Genderperspektive als Teil der Lagebeurteilung etablieren
Genderperspektive als Teil der Lagebeurteilung etablieren
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
- Lesedauer:
- 3 MIN
Seit einem Jahr ist Sabine B. „GENAD“, also Gender Advisor, beim ST-CSpecial Training Command (Special Training Command) EUMAM UAEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine. Sie ist bislang die einzige Genderbeauftragte der Bundeswehr im Einsatz. Als Gender Advisor ist Sabine B. keine Gleichstellungsbeauftragte, sondern Analystin der Genderrollen im Einsatzgebiet.
Teil der Lagebeurteilung
Sabine B. zieht eine positive Bilanz dieser Zeit. Sie habe heute mehr Selbstbewusstsein und sei auch fachlich kompetenter geworden, um aber gleich kritisch nachzulegen, wie sehr immer noch die Ausbildung über Genderperspektiven bei den eigenen Kräften fehle. „Da sehe ich auch nach einem Jahr, wie viele Lücken wir hier noch haben“, beklagt Sabine B.
Aber ohne die relevanten Informationen lassen sich Sachverhalte nicht aus der Genderperspektive bewerten. Die Genderperspektive als etablierter Teil der Lagebeurteilung ermögliche einen besseren Schutz der eigenen Kräfte und trage zur globalen Sicherheit bei, ist sie überzeugt. Deshalb komme es darauf an, Lehren aus dem russisch-ukrainischen Krieg für die aktuelle Debatte über die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik zu ziehen – Genderperspektive inklusive.
Konflikte vermeiden
Bei EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission ist Sabine B. auch mit ganz konkreten alltäglichen Fragestellungen befasst. So gehört es zu ihren Aufgaben, mögliche Konflikte mit den Ausbilderinnen und Sprachmittlerinnen zu verhindern. „Es gab anfangs die Befürchtung, dass Zivilistinnen von ukrainischen Kräften nicht ernstgenommen werden und dass es Berührungsschwierigkeiten gibt“, sagt sie. Das habe sich aber bisher nicht bestätigt. Es werde auch kein Unterschied gemacht, ob ein Ausbilder oder eine Ausbilderin vor den ukrainischen Kräften stehe. Es werde alles dankbar angenommen.
Vorherrschende Geschlechterrollen
In der Ausbildungsmission selbst sind Frauen gleichwohl eindeutig unterrepräsentiert. Im Gegensatz zur ukrainischen Armee mit einem Frauenanteil von sechs Prozent beträgt der Frauenanteil in der Mission nur etwa zwei Prozent. „Das hängt sicherlich mit der Wehrpflicht in der Ukraine zusammen, die nur für Männer besteht“, vermutet Sabine B. und fährt fort: „Es sind die neu rekrutierten wehrpflichtigen jungen Männer, die hierhergeschickt werden, während Frauen sich nur freiwillig melden können.“
Gewalt gegen Frauen
Ihr besonderes Augenmerk richtet Sabine B. auf das Thema Gewalt gegen Frauen. Gerade in ihrer Funktion als Gender Advisor bei EUMAM UAEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine wolle sie die Gelegenheit nutzen, auf dieses Thema aufmerksam zu machen. „In jedem Konflikt steigt die Gefahr häuslicher Gewalt überproportional an“, sagt sie. Es sei bekannt, dass traumatische Fronterfahrungen im häuslichen Umfeld negativ umgesetzt werden. Frauen gelten dabei als besonders gefährdet. Die Folgen seien dramatisch, denn bei häuslicher Gewalt werde die Familie zerstört, die Keimzelle der Gesellschaft. Das sei das beträchtliche Gefährdungspotenzial von Gewalt gegen Frauen.
Wissen und Verbindungen
Als weitere Beispiele genderbasierter Gewalt nennt sie die Gewalt gegen Frauen und Kinder, die sexualisierte Gewalt und die Gewalt in Fluchtsituationen. „Es sind meistens Frauen, die flüchten“, sagt Sabine B. und fährt fort: „Flucht ist immer ein Gewaltkontext.'' Deshalb sei in der feministischen Erinnerungskultur der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ am 25. November für sie von großer Bedeutung, um auf Gewaltkontexte aufmerksam zu machen.
„Als Gender Advisor habe ich nicht die Möglichkeit, direkte Maßnahmen zu ergreifen“, sagt Sabine B., „um beispielsweise ukrainische Behörden zu beeinflussen.“ Aber durch ihr Wissen und ihre Verbindungen könne sie dazu beitragen, dass mehr Frauen aktiv in die Friedensbemühungen und den Wiederaufbau nach dem Krieg integriert werden.