Zwischen Mars & Venus
Europa im strategischen Wettbewerb

Der USUnited States-Politikwissenschaftler Robert Kagan nutzte vor zwanzig Jahren eine seitdem
vielzitierte Metapher, um das schwierige transatlantische Verhältnis nach dem Beginn des 
zweiten USUnited States-geführten Kriegs gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein zu beschreiben:

„Amerikaner sind vom Mars, Europäer von der Venus: Sie sind sich in wenig einig und verstehen einander immer weniger.“


Kagan vertrat damals die Auffassung, dass die Kluft zwischen den NATO-Staaten auf beiden Seiten des Atlantiks Ausdruck einer grundlegenden Differenz in den Ansichten über wesentliche Elemente der internationalen Ordnung sei. Die Amerikaner, so Kagan, stammten „vom Mars“ und befürworteten nach wie vor den Einsatz von Waffengewalt als ein Instrument der Politik. Die Europäer hingegen seien „von der Venus“ und folgten dem Ideal einer regelbasierten globalen Sicherheitsordnung.

Kagans Argument war durchaus treffend und spiegelte – zumindest – einen Aspekt der transatlantischen Beziehungen zu jener Zeit wider. Dennoch stieß es auf viel Widerspruch: Auch europäische Staaten beteiligten sich in den letzten zwanzig Jahren an unterschiedlichen militärischen Interventionen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika und haben damit gezeigt, dass sie ebenfalls bereit waren, Streitkräfte im Ausland einzusetzen, um ihre Werte und Interessen zu wahren. Umgekehrt waren auch die Vereinigten Staaten weiterhin an der Aufrechterhaltung einer regelbasierten internationalen Ordnung interessiert.

Dennoch hatte Kagan mehr Recht, als einige seiner Kritiker zugeben wollten. Bis zum 23. Februar 2022 vertrauten viele Europäer auf die Stabilität einer regelbasierten globalen Sicherheitsordnung. Es bedurfte der groß angelegten russischen Invasion in der Ukraine, um sie vom Planeten Venus zu vertreiben. Niemand brachte dies besser zum Ausdruck als die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht.“ Erst die russische Aggression ließ die NATO-Partner wieder enger zusammenrücken. Auch darüber hinaus gibt es eine Annäherung in den Bedrohungswahrnehmungen auf beiden Seiten des Atlantiks: Chinas Rolle in der Weltpolitik wird zunehmend auch in Europa 
kritisch diskutiert.

Umbruch der internationalen Politik
Es ist unübersehbar, dass sich das internationale System in einem grundlegenden Wandel befindet. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist die zunehmende Machtrivalität zwischen China und den USA. Manche Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang von einem neuen Kalten Krieg, der die Welt wieder in Ost und West teilen könnte. Andere gehen hingegen davon aus, dass es sich hierbei eher um einen „Wettbewerb der Systeme“ in einer multipolaren Welt handelt. Weder liberale Demokratien noch autoritäre Regime würden dabei feste Blöcke unter einheitlicher 
Führung bilden.

