Heimatschutz

„Hier beißen die Leute sich durch – sie wollen das mit ihren Kameraden durchstehen“

„Hier beißen die Leute sich durch – sie wollen das mit ihren Kameraden durchstehen“

Datum:
Ort:
Münster
Lesedauer:
5 MIN

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Junge Menschen leisten Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz. Ehemalige Wehrpflichtige nehmen regelmäßig an Ausbildungen und Übungen teil. Die Möglichkeiten für die Reservistendienstleistenden im Heimatschutzregiment 2 in Nordrhein-Westfalen sind vielfältig. Hier berichten Reservistinnen und Reservisten über ihr Engagement.

Zwei Soldatinnen hocken in einem Waldgebiet im Laub

Gehen, kriechen, gleiten – leise bewegt sich der Spähtrupp durch das Gelände. Die Bäume tarnen die Soldaten, so dass sie nicht entdeckt werden. Ihr Ziel: Informationen über die feindlichen Kräfte sammeln.

Bundeswehr/Sabine Körtgen

Das Gelände ist unübersichtlich, die Entfernung zum Feind gering. Mit vielleicht einem Kilometer pro Stunde bewegt sich der Spähtrupp durch ein Waldstück auf dem Übungsplatz Dorbaum in Münster und nähert sich langsam einer freien Fläche. In der Ferne ist Rauch zu erkennen. Die Freiwilligen Wehrdienst Leistenden – kurz FWDLFreiwilligen Wehrdienst Leistender – im Heimatschutz stimmen sich ab: Wie bekommen sie jetzt Informationen über die feindlichen Kräfte? Als Spähtrupp erfüllen sie eine Aufgabe ihrer Abschlussübung – neben dem Betrieb eines Alarmpostens, eines Checkpoints mit einer KfzKraftfahrzeug- und Personen-Schleuse sowie der Streife.

Vielfältige Aufgaben

Vor sechs Monaten starteten die 23 Soldatinnen und Soldaten mit der Grundausbildung. Seit drei Monaten werden sie im Heimatschutzregiment 2 in Münster ausgebildet, erhalten hier die Spezialisierung für ihre zukünftigen Aufgaben als Heimatschutzkräfte. Dazu zählen etwa der Schutz kritischer Infrastruktur und die Unterstützung von Bündnispartnern im Rahmen des sogenannten Host Nation Supports.

Dieses Szenario ist auch die fiktive Lage für die Abschlussübung: Ein Staat hat einen unserer Bündnispartner angegriffen, Artikel 5 des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Vertrags, der Bündnisfall, wurde ausgerufen – jetzt verlegen alliierte Streitkräfte durch Deutschland in ihren Einsatzraum im Osten. Aufgabe der Heimatschutzkräfte ist nun die Sicherung der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Marschroute und der Versorgungswege. Sie werden dafür ausgebildet, immer auch auf Zivilpersonen zu treffen. Ist der Jogger jetzt wirklich Freund – oder vielleicht doch Feind? Freundliches, wenn auch bestimmtes Auftreten ist für die Heimatschutzkräfte enorm wichtig.

Erst Heimatschutz, dann Polizei

Bei kühlen fünf Grad harrte Gefreiter Evi B. (18) bis eben im Alarmposten aus. Die junge Frau startete direkt nach dem Abitur bei der Bundeswehr: „Mein Vater hat mir den Freiwilligen Wehrdienst vorgeschlagen.“ Eigentlich hatte die 18-Jährige schon eine Einstellungszusage für die Ausbildung mit dualem Studium bei der Polizei. „Aber den Termin habe ich um ein Jahr verschoben, weil ich gerne mit einer Freundin für einige Monate ins Ausland möchte.“ Für den Trip wollte sie Geld verdienen, aber eben mit einer sinnvollen Aufgabe: „Für mich ist der Heimatschutz eine gute Sache. Auch, weil ich danach zur Polizei gehe.“ Ein Highlight in den vergangenen Monaten war für sie das Feierliche Gelöbnis. Auch die anstrengenden Eilmärsche mit Gepäck meisterte die junge Frau souverän. Wann sie an ihre Grenzen kommt? „Mental nervenzehrend wird es in den kalten Nächten draußen. Wenn wir schon alle Klamotten anziehen und trotzdem nichts mehr hilft.“

Heimatschutzkräfte, Reservistendienstleistende im Heimatschutzregiment oder einem der zahlreichen Verbindungskommandos im Bundesland – sie alle engagieren sich freiwillig und sind eine wertvolle Unterstützung für die Bundeswehr im jeweiligen Bundesland. „Wir haben Vorteile, was die zivil-militärische Zusammenarbeit angeht“, weiß Feldwebel Roman K. (41). Der Justizvollzugsbeamte aus Bottrop ist in der Heimatschutzkompanie Ruhrgebiet beordert, war Wehrpflichtiger und übt seit vielen Jahren regelmäßig: „Früher gab es das Prinzip „Reservisten bilden Reservisten aus“ – das hat Vor- und Nachteile. Für mich sehe ich eher die Nachteile. Also nicht in der Kameradschaft, aber im Ausbildungsstand. Wenn jemand sechs Wochen im Jahr Soldat ist, kann er gar nicht die Ausbildungshöhe eines Berufs- oder Zeitsoldaten haben und weitergeben.“

Eine Soldatin steht mit einem Gewehr im Wald

Im Frühjahr 2025 will Gefreiter Evi B. (18) für einige Monate nach Süd-Ostasien. Im September startet dann ihre Ausbildung bei der Polizei. Die freie Zeit nutzt sie als Freiwilligen Wehrdienst Leistende im Heimatschutz.

