Der Marschkredit
Fahrzeugen der Bundeswehr oder alliierter Streitkräfte begegnet man regelmäßig auf deutschen Straßen. Blaue Flaggen an der linken Fahrzeugseite, das eingeschaltete Warnblinklicht sowie eine grüne Flagge am letzten Fahrzeug – Marschkolonnen lassen sich recht einfach identifizieren. Doch was bedeuten eigentlich die weißen Zeichen an den Seiten?
Der Straßenmarsch mit mehr als zehn Militärfahrzeugen oder einzelnen Fahrzeugen, deren Gesamtgewicht, Achslasten oder Abmessungen gesetzlich zugelassene Grenzen überschreiten, erfordert für die Nutzung von öffentlichen Straßen eine separate Genehmigung: Sie benötigen einen Marschkredit. Sie nehmen die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch, was mit einer übermäßigen Straßenabnutzung einhergeht. Eine solche Genehmigung ist auch für fahrwegbestimmungspflichtige Transporte gefährlicher Güter nach Paragraf 35b der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt erforderlich. Das ist zum Beispiel beim Transport von mindestens 254 Panzerabwehrminen oder zwei Raketen für das Flugabwehrsystem PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target der Fall.
Ein Marschkredit wird durch die jeweilige Dienststelle beim Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven beantragt. Dort wird der Antrag auf Vollständigkeit und auf die Einhaltung der Vorschriften, Weisungen, Gesetze sowie der Vorgaben der zivilen Straßenbehörden geprüft. Dazu zählen etwa Vorgaben zu Gefahrguttransporten, zur Verkehrssicherheit von Fahrzeugen oder zum Lärmschutz, aber auch die aktuellen Bedingungen auf deutschen Straßen.
Anschließend erteilt das Logistikzentrum den schriftlichen Marschkredit, also die Genehmigung für den Marsch. Fahrzeuge, die beispielsweise mehr als 40 Tonnen wiegen, breiter als 2,55 Meter oder höher als vier Meter sind, dürfen auf deutschen Straßen nur mit einer entsprechenden zivilbehördlichen Erlaubnis fahren. Engstellen, Baustellen, Brücken oder Unterführungen können aufgrund zu geringer Maße oder eingeschränkter Tragfähigkeit unter Umständen nicht passiert werden. Daher gibt das Logistikzentrum der Bundeswehr den Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern durch den Marschkredit exakt die Route vor, die gefahren werden muss. Die Überwachung von bestehenden Auflagen für beispielsweise Schwertransporte erfolgt in Absprache mit der Feldjägertruppe und gegebenenfalls mit der zivilen Polizei.
Grundsätzlich muss für jeden Marsch ein neuer Antrag gestellt werden, da sich die Zusammenstellung der Fahrzeuge, die transportierten Rüstungsgüter oder Gefahrenstoffe in Art und Umfang sowie Start- und Zielort stetig ändern.
Wie setzt sich ein Marschkredit zusammen?
Jeder Marschkredit erhält eine eigens für diesen Marsch vergebenen Nummer. Vor der Abfahrt wird diese Marschkreditnummer auf beide Seiten eines jeden Kraftfahrzeuges angebracht. Dies geschieht meist mit weißer Kreide, da sich diese unmittelbar nach Fahrtende einfach wieder abwaschen lässt. Er besteht aus vier verschiedenen Komponenten, die Informationen zum Datum und zur Nationalität des marschierenden Verbandes enthalten.
Fahren unter Marschkredit
Das Logistikzentrum der Bundeswehr legt nicht nur die exakte Fahrtstrecke und die Fahrtzeit fest. Es bestimmt auch allgemeine Vorgaben und besondere Auflagen für die geplante Route. Dies kann ein Nachtfahrverbot sein, bei dem bestimmte Straßen oder Straßenabschnitte zwischen 22 und 6 Uhr nicht befahren werden dürfen, oder weitere Besonderheiten für Gefahrguttransporte beinhalten. Die Marschkolonne oder die einzelnen Fahrzeuge, denen ein Marschkredit erteilt wurde, haben sich daran zu halten. Spielraum gibt es keinen.
Grundsätzlich haben die Logistikfachkräfte bereits in Zusammenarbeit mit zivilen Behörden die günstigste und gleichzeitig kürzeste Strecke ermittelt und diese so geplant, dass möglichst keine zwei Marschkolonnen zeitgleich dieselbe Strecke nutzen. Auf dieser Grundlage haben die Kraftfahrenden ihre Vorbereitungen so abzuschließen, dass sie die befohlene Abfahrtszeit einhalten, um sowohl rechtzeitig durch festgelegte Durchlaufpunkte zu fahren und ihr Ziel zu erreichen. Jegliche Verzögerung kann den Ablauf durcheinanderbringen.
Ein Abweichen von einer der Festlegungen kann bereits dazu führen, dass ein neuer Marschkredit erforderlich wird. Das ist beispielsweise der Fall, wenn anstelle eines Kampfpanzers Leopard 2 A6 ein Schützenpanzer Puma mit einem Schwerlasttransport an einen anderen Bundeswehrstandort gebracht werden soll. Obwohl es sich bei beiden Fahrzeugen um Panzer handelt, so stimmen sie weder in ihren Maßen noch in ihrem Gewicht überein. Der bestehende Marschkredit deckt eine solche Änderung also nicht ab.
Kommt es während der Fahrt zu einem Unfall oder bleibt ein Fahrzeug liegen, so setzen die nicht betroffenen Fahrzeuge ihre Route fort. Das liegengebliebene Fahrzeug verbleibt vor Ort, bis es durch einen Instandsetzungstrupp repariert wurde und anschließend allein weiterfahren kann. Sollte die Instandsetzung vor Ort nicht möglich sein, wird das defekte Fahrzeug bis in die nächste geeignete Liegenschaft der Bundeswehr verbracht. Die Marschkreditnummer bleibt in diesem Fall dieselbe.
Auch wenn die Beantragung von Marschkrediten erst einmal einen höheren administrativen Aufwand darstellt, so haben sie doch entscheidende Vorteile. Sie bieten den Fahrzeugführenden eine größere Sicherheit bei der Planung und beim eigentlichen Transport und schützen damit den üblichen Straßenverkehr vor Behinderungen. Zudem gehen sie auch in die Ermittlung der Straßenbelastungen ein, wodurch eine zeitgerechte Instandhaltung erfolgen kann.