Stresstest

Schießen, Sichern, Bergen: Hier zeigen angehende Heimatschützer, was sie können

Schießen, Sichern, Bergen: Hier zeigen angehende Heimatschützer, was sie können

Datum:
Ort:
Münster
Lesedauer:
4 MIN

Drei Monate haben 30 Soldatinnen und Soldaten während der Spezialgrundausbildung Heimatschutz hart an sich gearbeitet. Bei einer großen Abschlussübung auf dem Truppenübungsplatz Münster-Handorf müssen sie zeigen, ob sie das soldatische Handwerk beherrschen.

Soldatinnen und Soldaten sitzen auf einem Übungsplatz auf ihren Rucksäcken

Eine Nacht im Biwak haben die Soldatinnen und Soldaten schon hinter sich, jetzt werden sie in eine neue Lage eingewiesen: Irreguläre Kräfte wurden gesichtet, mit Störversuchen und Angriffen ist zu rechnen

Bundeswehr/Andrea Hilscher

Es ist kalt, die Uniform ist nach einer Regennacht im Biwak klamm und feucht. 30 freiwillig Wehrdienstleistende im Heimatschutz müssen bei ihrer Abschlussübung zeigen, was sie in den vergangenen drei Monaten gelernt haben. Dass eine Nacht im Biwak dazugehört, war den jungen Frauen und Männern klar, dass sie wenig Schlaf bekommen werden, auch. Doch dass sie noch vor dem Morgengrauen packen und alle Spuren des Biwaks verwischen müssen, hat sie dann doch überrascht.

Die Lage, in der sie üben, hat sich verändert: Nach dem fiktiven Angriff auf einen NATO-Staat war bereits vor einigen Wochen der Bündnisfall ausgerufen und waren bundesweit alle Heimatschutzregimenter in Alarmbereitschaft versetzt worden. Ihre Aufgabe: der Schutz von Kasernen und kritischer Infrastruktur im rückwärtigen Raum, also im eigentlich noch friedlichen Deutschland.

„Aber trotzdem macht es Spaß“

Im Raum Münster haben Störer, so die Lage, Nachschubkonvois angegriffen. Die irregulären Kämpfer wollen jetzt mit Waffengewalt in die Kaserne eindringen.  Ausspähversuche wurden bereits festgestellt. Für die Heimatschutzkräfte heißt das: Sie müssen fünf Kilometer marschieren, dann einen Alarmposten beziehen, Streife gehen und wachsam bleiben. Nicht ganz einfach nach einer fast durchwachten Nacht.

„Aber trotzdem macht es Spaß“, sagt Gefreite Emma K.*, 18, lächelnd. Sie hat sich gleich nach dem Abitur zum freiwilligen Wehrdienst gemeldet. „Es gab schon harte Momente in der Spezialgrundausbildung. Bei minus sieben Grad bei der Waffenausbildung auf dem Boden liegen, da fängt man schon an zu frieren.“ Doch Emma K. hat durchgehalten. Jetzt gehört sie zu den Besten, sagen ihre Ausbilder. Handelt mit Übersicht, versteht die Taktiken, ist körperlich und mental fit.

Das gilt auch für ihren Kameraden Tom K.*, 19, der nach dem Abitur „einfach mal reinschnuppern“ wollte bei der Bundeswehr. Für ihn ist die wichtigste Lehre bisher: „Es ist erstaunlich, dass auch schwierigste Aufgaben im Team plötzlich gemeistert werden können.“ Kameradschaft, Disziplin, Dinge tun, ohne immer alles zu hinterfragen – das alles will er auch in die Zeit nach der Bundeswehr hinüberretten.

  • Soldatinnen und Soldaten kontrollieren ein Militärfahrzeug am Checkpoint

    Wer darf rein? Die Heimatschutzkräfte richten einen Checkpoint ein und kontrollieren jedes Fahrzeug und alle Personen, die sich dem zu schützenden Objekt nähern.

