Oberstleutnant Corinna Frenzel
Oberstleutnant Corinna Frenzel
„Das ist ja der Wahnsinn“
Die Öffnung der innerdeutschen Grenze hat Corinna Frenzel als junges Mädchen erlebt. In ihren Erinnerungen sieht sie ihre Eltern in diesen Tagen andächtig auf der Couch und wie gebannt auf die Bilder im Fernseher starrend. Für die Siebebnjährige ist das Verhalten der Erwachsenen ein Zeichen, dass da gerade etwas ganz Besonderes passiert – verstehen konnte sie es noch nicht. Das folgende Kennenlernen und Zusammenwachsen der getrennten deutschen Staaten hat sich auch in der Bundeswehr niedergeschlagen. Tausende ehemalige NVANationale Volksarmee-Soldaten galt es zu integrieren. Doch Integration und der Umgang mit Vielfalt ist kein historisch begrenzter Vorgang, sondern für eine moderne Armee und attraktiven Arbeitgeber eine dauerhafte Aufgabe.
„Jo, können wa' gebrauchen“
Der Weg von Oberstleutnant Corinna Frenzel ist geprägt von Begegnungen, Kennenlernen und Verständnis. Rückblickend beschreibt sie bereits ihre Motivation als Jugendliche für einen zukünftigen Arbeitsplatz als: „Wunsch mit unterschiedlichen Menschen zu arbeiten und diese ausbilden zu dürfen.“ Bewerbungen bei der Polizei und der Bundeswehr waren für sie die logische Folge. Dass sie sich jedoch schon vor den ersten Gesprächen zwischen den beiden entscheiden musste, hätte sie nicht gedacht: beide Vorstellungstermine wurden auf den selben Tag festgelegt. Mit einem kleinen Stupser ihres Vaters, selbst ehemaliger Soldat, und dem Wunsch für Recht, Demokratie und Freiheit einzustehen, entschied sie sich für die Bundeswehr. Und die Bundeswehr entscheid sich für sie: „Da hab‘ ich dann natürlich auch Glück gehabt, dass die Bundeswehr gesagt hat `Jo! können wa‘ gebrauchen´ und somit bin ich dann im Juli 2003 zur Bundeswehr gekommen.“
Wo habe ich denn am besten Empfang?
Die Zeit in ihrer Grundausbildung beschreibt die Kommunikationsspezialistin als besonders lehrreich. Mit dem Ziel, in der Gemeinschaft die gestellten Hürden zu überwinden, seien sowohl im Dienst als auch beim Dienstabschlussbier Vorurteile nebensächlich gewesen. „Wir haben einfach die Vorzüge des jeweils anderen gesehen, damit wir als Gemeinschaft wachsen und vorankommen.“ Unter dem Eindruck der Debatte um den freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz bewertet Frenzel diese Erfahrung auch mit Blick auf die Persönlichkeitsentwicklung sehr positiv: „Es ist nicht schlecht, wenn man einfach mal aus den eigenen vier Wänden herauskommt, um die Vielfalt zu spüren, die Deutschland zu bieten hat. Daher finde ich das [Anm. Red.: die Zeit in der Grundausbildung] gar nicht verkehrt, um Offenheit zu lernen.“
Wo habe ich denn am besten Empfang? Eine Frage, die nach ihrer Erfahrung als Vorgesetzte für die heutigen Rekrutinnen und Rekruten immer mehr an Wichtigkeit gewinnt. Die Stärken und Schwächen der anderen Gruppenmitglieder zu kennen und den Gemeinschaftsgeist zu stärken, werden nach ihrem Eindruck für die jungen Soldatinnen und Soldaten erst dann wichtig, wenn es in die kräfteraubenderen Ausbildungsabschnitte geht.
Die Fesseln der Vorgesetzten
In dieser intensiven Zeit als Kompaniechefin hat sie in Kastellaun neben der Allgemeinen Grundausbildung auch spezialisierte ITInformationstechnik-Züge geführt. Den Umgang mit den Menschen hat Frenzel dabei nochmals aus einer neuen Perspektive kennengelernt - fördern, fordern und auch vertrauen: Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Dienstaufsicht besonders wichtig. Das stetig steigende E-Mail-Aufkommen und die vermeintlich immer komplexeren Prozesse fesseln jedoch viele Führungskräfte an ihren Schreibtischen: „Wenn man heute Kompaniechef ist, hat man weniger, gefühlt eigentlich gar keine Zeit mehr. Man muss wirklich zusehen, dass man raus kommt zur Dienstaufsicht und sich die Zeit nimmt, um für seine Soldaten da zu sein. Nach meiner Erfahrung, sprechen Menschen, die nicht gefragt werden ‚Wie geht es Ihnen?‘, ‚Was ist hier los?‘ oder ‚Warum sind Sie so frustriert‘ aus eigenem Antrieb kaum darüber. Häufig leider auch aus Angst, etwas Falsches zu sagen.“
Als Gemeinschaft für den Auftrag
Als sie 2003 zur Bundeswehr kam, waren Frauen außerhalb des Sanitätsdienstes für viele noch ein ungewohntes Bild. Aufgrund ihrer offenen und ehrlichen Kommunikation habe sie nie ein Integrationsproblem gehabt, beschreibt die Ehefrau und Mutter den offenen Umgang miteinander als ihren Schlüssel für einen entspannten Umgang mit der Vielfalt in der Bundeswehr. Mit dem Blick als Menschenführerin ordnet sie dies jedoch auch in die von ihr erlebte Realität ein: „Da ist immer so ein kleines aber: Bei aller Vielfältigkeit darf die Auftragserfüllung nicht vergessen werden. Alle Soldatinnen und Soldaten haben Rechte und Pflichten, die es einzuhalten und umzusetzen gilt! Das heißt, wir können eben nicht immer nur auf die Uhr schauen und sagen: ‚von neun bis fünfzehn Uhr - Kernarbeitszeit, dann bin ich weg.“ Die Gründe der jugendlichen Corinna Frenzel zur Bundeswehr zu gehen, spiegeln sich eben doch auch siebzehn Jahre und viele Erfahrungen später in ihrer persönlichen Einschätzung der Pluralisierung der Gesellschaft und der Bundeswehr wider: „Die Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, der Auftrag der Bundeswehr und auch die Kameradschaft dürfen an aller Individualisierung nicht zerbrechen. Sie sind das höchste Gut, was wir haben und wofür wir eintreten, dafür müssen die Auftragserfüllung und die Berücksichtigung aller Individualität in Einklang gebracht werden.“