Tatsächlich findet diese Auseinandersetzung weltweit in unterschiedlichen Sektoren statt. Es geht dabei um militärische Fähigkeiten, wirtschaftliche Prosperität, technologischen Vorsprung und regionale Dominanz, aber auch um ideologische und kulturelle Attraktivität. Auch letzteres stellt den Westen heute – anders als während des Kalten Krieges – vor eine große Herausforderung. Der Aufstieg Chinas offeriert der Welt eine vermeintliche Alternative zum demokratischen Modell des liberalen Westens. Man kann heute anscheinend wohlhabend und zugleich kommunistisch sein. 
Auf der anderen Seite zeigen die militärischen Interventionen und anschließenden Regimewechsel in Afghanistan 2002, im Irak 2003 und in Libyen 2011, dass demokratische Transformationen nicht erfolgreich verlaufen, wenn die Unterstützung durch einheimische Eliten und breite zivilgesellschaftliche Gruppen fehlt. Diese normative Dimension des Wettbewerbs der Systeme wird in der öffentlichen Diskussion häufig auf einfache Stereotypen reduziert: Als ein „Kampf von Gut gegen Böse“ oder als eine Auseinandersetzung zwischen liberalen Demokratien, die an ihrem „Westlichsein“ immer stärker leiden, und aufstrebenden, zunehmend selbstbewussten Staaten im „globalen Süden“. Dabei bilden die demokratischen Staaten der Welt keinen festgefügten politischen Block. Demokratische Werte werden zwar geteilt, aber auf unterschiedliche Weise. Bei aller erkennbaren Einigkeit auf beiden Seiten des Atlantiks gibt es weiterhin unterschiedliche Vorstellungen zur Zukunft der Weltordnung. Davon abgesehen wird die internationale Politik nicht nur von zwei oder drei Wettbewerbern geprägt, die um Macht und Einfluss ringen. Es gibt eine Reihe weiterer Staaten, die den Ausgang dieses Wettbewerbs beeinflussen werden und eine klare Positionierung bewusst vermeiden. Darunter befinden sich sowohl formal demokratische Staaten mit autokratisch-nationalistischen Zügen (z.B. die Türkei) als auch eine große Zahl von Ländern im „Globalen Süden“ (Indien, Brasilien, Südafrika und andere mehr). Sie sind vor allem daran interessiert, den Wettbewerb der Systeme zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die ambivalenten Reaktionen dieser Staaten auf die russische Invasion in der Ukraine zeigen, dass die Aufrechterhaltung einer regelbasierten globalen Sicherheitsordnung von der Unterstützung dieser Staaten abhängig sein wird.

Kampf der Narrative
Der systemische Wettbewerb findet auf zwei Ebenen statt: Auf der Ebene der internationalen Politik erleben wir einen Wettstreit konkurrierender Staats- und Gesellschaftssysteme, die um Anhänger unter den unentschlossenen Staaten ringen. Bei diesem „Kampf der Narrative“ streben alle Wettbewerber danach, die Attraktivität und Überlegenheit des eigenen Staats- und Gesellschaftssystems hervorzuheben. Diese Auseinandersetzung findet gleichzeitig auf einer zweiten – politisch-gesellschaftlichen – Ebene innerhalb der beteiligten Staaten statt. Hierbei geht es im Kern um die Stabilität und Widerstandsfähigkeit von Staat und Gesellschaft gegenüber (verfassungs-)feindlichen Einflüssen von innen und außen.

Der „Kampf der Narrative“ wird deshalb auch innerhalb demokratisch verfasster Gesellschaften geführt. So haben die Mitgliedsstaaten der EUEuropäische Union bereits lernen müssen, dass die Rede- und Meinungsfreiheit ausländischen Mächten die Möglichkeit bietet, den innenpolitischen Diskurs zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Russland hat dies spätestens seit 2014 vorgemacht. Der Kreml nutzte auf die jeweilige öffentliche Meinung zugeschnittene pro-russische Narrative, um die Annexion der Krim zu rechtfertigen. Dass diese Desinformation bei einer Minderheit in den Gesellschaften Anklang findet, hat sich bspw. zum ersten Jahrestag der russischen Invasion im Februar 2023 gezeigt. Die so genannten Friedensdemonstrationen waren sehr stark von prorussischen Narrativen beeinflusst. Viele Demonstranten mögen dabei von einem starken Wunsch nach Frieden angetrieben sein. Einige wollen immer noch an die Macht der Venus glauben, selbst wenn Putin vom Mars ist. Aber es ist offensichtlich, dass sich in diesem Zusammenhang seit mindestens 2015 auch antiamerikanische, antisemitische und antidemokratische Tendenzen verbinden. In einer Reihe von europäischen Ländern bedienen sich sowohl links- als auch rechtsradikale Parteien solcher Narrative. Dies ist seit den schrecklichen Terrorakten der Hamas gegen Israel verstärkt zu beobachten. Was Links- und Rechtsradikale mit autoritären Regimen im Ausland gemeinsam haben, ist ihre Verachtung für das demokratische System. Sie glauben, dass liberale Gesellschaften schwach und verletzlich sind.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass dies definitiv nicht zutrifft. Demokratische Staaten haben sich im 20. Jahrhundert als sehr widerstandsfähig erwiesen, wenn sie von autoritären oder totalitären Regimen herausgefordert wurden. Die Entwicklungen der letzten Jahre geben jedoch Anlass zur Sorge. Die Polarisierung in liberalen Gesellschaften hat deutlich zugenommen. Gleichzeitig nahm das Vertrauen in politische Institutionen ab. Die Bekämpfung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sowie schädlicher Einflüsse aus dem Ausland ist eine Herausforderung, der sich heute alle demokratischen Staaten stellen müssen. Dies gilt auch für die Streitkräfte, deren Angehörige im Visier gegnerischer Informationskampagnen stehen. Schon deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit den Narrativen autoritärer Regime und ihrer Sicht auf die Welt auseinandersetzen.

