„Wir haben hohe Ansprüche an uns selbst!“ – Innere Führung für Mannschaften

„Wir haben hohe Ansprüche an uns selbst!“ – Innere Führung für Mannschaften

Datum:
Ort:
Koblenz
Lesedauer:
4 MIN

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„Was macht für Sie eine motivierte Führungskraft aus?“

… fragt Hörsaalleiter Oberstleutnant Stephan Scherer in die Runde. Die 24 Oberstabsgefreiten antworten mit Nachdruck: „Ehrlichkeit“, „Mut“, „Zuverlässigkeit“, „Kompetenz“ und „das Interesse am ganzen Menschen“. An diesem Dienstagmorgen herrscht unter den Teilnehmenden das unausgesprochene Einvernehmen, jede genannte Eigenschaft mit eigenen positiven und negativen Erfahrungen aus Einsatz und Grundbetrieb stützen zu können.

Viele verschiedenfarbige Paspelierungen sind in dem Seminarraum am Zentrum Innere Führung (ZInFüZentrum Innere Führung) hoch über den Dächern von Koblenz zu sehen ­- die Teilnehmenden kommen aus Heer, Luftwaffe und Streitkräftebasis. Alle wurden eigens empfohlen, um am zweiten Lehrgang „Innere Führung für längerdiendende Mannschaften“ teilzunehmen.

Im Vordergrund zwei kniende Oberstabsgefreite, welche über das Holzstecksystem im Hintergrund diskutieren.

24 Oberstabsgefreite aus verschiedenen Truppengattungen nahmen am zweiten Lehrgang in Koblenz teil.

Bundeswehr/Fabian Schier

Diensterfahrung und Kontinuität

Der 36-jährige Oberstabsgefreite Martin Beer aus dem oberbayrischen Bischofswiesen ist beispielsweise nicht das erste Mal am ZInFüZentrum Innere Führung. Während seiner Moderatorenausbildung im vergangenen Jahr sprach ihn Oberstleutnant Scherer an, ob er nicht an der zweiten Auflage des Lehrgangs teilnehmen wolle. Zurück in der 1. Kompanie des Gebirgsjägerbataillons 232 berichtete er als Vertrauensperson der Mannschaften der Kompanieführung von der Möglichkeit zur Teilnahme und wurde unterstützt. Mit seinen 13 Jahren Diensterfahrung und den Eindrücken eines Einsatzes in Afghanistan blickt der freundliche Familienvater gespannt auf den Lehrgang.

Ein Oberstabsgefreiter steht in der Mitte einer Gruppe Oberstabsgefreiter und blickt konzentriert auf einen Plan.

Gemeinsam beschäftigten sich die Teilnehmenden mit verschiedenen Aspekten der Inneren Führung.

Bundeswehr/Fabian Schier

Von seiner Vorgesetzten direkt angesprochen wurde Oberstabsgefreiter Cesar Skalli. Der gebürtige Bonner gilt im Stabsquartier des Kommando Streitkräftebasis als empathischer und kompetenter Ansprechpartner für alle Mannschaften. Mit seiner 10-jährigen Diensterfahrung und zwei Auslandseinsätzen kennt er die Facetten der Bundeswehr sehr gut.

Die beiden Oberstabsgefreiten sind, wie viele andere Mannschaften, im Spitzendienstgrad der Laufbahn bereits sehr lange in ihren Einheiten. Sie dienen als erhebliche Wissensträger und Stützen und können damit insbesondere für junge Führungskräfte eine große Hilfe sein. „In Zeiten immer schneller wechselnder Vorgesetzter bieten Mannschaften die Kontinuität in der Einheit“, stellt Hörsaalleiter Scherer in einer seiner wenigen Pausen in dieser Woche fest. Bereits seit 16 Jahren ist er am ZInFüZentrum Innere Führung und man spürt, dass der Lehrgang für ihn eine Herzensangelegenheit ist. „Für Mannschaften gibt es leider kaum Angebote zur Inneren Führung“, beschreibt er einen der Hauptgründe für die Entstehung des Lehrgangs.

