Entscheidung für die Innere Führung: Die Köpfe hinter BwBundeswehr-IdentitY
Entscheidung für die Innere Führung: Die Köpfe hinter BwBundeswehr-IdentitY
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 7 MIN
Backsteinwände, hohe Fensterbögen, dicke Holztischplatte – im Hauptquartier der militärischen Start-Up-Szene, dem Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr) in Berlin, fühlen sich Florian Roth und Marc Wietfeld sichtlich wohl. Die beiden Offiziere und Intrapreneure wollen Innere Führung spielerisch vermitteln. Was treibt sie an?
Junge Jahre, folgenschwere Entscheidung
Der Jüngere des kreativen Duos lebt mittlerweile in Bad Münstereifel. Der 23-jährige Florian Roth beendet aktuell sein Studium „Management und Medien“ an der Universität der Bundeswehr in München. Gebürtig kommt Roth jedoch aus Nürnberg. Im Grundschulalter folgte er seiner Mutter nach Hamburg – der gefühlte Gegenentwurf der fränkischen Lebensweise machte ihm zu schaffen, „Moin“ statt „Servus“. Mit dem Wechsel der Schule kam er nicht zurecht, die Noten verschlechterten sich, das soziale Umfeld war problematisch. Der Umgang mit ihm auch, er wurde gemobbt. Da traf er eine Entscheidung: Zurück nach Nürnberg zu seinem Vater und dort die Schule beenden. Wie sich herausstellte der richtige Weg: bessere Noten, Realschulabschluss und Abitur, ein intakter Freundeskreis – Wohlfühlfaktoren.
Einer unter 22 – „Persönlichkeitsschulung“
Der sportliche Roth war ein ambitionierter Fußballer. Kleinere und größere Verletzungen zwangen ihn jedoch, die aktive Karriere zu beenden. Aber Roth blieb auf dem Feld, als Schiedsrichter. Mit Erfolg: Als Jugendlicher pfiff er Spiele der Bezirksliga und stand in der Bayernliga als Schiedsrichterassistent an der Seitenlinie. Woche für Woche, bei Regen oder Sonnenschein traf er Entscheidungen, manchmal über den Ausgang eines Spiels, meistens war mindestens eine Partei nicht einverstanden – wie er selbst sagt „Persönlichkeitsschulung“. Er beendete sein Engagement erst mit der Einberufung in die Laufbahn der Offiziere.
Sein berufliches Ziel war immer die Bundeswehr, den Opa als Fünfjähriger im Ohr: „Florian, wenn du was Richtiges machen willst, dann wirst du Marineoffizier.“ Als Bester seines Abiturjahrgangs hätte er bei seinem Abiball eine Rede halten sollen, aber der Schulleiter suchte ihn vergebens, denn Florian Roth hatte sich entschieden: Er befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Ausbildung an der Marineschule in Mürwik.
Vom schweren Metall zum „leichten“ Jäger
Im Spannungsfeld südwestdeutscher Regionalkabbeleien – zwischen Baden und Schwaben – ist Marc Wietfeld aufgewachsen. Der Anfang-Dreißiger genoss in Kindheit und Jugend die Sonne in der Nähe von Freiburg. Der lebhafte und neugierige Junge war schon immer gern draußen: Inlineskaten mit Freunden, Fußball im Verein – Dorfkinderinnerungen. Auch für die Schulbank bewegte er sich nur widerwillig nach drinnen, die Nerven der Eltern wurden strapaziert.
Der Hauptschulabschluss gelang trotzdem – Wietfeld machte im Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz eine Lehre zum Metallbauer. Das erforderte Präzision und Kraft, Wissen und Geschick. Das Handwerk kanalisierte die Energie des jungen Mannes, er schloss erfolgreich ab. Mit 19 wurde er zum Wehrdienst in die Bundeswehr nach Sonthofen eingezogen – als einer der letzten Rekruten vor der Aussetzung der Wehrpflicht. Natur, draußen sein, Herausforderungen, Kameradschaft – er hatte Freude. So viel, dass er blieb und in der Mannschaftslaufbahn weiter verlängerte.
Leistung als Antrieb oder Antrieb für mehr Leistung?
Im damaligen Spitzendienstgrad der Mannschaftslaufbahn konnte sich Marc Wietfeld als Oberstabsgefreiter ein Bild von den vielen Facetten der Bundeswehr machen und Erfahrungen sammeln. Er erlebte viele Vorgesetzte, nach seinem Empfinden bessere und schlechtere. Schließlich traf er eine Entscheidung, die weitreichende Auswirkungen auf seine nächsten Jahre hatte: Er wollte Offizier werden. 2012 verließ er zunächst die Bundeswehr, jobbte bei einem Mittelständler und stieg bis zum Leiter des Personalwesens auf. Nebenbei holte er sein Abitur nach. 2014 ging es für ihn zunächst als Reservedienstleistender in die Deutsch-Französische Brigade nach Müllheim, ehe er im Sommer 2015 sein erstes Zwischenziel erreicht hatte: In Hammelburg begann Wietfeld als Angehöriger der Jägertruppe den Offizieranwärterlehrgang, der erste Schritt auf dem Weg zum Offizier.
„Ich messe mich an meinen Ergebnissen“
Durchschnittliche Noten in der Schule und in der Lehre – Jahrgangsbester im Studium: Für die Leistung von Marc Wietfeld gab es nach seiner Entscheidung nur eine Richtung: Immer besser. Bei Praktika an der NATONorth Atlantic Treaty Organization School Oberammergau im Bereich Öffentlichkeitsarbeit sowie im Auslandsstudio des ZDF in New York erweiterte er seinen Horizont.