China trotzt dem Westen 
China hat in den letzten Jahren viel Zeit und Mühe in die Entwicklung eines strategischen Narrativs investiert. Es präsentiert sich als Alternative zum westlichen Modell und versucht, die regelbasierte Weltordnung zu seinen Gunsten zu verändern. Auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) im November 2022 erneuerte Staats- und Parteichef Xi Jinping den Anspruch Chinas, eine führende globale Rolle zu übernehmen. Er und andere chinesische Regierungsvertreter nehmen dabei regelmäßig Bezug auf westliche Werte und normative Begriffe. Allerdings definieren sie diese Begriffe um und geben ihnen eine antiliberale und antidemokratische Bedeutung. Die bestehende regelbasierte Weltordnung betrachtet Peking als ein von den USA und Europa dominiertes System, das letztendlich der Durchsetzung „westlicher“ Werte und Interessen diene. Die in der Charta der Vereinten Nationen proklamierten „universellen Werte“ deuten chinesische Regierungsvertreter zu „gemeinsamen Werten“ um, die regionalen und kulturellen Interpretationen unterlägen. Dabei tritt China für eine Hierarchisierung von Rechten ein: zuerst das Recht auf Sicherheit, dann das Recht auf Entwicklung, dahinter rangieren die individuellen Rechte der Bürgerinnen und Bürger.

Chinas Narrativ, das stark auf staatlicher Souveränität und der Ablehnung „externer Einmischung“ basiert, spricht viele Staaten im globalen Süden an. Dort ist die Vorstellung weit verbreitet, dass China eine tragfähige wirtschaftliche Alternative zum Westen bietet. Häufig wird dabei die strategische Natur chinesischer Direktinvestitionen im Ausland übersehen, wie z.B. bei der Erschließung von Lithium-Vorkommen in Argentinien, Bolivien und Chile. Die zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeit von China wird dabei in Kauf genommen. Die Pekinger Rhetorik von der Ablehnung „externer Einmischung“ wirkt vor diesem Hintergrund wenig glaubwürdig. Trotzdem ist es China gelungen, in vielen Staaten an Einfluss zu gewinnen.

