanz ist einfach zu groß, um die Nachricht schnell zu überbringen oder aber der worst case und ich muss mehrere Nachrichten gleichzeitig überbringen. Dann die Leute darauf vorzubereiten und mit dem Kern des psychosozialen Netzwerks in Kontakt zu bringen, so dass man sich kennt und eben nicht erst vor der Haustür kennenlernt oder wenn man gemeinsam in das Auto einsteigt, war mir ganz besonders wichtig. Ich kann nur empfehlen, und eine Woche Lehrgang tut immer weh, wer etwas anderes sagt der lügt, sich zu fragen, kann ich es einbauen. Ich habe es selbst relativ zu Beginn meiner Verwendung gemacht in einer Phase, in der wir vom Auftrag her auch die Möglichkeit dazu hatten. Wenn man diese Chance jedoch überhaupt nicht sieht, kann ich nur empfehlen, etwas Vergleichbares zu machen und vielleicht auch mit dem ZInFüZentrum Innere Führung in Verbindung zu treten, worauf man dann im Schwerpunkt eingehen sollte. Die Nachsorge ergibt sich, da ist die Truppenpsychologie in der Pflicht – die begleitet dies aber auch mich. Der Kern, für welchen auf den Ebenen Handlungssicherheit hergestellt werden muss, ist das Überbringen der Nachricht. Da haben wir eine Verantwortung gegenüber den Kameraden und vor allem gegenüber den Familien.

Bardubitzki: Sie sind ein recht engagierter Kommandeur und haben sogar eine Taschenkarte nach dem Lehrgang erstellt – können Sie uns darüber etwas berichten?

Stahl: Es werden ja während des Lehrgangs umfangreiche Informationen zur Verfügung gestellt. Die wesentlichen Inhalte stehen ja auch in den Reaktionskalendern, in den Alarmkalendern – grundsätzlich ist alles verfügbar. Ich habe im Anschluss diese Taschenkarte erstellt, in der wirklich alles drin ist: Ab dem Moment, wenn mich die Information erreicht, bis zur Nachsorge. Auch eine Checklist, die ich abarbeiten kann – mindestens gedanklich oder aber nach dem Besuch im Auto: Habe ich alles rübergebracht? Kann ich mir sicher sein, dass die Nachricht angekommen ist? Konnte ich denjenigen mit der überbrachten Nachricht dann wirklich alleine lassen? Und wie geht das Ganze weiter? Machen wir uns nichts vor: Wenn irgendetwas im Auslandseinsatz passiert, dann sind natürlich bestimmt Meldewege einzuhalten und Informationen abzusetzen. Hier ist alles drin, inklusive der Ansprechpartner. Sodass ich im Falle eines Falles, wenn ich mit meinen Gedanken ganz woanders bin, nicht in irgendwelchen Ordner nach den relevanten Informationen suchen muss. Diese Taschenkarte habe ich jedem an die Hand gegeben, der potentiell in die Lage kommen kann, diese Nachricht zu übermitteln und in alle Dienstfahrzeuge legen lassen – zumindest bei mir im Stab und bei den Kompaniechefs ist es das gleiche, sodass man dann nicht erst groß suchen muss. Tatsächlich finde ich es wichtig, dass man sich in einer herausgehobenen Führungsverwendung. und das geht eigentlich beim Kompaniechef schon los heutzutage, mit der Frage auseinandersetzt. Ich bin leider schon häufiger mittelbar beteiligt gewesen, auch wenn ich in glücklicherweise noch nie in der Situation war, dass ich eine Nachricht überbringen musste, aber ich habe schon viele Nachrichten überbracht bekommen. Dabei habe ich enorme Unterschiede bei den überbringenden Vorgesetzten festgestellt. Da gab es natürlich eine Art best practice# und das waren die, die sich im Vorfeld damit auseinandergesetzt haben.

Bardubitzki: Vielen Dank für das Fazit.


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