Für Wietfeld spielt Leistung eine große Rolle. In seinem Leben vor der Bundeswehr „hatte ich nicht immer die Möglichkeit, meine Potenziale voll auszuschöpfen. Manchmal wurde ich nur gefordert, manchmal weder gefördert noch gefordert oder sogar unterfordert.“ Dies sei für ihn sowohl in der Ausbildung zum Jägeroffizier als auch im Studium anders, hier wird gefordert und gefördert. Dafür sei er sehr dankbar.
Ruhiger wird es für den Jägeroffizier zunächst nicht: Er strebt nach einer Verwendung als Zugführer. Neben der Führungserfahrung wird auch hierbei das Treffen von Entscheidungen ein relevanter Bestandteil sein: „Entscheidungen sind für mich etwas ganz Wichtiges – egal ob in meiner Laufbahn, privat oder in meinen Projekten. Ich entscheide mich so, wie ich es gelernt habe: nach dem Führungsprozess des Heeres. Für mich ist die Initiative des Handelns zu gewinnen ganz wichtig – ich will aktiv bestimmen können, was als nächstes passiert und mutig handeln.“
Diese Initiative geht für Marc Wietfeld auch über den Dienst hinaus. Neben seinem Engagement rund um BwBundeswehr-IdentitY ist er an einem weiteren Start-Up im bundeswehrnahen Umfeld beteiligt.
Innere Führung als Herzensangelegenheit
Florian Roth ist ebenfalls an einem weiteren Bundeswehr-nahen Start-Up beteiligt. Sein Leistungsanspruch an sich selbst zieht sich beginnend ab der Rückkehr nach Nürnberg durch sein gesamtes Leben: Bester im Abiturjahrgang, Hörsaalbester an der der Marineschule und damit verbunden ein Austausch an der United States Naval Academy in Annapolis – immer bis an die Grenzen seiner individuellen Belastbarkeit, manchmal auch darüber hinaus. Auch in Zukunft will er sich nicht schonen und möchte zu den Marinesicherungskräften im Seebataillon.
Neben reflektierten Entscheidungen und dem Leistungsvergleich mit anderen ist die Digitalisierung der Inneren Führung, um diese einer jüngeren Zielgruppe näher zu bringen, das Herzstück der App BwBundeswehr-IdentitY – und Herzensangelegenheit für Wietfeld und Roth.
Rahmen und Anker
„Unsere Generation hat die Chance und die Skills, die verborgenen Potentiale der Digitalisierung in der Bundeswehr abzurufen“, ist sich Marc Wietfeld sicher, der seine Freizeit ganz analog am liebsten in der Natur verbringt: Joggen, Wandern, Snowboard-Touren. Auch Roth ist in seiner Freizeit am liebsten outdoor und bezeichnet sich selbst doch als Digitalisierungsfreak. „Alle Themen, die mit Digitalisierung im öffentlichen Sektor zu tun haben, begeistern mich einfach. Ich bin der Meinung, wir haben im öffentlichen Sektor noch ein unheimliches Nachholpotential – und das meine ich gar nicht negativ, sondern durchaus positiv.“ Und die Innere Führung hat für die beiden Intrapeneure eine ganz besondere Bedeutung, die noch Potential für eine weitere Digitalisierung hat.
In seiner Zeit in Hamburg hat Florian Roth als Jugendlicher viele negative soziale Situationen bis hin zum Mobbing erleben müssen. „Ich habe mich immer nach einem passenden sozialen Gefüge gesehnt.“ Auch aufgrund dieser Erfahrungen schätzt Roth die Innere Führung in der Bundeswehr ganz besonders und hält sie für aktueller denn je. Wietfeld macht sich ebenfalls Gedanken über den Wandel in der Gesellschaft und wie sich die Innere Führung den geänderten Rahmenbedingungen auch angesichts der veränderten sicherheitspolitischen Lage anpassen kann und muss.
Roth und Wietfeld kennen die Herausforderung für „Mannschafter“ dabei aus eigenem Erleben: Viele der Soldatinnen und Soldaten in dieser Laufbahn haben bei ihrem täglichen Dienst keinen dauerhaften Zugang zu einem dienstlichen Rechner – Handwerk statt Heizung. Die bewusste Berührung mit der Inneren Führung beschränkt sich auch deshalb häufig auf die befohlene freitägliche Politische (Kurz-) Bildung zu einem aktuellen Thema des Weltgeschehens. BwBundeswehr-IdentitY soll die Innere Führung auf individueller Ebene ins Bewusstsein rufen: Die Führungskultur der Bundeswehr spielerisch auf den privaten Endgeräten der Soldatinnen und Soldaten zu erleben, ist hierfür der Weg. Von der Pflichtübung und dem Pausenfüller zur intensiveren Beschäftigung mit der Inneren Führung.
Testen, weiterentwickeln, erleben
Auch im CIHBwCyber Innovation Hub der Bundeswehr ist die Messe für diesen Tag gelesen: Die Köpfe haben geraucht, die Getränke sind leer und die Bildschirme mittlerweile erloschen. Florian Roth und Marc Wietfeld sind zufrieden. „Look and feel“ der App sind festgelegt, erste Inhalte produziert und durch Mannschaftssoldatinnen und -soldaten in ganz Deutschland erfolgreich erprobt. Nun muss der Bau der finalen App vorbereitet und eingeleitet werden. Dabei stehen die nächsten Entscheidungen am großen Holztisch im Cyber Innovation Hub in Berlin an.