Russland und der Iran bedienen sich ebenfalls antiwestlicher Stereotype. Beide Länder sehen die gegenwärtige Weltordnung als ungerecht und Bedrohung ihrer staatlichen Identität und Souveränität an. Der Kreml wirft dem Westen einen „liberalen Totalitarismus“ vor, der Ereignisse wie den „Arabischen Frühling“ 2011 dazu nutze, nicht-westliche Staaten zu destabilisieren. Dem gegenüber schütze Russland als „kritischer Balancer“ (Außenminister Lawrow) die internationale Ordnung. Gleichzeitig nimmt Präsident Putin für Großmächte eine „Supersouveränität“ in Anspruch, die es Russland ermöglicht, in der internationalen Politik als Regelgestalter und Regelbrecher, je nach aktueller Interessenlage, zu agieren. Mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine behauptet er, dass dies ein legitimer Kampf gegen den Westen sei, um die „wahre Souveränität“ der Ukraine wiederherzustellen. Die Ukraine wäre demnach erst wieder souverän, wenn das gesamte Land mit Russland verschmolzen sei. Ein weiteres wichtiges Element im russischen Narrativ ist die Forderung nach einer multipolaren Weltordnung. Der Kreml versteht darunter allerdings etwas völlig anderes als viele kleinere Staaten: Für Russland bedeutet Multipolarität eine Weltordnung, in der einige wenige Großmächte in ihrem jeweiligen regionalen und kulturellen Einflussbereich das Sagen haben. Dem entsprechend sollen die USA in ihre Hemisphäre zurückgedrängt werden. Europa gehört nach Putins Logik in den russischen Einflussbereich.

Russlands Krieg gegen die Weltordnung
Das russische Narrativ ist eine giftige Mischung aus radikaler Geopolitik, antiwestlichen Ressentiments und ultrakonservativen „traditionellen Werten“ (z.B. Geschlechterrollen und Religion). Überraschenderweise findet es im globalen Süden durchaus Anklang, obwohl der Kreml offenkundig versucht, die Welt in Einflusszonen weniger großer Mächte aufzuteilen. Afrika und der Nahe Osten sind bereits wichtige Schauplätze dieser Auseinandersetzung mit dem Westen. Russische Truppen und Söldnereinheiten („Wagner“) sind derzeit u.a. in Zentralafrika, Mali, Libyen und Syrien eingesetzt. Die Golfstaaten fungieren als „Zentren der Ambivalenz“ und sind für Russland in den Bereichen Handel, Logistik und Finanzen von entscheidender Bedeutung. Zwar verfügt der Kreml über keine großen Bündnisse, aber er unterhält freundliche Beziehungen mit etwa 35 Ländern, die bereit sind, sich bei UNUnited Nations-Resolutionen, die russische Aggressionen oder Annexionen verurteilen, der Stimme zu enthalten oder abwesend zu sein. Dazu gehören auch große Demokratien wie Indien und Südafrika. Eine größere Gruppe von Staaten stimmt zwar mit der Mehrheit in der UNUnited Nations für solche Resolutionen, beteiligt sich aber nicht aktiv an westlichen Sanktionen gegen Russland. So erfolgte die Aussetzung der russischen Mitgliedschaft im UNUnited Nations-Menschenrechtsrat 2022 nur mit einer Mehrheit von 93 Staaten.

Russland ist aber nicht nur in „befreundeten“ Ländern aktiv. Es unternimmt gleichzeitig erhebliche Anstrengungen, um in westlichen Staaten die Gesellschaften zu polarisieren und zu spalten. Berichten zufolge gaben russische Oligarchen in der Zeit von 2009 bis 2018 rund 188 Millionen USUnited States-Dollar aus, um rechtsradikale und ultrakonservative Netzwerke in Europa und den USA zu finanzieren.

Überraschende Rolle des Iran 
Das iranische Narrativ setzt etwas andere Akzente, die vor allem der geopolitischen Situation im Nahen und Mittleren Osten geschuldet sind. Auch aus der Perspektive Teherans befindet sich die Welt in einer Ära des Machtwechsels. Die von China vermittelte Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien wird als „politisches Erdbeben“ bezeichnet, als Anfang vom Ende der USUnited States-Hegemonie in dieser Weltregion. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird ebenfalls in diesen Kontext eingeordnet. Die Verantwortung für diesen Krieg trage nicht der Kreml, sondern die USUnited States-Regierung, die die Entstehung einer neuen Weltordnung zu verhindern suche und einen hybriden Krieg gegen aufstrebende, nichtwestliche Mächte, wie China, Russland und Iran, führe. Durch die Zusammenarbeit dieser Staaten könne aber die westliche Vormachtstellung gebrochen werden. Interessanterweise spielen religiöse Aspekte im iranischen Narrativ nur eine untergeordnete Rolle. Der schiitische Gottesstaat versucht sich vielmehr als Träger eines pragmatischen geopolitischen „Widerstands“ gegen den Westen zu vermarkten, um möglichst viele antiwestlich gesinnten Kräfte weltweit anzusprechen. Trotzdem unterstützt der Iran massiv islamistische Terrororganisationen und ist eine treibende Kraft im Kampf gegen Israel.