    Bundeswehr/Andrea Hilscher
  • Zwei Soldaten liegen in einer Stellung mit ihrem Gewehr im Anschlag.

    In ihrer Stellung haben die Heimatschutzkräfte genau definierte Überwachungsbereiche. Auf diese müssen sie sich konzentrieren, egal, was um sie herum geschieht.

    Bundeswehr/Andrea Hilscher
  • Ein lächelnder Soldat mit Schießbrille

    Gefreiter Tom K. nutzt eine kleine Übungspause, um sich vom Marsch zu erholen und mit den Kameraden zu sprechen

    Bundeswehr/Andrea Hilscher
  • Ein Bundeswehr-Sandkasten bildet die Gegebenheiten auf dem Übungsplatz ab.

    Das muss jede Soldatin und jeder Soldat können: aus einfachsten Hilfsmitteln eine Abbildung der Umgebung zu erstellen. Das ist wichtig, um später im Gefecht angemessen zu reagieren und zu kommunizieren.

    Bundeswehr/Andrea Hilscher
  • Soldaten marschieren durch tiefen Matsch.

    Durch die nasse Witterung ist der Boden aufgeweicht. Jeder Schritt durch den Matsch strengt an.

    Bundeswehr/Andrea Hilscher

Doch jetzt schickt ihn sein Gruppenführer in die Stellungen: Der Alarmposten hat vier irreguläre Kämpfer gemeldet. Emma K. und Tom K. laufen gebückt über matschige Waldwege, erreichen ihre Stellung, bringen das Gewehr in Anschlag. Der Alarmposten ruft: „Ein Störer zieht die Waffe!“. Schüsse brechen, die Störer sacken getroffen zusammen. Kurz darauf schickt der Gruppenführer, Ausbildungsfeldwebel Jens M.*, seine Sanitätskräfte und einen Sicherungstrupp zu den Verwundeten. Der Hauptfeldwebel beobachtet genau, wie sich die Soldatinnen und Soldaten im freien Gelände bewegen. Funktioniert die Sicherung? Werden alle Verwundungen erkannt und angemessen versorgt? Sind die Meldungen korrekt?

„Ich bin seit Oktober 2023 im Heimatschutzregiment, war davor in der normalen Grundausbildung eingesetzt“, sagt Hauptfeldwebel Jens M. „In der Spezialgrundausbildung sind die jungen Frauen und Männer unglaublich motiviert und die Arbeit mit ihnen macht wirklich Freude.“ Doch für die Ausbildenden gebe es auch große Herausforderungen. „Wir bereiten hier auch auf den Einsatz gegen irreguläre Kräfte vor, in einer ansonsten vielleicht friedlichen Umgebung. Da muss man sehr klar trennen, wer will wirklich gegen uns vorgehen und wer ist nur unbeteiligter Zivilist.“

Positives Feedback, konstruktive Kritik

Nach Abschluss der Übungseinheit bewerten der Leitende und der Gruppenführer die Leistungen. Sie loben die schnelle Reaktion nach dem Auftauchen der irregulären Kämpfer, das Befolgen der Befehle, die Konzentration auf die eigenen Aufgaben. „Auch bei der Verwundetenversorgung habt ihr die Taktik verstanden“, lobt der Ausbilder. „Sicherheit vor Schnelligkeit.“ Besser laufen sollte die Kommunikation. Das „kleine Kampfgespräch“ – die gegenseitigen Absprachen in den Stellungen – kann noch verbessert werden. Insgesamt aber: „Tolle Leistung.“

Am Nachmittag durchlaufen alle Gruppen nochmals ähnliche Lagen und können dann beweisen, dass sie Kritik auch umsetzen können. Trotz müder Knochen, nasser Kleidung und Schlafmangel geben alle ihr Bestes – und sind froh, als es irgendwann endlich heißt: „Gepäcke aufnehmen, wir marschieren zurück zur Kaserne.“

*Namen zum Schutz der Personen abgekürzt.

von Andrea Hilscher

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