Standhafter Bär: Multinationale Truppenverlegungen neu denken
Standhafter Bär: Multinationale Truppenverlegungen neu denken
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 3 MIN
Bei Truppenverlegungen nach und durch Europa fungiert Deutschland als logistische Drehscheibe. Der Transport von Truppen und Material muss genau geplant und gesteuert werden. Nur so stehen am Ende einer Verlegung einsatzfähige Streitkräfte im Zielgebiet bereit. Die erforderlichen Planungsprozesse waren Inhalt der Gefechtsstandübung Standhafter Bär.
„Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen und zugleich traditionellen Aufgabenschwerpunkt unserer Streitkräfte: Die Landes- und Bündnisverteidigung ist wieder in den Vordergrund gerückt. Die Zeitenwende betrifft aber nicht nur Truppenstärken und Ausrüstung. Sie muss in den Gefechtsständen gedacht werden“, betonte Generalmajor Andreas Henne, der stellvertretende Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, zum Abschluss der Gefechtsstandübung Standhafter Bär 23 Ende Juni in Berlin.
Versorgung befreundeter Streitkräfte
Geübt wurde die Planung und Koordination schneller Truppenverlegungen durch Deutschland im Bündnisfall. Im Schwerpunkt standen dabei die Aufnahme und Anschlussverlegung transatlantischer Verstärkungskräfte und der so genannte Host Nation Support, also die Unterstützung, Begleitung und Versorgung der Streitkräfte befreundeter Nationen. Denn nur wenn eigene Streitkräfte ebenso wie transatlantische Verstärkungskräfte schnell in ein Konfliktgebiet verlegen und dort voll ausgerüstet gegen einen Aggressor vorgehen können, kann Abschreckung glaubhaft und Verteidigung wirksam sein.
Für komplexe, multinationale Verlegungen wurden daher Konzepte und Prozessabläufe entwickelt, Herausforderungen und Lösungsansätze aufgezeigt. Unter Leitung des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr arbeiteten die Führungskräfte der 16 Landeskommandos der Bundeswehr dabei mit Expertinnen und Experten aus Polizei, Feuerwehr und den Innenministerien der Länder zusammen. Denn die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen großer Truppenverlegungen lassen sich nur ressort- und länderübergreifend bewältigen.
Drehscheibe Deutschland: Schnelle Aufnahme, nahtloser Transit
Durch seine geographische Lage in der Mitte Europas übernimmt Deutschland eine Schlüsselfunktion als logistische Drehscheibe für die Verstärkungskräfte der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner. Im Bündnisfall bedeutet das: In kürzester Zeit kommen auf dem See-, Land- und Luftweg Soldatinnen und Soldaten verschiedener Nationen, deren persönliche Ausrüstung, Fahrzeuge, Gerät, Munition und Versorgungsgüter auf dem Bundesgebiet an.
So schnell wie möglich müssen Mensch und Material dann an einem Sammelpunkt zusammengeführt und weiterverlegt werden. Jedes Team muss passgenau sein Gefechtsfahrzeug und seine Ausrüstung erhalten – ohne Suchen und Sortieren: ein Prozess, der bei tausenden Soldatinnen und Soldaten und zehntausenden Containern und Tonnen Material, präzise geplant und gesteuert werden muss. Denn bereits eine kleine Verzögerung kann weitreichende Auswirkungen auf alle Kräfte vor Ort haben. Dies würde das Ziel, eine möglichst schnelle Weiterverlegung der ankommenden Streitkräfte, gefährden. Hier sind die jeweiligen Landeskommandos gefragt: Denn hier laufen die Fäden der Planungsprozesse – militärisch und zivil – zusammen.
Host Nation Support: Zivile Infrastruktur mitnutzen
Auch der so genannte Host Nation Support wurde ausgeplant. Immer wenn ausländische Streitkräfte die Bundesrepublik durchqueren, benötigen sie diese vielfältige, nicht nur logistische Unterstützung. Die Übungsteilnehmerinnen und -teilnehmer planten mögliche Routenverläufe für den Transit von Partnerstreitkräfte aus.
Dabei ging es nicht allein um die optimale Streckenführung, zum Beispiel weil Baustellen umfahren oder Brückenlasten zu beachten sind. Die Soldatinnen und Soldaten müssen auch entlang der Strecke untergebracht, verpflegt und gegebenenfalls medizinisch versorgt werden. Die Möglichkeit, Fahrzeuge zu tanken oder auch zu reparieren, muss ebenso eingeplant werden. Denn ein Militärkonvoi kann schon aus Gründen der militärischen Sicherheit nicht einfach an einer Raststätte Pause machen, selbst wenn sie groß genug wäre. Auch können nicht überall Kasernen oder Übungsplätze angefahren werden.
Die Übungsteilnehmenden suchten somit nach geeigneter ziviler Infrastruktur wie Fabrikgeländen, Lagerhallen oder Großparkplätzen, um Versorgungspunkte für ausländische Truppen auf ihrem Marsch durch Deutschland schaffen zu können. Personal- und Materialaufwand wurden kalkuliert, aber auch Ausweichrouten und -punkte geplant, falls eine Strecke nicht befahrbar ist, beispielsweise aus Witterungsgründen oder durch Sabotage.
Mehr als ein Planspiel: Praxistest im Jahr 2024
Die Übung Standhafter Bär 23 war dabei mehr als ein theoretisches Planspiel. Sie diente der direkten Vorbereitung für zwei 2024 anstehende Großübungen: Steadfast Defender, eine großangelegte Verlegeübung USUnited States-amerikanischer Streitkräfte nach und durch Europa, sowie Quadriga 24, ein multinational ausgerichtetes Übungscluster der Bundeswehr mit mehreren 10.000 beteiligten Soldatinnen und Soldaten. So müssen sich die Planungen und Prozesse, die bei Standhafter Bär 23 entwickelt wurden und in den kommenden Monaten weiter ausgearbeitet werden, dann im Praxistest beweisen. Noch bestehende Fähigkeitslücken können so schnell identifiziert und behoben werden.