Bei allen Unterschieden im Detail ist den chinesischen, russischen und iranischen Narrativen eines gemeinsam: ihre antiwestliche Ausrichtung. Die bisherige regelbasierte Weltordnung wird abgelehnt, weil sie „ungerecht“ und westlich dominiert sei. Auch der allgemeinen Gültigkeit von gemeinsamen Werten und individuellen Freiheitsrechten, wie sie in der UNUnited Nations-Charta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben sind, wird widersprochen, da es sich letztlich auch hier um westlich geprägte Rechtsvorstellungen handele.

Der „Globale Süden“ im Wettbewerb der Systeme
Für die Mehrzahl der Menschen in freiheitlich-demokratischen Gesellschaften sind diese Narrative nicht attraktiv. Im „globalen Süden“ fallen sie hingen häufig auf fruchtbaren Boden. Die meisten dieser Länder befinden sich aufgrund der Globalisierung und der damit einhergehenden Verwestlichung in einem Prozess des Übergangs, der scharfe gesellschaftliche Kontraste erzeugt hat. Viele Menschen dort profitieren nicht vom marktwirtschaftlichen Wachstum, sondern leiden unter Korruption und schlechter Regierungsführung. Insbesondere dort, wo sich westliche Heilsversprechen nicht erfüllt haben, stoßen antiwestliche Narrative auf positive Resonanz. Der strategische Wettbewerb mit China, Russland und dem Iran ist daher auch ein Wettbewerb um die Unterstützung durch Staaten in anderen Teilen der Welt.

Fazit
Der Westen ist in dieser Auseinandersetzung kein monolithischer Block. Zwar hat der russische Krieg gegen die Ukraine die NATO-Partner wieder enger zusammenrücken lassen, doch es gibt auch weiterhin unterschiedliche Interessen auf beiden Seiten des Atlantiks. Washingtons Schwenk nach Asien ist nicht beendet. Die Europäer müssen sich darauf einstellen, mittel- und langfristig mehr Verantwortung zu übernehmen. Dies gilt nicht nur in militärischer Hinsicht gegenüber Russland.

Der strategische Wettbewerb ist mehr als nur eine Konfrontation zwischen zwei politisch-gesellschaftlichen Systemen – Demokratie vs. Autokratie – und den ihnen zugrunde liegenden unterschiedlichen Werten und Normen. Es ist zugleich ein Wettbewerb um Einfluss auf die unentschlossenen Staaten und Gesellschaften, z.B. Brasilien, Indien, Indonesien, Kenia, Nigeria, Mexiko, Thailand und Vietnam. Die europäischen Staaten und auch die Europäische Union werden sich überlegen müssen, wie sie sich im strategischen Wettbewerb positionieren und welche Politik sie gegenüber diesen Staaten verfolgen wollen. Dabei geht es nicht um eine Abwendung von den USA. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, welche Rolle wir Europäer im strategischen Wettbewerb an der Seite unserer transatlantischen und indopazifischen Partner spielen wollen. Das von Kagan geprägte Gegensatzpaar von Mars und Venus hat ausgedient. Um im Wettbewerb der Systeme bestehen zu können, müssen alle demokratischen Gesellschaften – nach innen und außen – wehrhaft sein.