Mit Spaß und Freude: Innere Führung

Das ZInFüZentrum Innere Führung, als Kompetenzzentrum für die Innere Führung in der Bundeswehr, bietet den Teilnehmenden in dieser Woche einen Panoramablick in vielfältige Themen. Die Grundsätze der Inneren Führung gelten als Leitlinie für die Menschenführung und den richtigen Umgang miteinander. Zudem gewährleisten sie, dass die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft bleibt. Gutes Führen, Selbstverständnis und Teamfähigkeit stehen in dieser Lehrgangswoche daher genauso im Fokus wie Tradition, Diversität und politische Bildung. Der Spaß und auch viele Gedankenanstöße kommen natürlich nicht zu kurz. Auf Grund des großen Altersunterschiedes der Teilnehmenden, von Anfang 20 bis Mitte 40, bietet beispielsweise das Thema ‚Soldat sein ­­- zwischen Individualisierung und Digitalisierung‘ spannende Einblicke in die eigene und die Fremdwahrnehmung.

Ein Oberstabsgefreiter in nachdenklicher Pose blickt zu anderen Lehrgangsteilnehmern, die ein System aus Holz zusammensetzen.

Viele verschiedene Ansätze bot die Übung mit dem Holzstecksystem zu Führung und Teamleistung.

Bundeswehr/Fabian Schier

Zurück im Unterrichtsraum herrscht geschäftiges Treiben. Alle Teilnehmenden haben für eine Teamübung ein Holzbrettchen in der Hand. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass alle Hölzer unterschiedlich lang sind und verschiedene Einkerbungen haben. Es ist die Aufgabe aller, das Stecksystem aus Holz zusammenzubauen, wieder zu zerlegen und erneut zusammenzusetzen – im Gegensatz zum bekannten Zusammensetzen des Sturmgewehrs G36 darf jeder und jede Einzelne jedoch nur ein Bauteil in die Hand nehmen. Die Bauanleitung der Übung zur Darstellung von Führung, Teamarbeit und Gruppenprozessen wird genauestens studiert und macht die Runde. Es wird diskutiert, vorgeschlagen, und Meinungen werden ausgetauscht. Oberstleutnant Scherer betrachtet die Szene interessiert von der Seite. Nach einiger Zeit des Ausprobierens und Debattierens sagt einer der Teilnehmenden mit einem Augenzwinkern: „Jetzt lasst doch bitte einmal einen die Führung übernehmen, sonst ist das hier wie bei den Mannschaften.“ Daraufhin ordnet sich die Situation, und die gestellte Aufgabe wird gelöst. Das eigene Erleben von Führung steht in dieser Woche immer wieder in praktischen Übungen im Mittelpunkt.

Für Oberstleutnant Scherer ist dies ein sehr wichtiger Bestandteil des Lehrgangs, denn er gibt zu bedenken: „Führung unter Mannschaften ist die Regel und das auch ohne Vorgesetztenverhältnis.“ Skalli weiß dies zu bestätigen: „Führung unter Mannschaften passiert!“, denn „Mannschaften arbeiten im System und sind die Assistenten der übergeordneten Führung. Wir kennen die Wege. Wir müssen häufig mit wenigen bis keinen Ressourcen viel leisten.“

Drei Personen, eine zivil, zwei mlitärisch, vor dem Haupthaus des Zentrums Innere Führung.

Oberstabsgefreiter Martin Beer (re.) und Oberstabsgefreiter Cesar Skalli (mi.) berichteten Autor Thomas Martin ausführlich von ihren Erlebnissen und Erfahrungen.

Bundeswehr / Thomas Martin

Innere Führung aus verschiedenen Blickwinkeln

Nachdem zu Beginn des Lehrgangs viel über Führungsstile von Vorgesetzten diskutiert wird, rücken im Laufe der Woche auch andere Facetten von Führung in den Vordergrund. Bei der Frage nach den Eigenschaften eines guten Untergebenen beschreibt Oberstabsgefreiter Beer seine geringen Ansprüche: „Motivation und das tatsächliche Interesse am Soldatenberuf würden mir schon reichen.“ Wenn jemand dazu dann auch noch fachlich interessiert und aufnahmefähig sei, wären sogar alle seine Wünsche erfüllt. Skalli sieht dies ähnlich: „Soldat sein heißt Verantwortung, kein Spaß! Das ist das Grundverständnis, welches ich erwarte. Wenn zudem jemand noch gut erzogen, motiviert ist und mitdenkt, bin ich glücklich.“



von Thomas Martin

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