Heimatschutz: vom Lehramtsstudenten zum Uniformträger
Heimatschutz: vom Lehramtsstudenten zum Uniformträger
- Datum:
- Ort:
- Rostock
- Lesedauer:
- 5 MIN
Freiwillig Wehrdienstleistende im Heimatschutz unterstützen die aktive Truppe in den verschiedensten Szenarien. Diese reichen von lokalen Amtshilfeeinsätzen wie bei Schneekatastrophen oder Waldbänden bis hin zu Aufgaben während eines potenziellen Bündnis- oder Verteidigungsfalles.
Oberstabsgefreiter Willibald K. ist einer von ihnen. Der 25-Jährige hat soeben sein Lehramtsstudium für Mathematik und Geschichte beendet und wird im August 2024 seinen Vorbereitungsdienst voraussichtlich in einer Schule in Mecklenburg-Vorpommern beginnen. Seit nunmehr vier Jahren engagiert sich der angehende Lehrer aber auch im Heimatschutz.
Während der Übung National Guardian sicherte Willibald K. mit seinen Kameradinnen und Kameraden der Heimatschutzkompanie unter anderem den Seehafen in Rostock, der bei der strategischen Verlegung deutscher und alliierter Streitkräfte im Ostseeraum eine Schlüsselfunktion einnimmt. Im Interview spricht Willibald K. über seine Erlebnisse, Erfahrungen und Motivation.
Herr K., erinnern Sie sich noch, wie Sie zum Heimatschutz gekommen sind?
Als 2018 mein Freiwilliger Wehrdienst im Jägerbataillon 413, im Materialbewirtschaftungszug, regulär zu Ende gegangen ist, habe ich mich zunächst auf mein Studium konzentriert und für zwei Jahre nichts mehr mit der Bundeswehr zu tun gehabt. Dann kam die Sehnsucht allerdings zurück und ich wollte wieder dabei sein und meinen Beitrag leisten. Also entschied ich mich vor etwa vier Jahren – hauptsächlich innerhalb der Semesterferien oder zu Beginn der Semester – an militärischen Übungen teilzunehmen.
Gibt es einen speziellen Grund, warum Sie sich gerade für den Heimatschutz entschieden haben?
Durch mein Studium ist es mir nicht möglich, unendlich viel Zeit aufzubringen. Also stellte sich mir die Frage, mich zum Reserveoffizier ausbilden zu lassen, gar nicht erst. Im Heimatschutz kann ich meinen Beitrag für die Sicherheit und die Freiheit Deutschlands leisten und das in einem für mich realisierbaren Rahmen: also zwei Wochen oder ein paar Wochenenden im Jahr. Außerdem wollte ich kein Stabsdienstsoldat werden, denn ich sitze schon während meines Studiums genug am Schreibtisch. Der Heimatschutz bietet mir genau das – draußen sein vom Dienst an der Waffe bis hin zum Objektschutz – und das mit regionalem Bezug und mit den gleichen Kameradinnen und Kameraden an meiner Seite.
Sie sprachen soeben den Regionalbezug an. Wenn es um Amtshilfe geht, werden die Heimatschutzkräfte als erste einberufen. Zwar sind Sie dann vorrangig im eigenen Bundesland tätig, aber können Sie sich auch vorstellen, in Bayern Schnee von den Dächern zu schaufeln?
Für mich wäre es auch kein Problem, im Bayern meinen Dienst zu tun. Auch dafür stehe ich selbstverständlich zur Verfügung. Allerdings kommen die Amtshilfeeinsätze meistens sehr kurzfristig und das lässt sich für mich dann wiederum schwer umsetzen, wenn es mitten in einem Semester heißt: „Am Wochenende geht es los“. Die Amtshilfe selbst ist auch nicht mein vorrangiger Beweggrund, Teil einer Heimatschutzkompanie zu sein. Früher wurde es noch sehr stark betont, dass es um die helfenden Hände geht, die schnell mit anpacken. Aber für mich zählt da in erster Linie die Herstellung der Verteidigungsbereitschaft meines Heimatlandes.
Wie viele Tage nehmen Sie denn im Schnitt pro Jahr an Übungen teil?
Im vergangenen Jahr waren es ungefähr 14 Tage, die ich auf Übungen verbracht habe. Die Heimatschutzkompanie bietet immer zwei große Ausbildungswochen im Jahr an und die habe ich nach Möglichkeit auch wahrgenommen. Während des Staatsexamens oder wenn das Studium zu fordernd war, ging das natürlich nicht, aber diese zwei Wochen im Jahr versuche ich mir freizuräumen. Dieses Jahr führt die Heimatschutzkompanie zum Beispiel noch drei Ausbildungswochenenden durch. An diesen werde ich voraussichtlich teilnehmen und mich damit weiter in Übung halten.
Ob sich das dann im Referendariat alles noch so umsetzen lässt, werde ich erst noch sehen. Denn das wird in jedem Fall herausfordernd für meine Kolleginnen und Kollegen, die dann meine Stunden übernehmen müssen. Darüber hinaus muss es die Schulleitung überhaupt auch erst einmal mittragen. Aber das hoffe ich sehr.
Wenn Sie jetzt auf die Übung der vergangenen zwei Wochen zurückschauen, was sind die drei wichtigsten Dinge, die Sie für sich mitnehmen?
Das Wichtigste ist für mich die Erkenntnis, dass es körperlich schon verdammt anstrengend ist, überhaupt eine Sicherung zu stellen, wenn überhaupt noch nichts passiert ist. Natürlich habe ich es jetzt nicht das erste Mal erlebt, wie es ist, stundenlang an einem Checkpoint zu stehen. Dann aber richtig zu handeln, wenn von einem auf den nächsten Moment, nach vielen Stunden doch etwas passiert, ist schwieriger, als es von außen betrachtet erscheinen mag.
Ich habe auch noch einmal erkannt, welchen großen Respekt ich für Führungskräfte aufbringe – auch auf unteren Führungsebenen. Jeder von uns – auch die Mannschaftssoldaten – wurden während der Übung beispielsweise als Streifenführer eingeteilt. In stressigen Situationen selbst das Richtige zu tun, sich an Abläufe zu erinnern und diese dann noch korrekt auszuführen, ist das Eine. Aber welcher Aufwand es ist, mehrere Menschen so zu koordinieren, dass diese genau das tun, was man sich als eingeteilter Truppführer vorstellt, ist das Andere. Gerade dass da menschliche Entscheidungen dahinterstehen, auch wenn aus Sicht des Ausführenden die Dinge nicht so laufen, wie man es sich selbst wünscht, nehme ich auch ins Zivile mit – dafür muss man Verständnis aufbringen.
Und auch die Kameradschaft möchte ich noch einmal besonders hervorheben. In den letzten beiden Wochen haben wir eng zusammengelebt und ich konnte damit viele Kameradinnen und Kameraden noch ein Stück besser kennenlernen. Gerade mit denjenigen unter ihnen, mit denen ich sonst nicht so viel zu tun gehabt hätte, ist die Bindung noch einmal wesentlich enger geworden. Es sind Menschen aus allen Ecken der Gesellschaft, die ich sonst nie getroffen hätte. Ich hätte außerhalb der Heimatschutzkompanie nie mit einem Trockenbauer zu tun gehabt oder einem S-Bahn-Fahrer beziehungsweise einem Ingenieur. Die Erfahrung, ein kleines Rädchen in einer doch gut geschmierten Maschine zu sein und mit seiner eigenen kleinen Aufgabe einen doch wichtigen Beitrag zu einem großen Ganzen zu leisten, ist für mich gewinnbringend.