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National Guardian: Mehr als nur eine Übung

National Guardian: Mehr als nur eine Übung

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Bei der Übungsserie National Guardian trainierten kürzlich bundesweit die Heimatschutzkräfte ihren Kernauftrag: den Schutz und die Sicherung verteidigungswichtiger Infrastruktur wie Munitionslager, Seehäfen und Rastpunkte. Die Übung war zugleich Realunterstützung der verlegenden Streitkräfte für die NATO-Großübung Steadfast Defender.

Ein Soldat steht auf einer Pier und spricht in ein Mikrofon. Hinter ihm stehen mehrere Militärangehörige angetreten.

Generalleutnant André Bodemann besucht den Seehafen in Rostock – eine Station der Übung National Guardian – und spricht über die geänderten Anforderungen im Heimatschutz

Bundeswehr

Generalleutnant André Bodemann ist Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr in Berlin und Nationaler Territorialer Befehlshaber. Er verantwortet damit die bundesweite Übungsserie der Heimatschützerinnen und -schützer. Im Interview fasst der General die Übung zusammen und zieht Bilanz zur weiteren Aufstellung einer einsatzfähigen Reserve. 

Herr General, welche Erkenntnisse konnten Sie aus dem Übungsgeschehen gewinnen?

Hauptsächlich sind es drei Erkenntnisse. Zum einen ist National Guardian ein Teilausschnitt des Operationsplans Deutschland. Sprich, mit der Übung wollten wir insbesondere überprüfen, wie gut die darin vorgesehene Unterstützung der Heimatschutzkräfte für die aktive Truppe in der Praxis funktioniert. Und dies ist grundsätzlich gelungen. Die zweite Erkenntnis ist die hohe Relevanz des Regionalitätsprinzips im Heimatschutz. Menschen, die sich für den Dienst im Heimatschutz interessieren, möchten genau das: ihre Heimat schützen, in der sie leben und arbeiten, in der sie erkunden und üben können. Und hiermit hängt die dritte Erkenntnis direkt zusammen – die erlebbare große Motivation, mit der diese Menschen ihrem Dienst im Heimatschutz nachgehen.

Welchen Eindruck haben Sie von den Menschen, die Sie bei der Übung treffen durften?

Mit diesen Menschen an den verschiedenen Standorten zu sprechen, in ihre Gesichter zu schauen und die hohe Motivation, aber auch die Vielfalt zu sehen, war toll. So traf ich eine 19-jährige Heimatschützerin, die Medizin studiert, Chirurgin werden will und sich zugleich bei uns als Sicherungssoldatin engagiert. Aber auch einen 59-jährigen Soldaten – in einem Lebensalter, in dem ich selbst bin –, der in den 1980er Jahren sogar den Wehrdienst verweigert hat und jetzt aufgrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage gesagt hat: „Ich möchte jetzt etwas für mein Land tun, zum Schutz unserer Freiheit und Demokratie beitragen“. Diese Spannung, die Vielfalt der Menschen, das macht Heimatschutz in der Bundeswehr aus. 

Auf einem Zug stehen mehrere militärische Kettenfahrzeuge. Drei Soldaten stehen daneben.

Heimatschutzkräfte schützen und sichern verteidigungswichtige Infrastruktur. Bei National Guardian bewachten sie den Seehafen Rostock, um das Verladen militärischen Materials sicherzustellen.

Bundeswehr/Anne Weinrich

Bei National Guardian ging es auch um die Zusammenarbeit mit zivilen Behörden und Blaulichtorganisationen. So übten die Heimatschutzkräfte mit der Landes- und Bundespolizei, mit dem Zoll, den Sanitätskräften des Roten Kreuzes, der Johanniter und der Malteser, aber auch mit den Feuerwehren und dem Technischen Hilfswerk. Hat die Zusammenarbeit funktioniert, Herr General?

Die Antwort ist eindeutig: Ja. Alle wissen, worauf es ankommt: das Zusammenspiel zwischen militärischer und ziviler Seite. Das ist genau der Kern des Geschäftes und das haben wir in verschiedenen Situationen erfolgreich geübt. Natürlich gibt es immer noch Stellschrauben, wo wir hier oder da noch etwas verändern und verbessern müssen. Aber das sind Feinheiten.

Sind die geübten Szenarien denn nah an einer möglichen Einsatzrealität?

Eindeutig Ja. Wir sind ganz nah an der Einsatzrealität und den damit verbundenen möglichen Bedrohungen. Alle Übungen von National Guardian sind explizit so angelegt worden: Schutz und Sicherung verteidigungswichtiger kritischer Infrastruktur für die strategische Verlegung eigener und multinationaler Kräfte in mögliche Einsatzräume und dabei eine enge Zusammenarbeit mit zivilen Partnern. Genauso ist es auch im Operationsplan Deutschland als Aufgabe des Heimatschutzes definiert.

Wo stehen wir momentan beim Aufbau der Heimatschutzkräfte?

Wir sind bereits relativ weit in der Aufstellung der bislang geplanten sechs Heimatschutzregimenter. Die Bewerbendenzahlen sind hoch und die personelle Aufstellung läuft insgesamt gut. Aber – zurückkommend auf das Regionalitätsprinzip – je flächendeckender und damit regionaler wir den Heimatschutz anbieten können, umso mehr Menschen können wir dafür gewinnen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen sich im Schwerpunkt regional engagieren, dort wo sie leben und arbeiten. Insofern ist es nicht nur aus den Ableitungen des Operationsplan Deutschland heraus eine Forderung, langfristig mehr als die sechs Regimenter aufzustellen. Wir müssen auch ein flächendeckendes regionales Angebot schaffen.

Drei Soldaten sitzen auf einer Tribüne

Um Bilanz ziehen zu können, schaut sich Generalleutnant Bodemann eine Vorführung der Heimatschutzkräfte in Rostock an

Bundeswehr / Anne Weinrich

Anfang April wurde entschieden, dass die Heimatschutzkräfte aufgrund ihres Wirkens in der Dimension Land künftig dem deutschen Heer zugeordnet werden. Ergeben sich hieraus Vorteile für den Heimatschutz?

Zunächst ist diese Entscheidung keine Überraschung. Auch im Operationsplan Deutschland ist vorgesehen, die Heimatschutzkräfte in der Phase zwischen Krise und Krieg dem Land Component Command und damit quasi dem Heer zu unterstellen – und das wird nun vorgezogen. Wichtig ist für mich, dass wir unsere Heimatschützerinnen und -schützer ohne „Brüche“ und Informationsverluste an das Heer übergeben.

Gibt es von Ihnen eine abschließende Botschaft an Menschen in unserem Land, die sich vielleicht auch aufgrund der veränderten Sicherheitslage für ein persönliches Engagement im Heimatschutz interessieren?

Zunächst einmal danke ich allen Menschen in Deutschland, die sich auf die eine oder andere Weise engagieren. Das kann beispielsweise beim THWTechnisches Hilfswerk, den freiwilligen Feuerwehren, beim DLRG oder eben auch als Reservistin beziehungsweise als Reservist bei der Bundeswehr sein. Ich bin überzeugt, dass der Heimatschutz gerade regional eine gute Möglichkeit bietet, sich in Deutschland den sicherpolitischen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen und unmittelbar persönlich zum Schutz dieses Landes, unserer Freiheit und Demokratie beizutragen. Ich kann alle Menschen, ob mit oder ohne Bundeswehrerfahrung, nur ermutigen, sich für den Heimatschutz zu bewerben und die Sicherheit Deutschlands mitzugestalten.

von Sina Wanninger

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