Bundeswehr/Sabine Körtgen
Ein Soldat in Uniform steht auf einem Übungsplatz der Bundeswehr

Feldwebel Roman K. ist Angehöriger des Heimatschutzregiments 2. In Münster unterstützte der Familienvater die Abschlussübung, übernahm mit seiner Gruppe den Checkpoint.

Bundeswehr/Sabine Körtgen

Entlastung der aktiven Truppe

In Münster unterstützt der Familienvater die Abschlussübung, hat mit seiner Gruppe den Checkpoint übernommen. „Ich bin Zivilist. Ich denke, wir sind sehr gut darin, wie wir mit unseren zivilen Bürgern umgehen. Denn wir sind Zivilisten und tauschen dann nur die Rolle. Da können wir die aktive Truppe sehr gut entlasten.“ Feldwebel K. weiß, welche Vorteile die Heimatschutzkräfte bieten: „Mein Schwerpunkt im Heimatschutz sind Katastrophenlagen wie Hochwasser. Ebenso der Schutz kritischer Infrastruktur – besonders bei der hybriden Kriegsführung, die wir erleben. Oder der Host Nation Support – wenn Konvois etwa von Vlissingen an die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke verlegen. Diese Aufgaben müssen Soldaten übernehmen. Aber wenn ich die Wahl habe: Für mich ist ein aktiver Panzergrenadier eine Hochwert-Ressource mit einer intensiven, mehrjährigen Ausbildung und Hochwert-Material – den würde ich so etwas nicht machen lassen. Da kommen eben wir ins Spiel – das können Reservisten gut.“

Und natürlich braucht die Reserve Nachwuchs. Feldwebel K.: „Es reizt mich, hier mit den jungen Männern und Frauen zu üben. Ich frage sie auch immer nach ihrer Motivation, denn sie sind Freiwillige, ich war Wehrpflichtiger. Ich bin total positiv überrascht, dass hier kein Abbrecher dabei ist. Zu meiner Zeit waren viele den Herausforderungen nicht gewachsen. Hier beißen die Leute sich durch – sie wollen das mit ihren Kameraden durchstehen. Das beeindruckt mich als Familienvater, gerade wenn viele der Generation Z wenig zutrauen.“

Uni, Heimatschutz, Uni

Gefreiter Senan S. (20). ist einer, der sich der Herausforderung FWDLFreiwilligen Wehrdienst Leistender gestellt hat. Direkt nach der Schule startete er mit einem Studium, entschied sich dann aber doch für eine Pause. Der 20-jährige Bonner interessierte sich für den Arbeitgeber Bundeswehr: „Als “normaler“ FWDLFreiwilligen Wehrdienst Leistender hätte ich nicht gewusst, welche Truppengattung ich wählen soll. FWDLFreiwilligen Wehrdienst Leistender im Heimatschutz war relativ neu und hörte sich gut an: Sieben Monate bin ich aktiv, dann übe ich über sechs Jahre insgesamt mindestens weitere fünf Monate als Reservist.“ Dieses Jahr geht es für den 20-Jährigen wieder zurück an die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: „Dann mache ich mein Maschinenbau-Studium fertig.“ Aber eine Zukunft als Feldwebel oder Offizier der Reserve kann sich der Bonner gut vorstellen. Und wie reagiert sein Umfeld auf sein Engagement? „Aus meiner Familie haben einige ihren Wehrdienst gemacht. Sie meinten: Schau es Dir an. Vor allem meine Großeltern fanden es richtig gut.“

Die Unterstützung durch das private und das berufliche Umfeld ist für die Reservistendienstleistenden essenziell. Feldwebel K. stellt klar: „Wenn ich hier bin, bin ich nicht in meiner Behörde, kann kein Familienvater sein. Natürlich geht es mir besser, wenn ich weiß, zu Hause ist alles cool und auch auf der Dienststelle läuft es. Die übrigen Bediensteten machen meinetwegen mehr Überstunden.“

Ein Soldat steht mit seiner Waffe und seiner Ausrüstung im Wald.

Gefreiter Senan S. über einen seiner härtesten Momente: „Während der Abschlussübung in der Grundausbildung hieß es nach 20 Kilometern Marsch noch „Marsch, Marsch“ – also ging es noch einmal 500 Meter im Laufschritt weiter. Das war grenzwertig.“

Bundeswehr/Sabine Körtgen

Dauerhafte Unterstützung

Oberstabsgefreiter Luis H. (30) übt seit Juni 2024 im Heimatschutzregiment 2 in Münster. Der frühere Zeitsoldat darf bis zu zehn Monate pro Jahr üben und nutzt diese Möglichkeit. Nach der Schule machte der 30-Jährige eine Ausbildung als Fachverkäufer in einer Fleischerei. Allerdings war das für ihn nicht der richtige Beruf. Oberstabsgefreiter H. ging zur Bundeswehr: „Nach der Grundausbildung war ich bei den Fallschirmjägern in Zweibrücken, dann in Augustdorf im Versorgungsbataillon.“ Zuletzt unterstützte er die Grundausbildung in Ahlen. Auch in Münster ist er in der Ausbildungsunterstützung tätig. Zur Kameradschaft sagt er: „Wir sind hier Freunde geworden. Wir helfen uns alle überall gegenseitig. Und das ist wirklich unfassbar toll.“

von Sabine Körtgen

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