Einsatz mit Leidenschaft – die Gender Advisor des Special Training Command
Einsatz mit Leidenschaft – die Gender Advisor des Special Training Command
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
- Lesedauer:
- 4 MIN
Jüngste Einsatzerfahrungen haben gezeigt, wie wichtig die Integration der Genderperspektive für die Planung und Durchführung von militärischen Missionen ist. Sabine B. ist Expertin für Geschlechterrollen in Konfliktsituationen und als Gender Advisor für EUMAM UAEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine im Einsatz. In einem Interview erklärt sie ihre Tätigkeit und welche Bedeutung die Genderperspektive für die Mission hat.
Frau B., Sie sind als Gender Advisor für die EUEuropäische Union Military Assistance Mission in Support of Ukraine (EUMAM UAEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine) tätig. Was genau ist ein Gender Advisor?
Ich beschäftige mich sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene mit den Auswirkungen sozial konstruierter Geschlechterrollen in Konfliktsituationen und stehe der Missionsführung in analysierender und beratender Funktion zur Seite. Im Vergleich zu Gleichstellungsbeauftragten bin ich also nicht für die Bedürfnisse von Bundeswehrangehörigen zuständig, sondern analysiere die Genderrollen im Einsatzgebiet, die Auswirkungen von Konflikten auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und inwiefern Genderaspekte bei der weiteren Planung berücksichtigt werden müssen. Die Genderperspektive als Teil der Lagebeurteilung ermöglicht nicht nur einen besseren Schutz der eigenen Kräfte, sondern trägt auch zur globalen Sicherheit bei.
Seit Juli 2023 sind Sie als Gender Advisor bei EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission eingesetzt, wie wurden Sie auf diese Tätigkeit vorbereitet?
Ich komme vom Dezernat interkulturelle Einsatzberatung, das unter anderem die Tätigkeit des Gender Advisors abbildet. Aus diesem Grund verfüge ich über das notwendige kulturelle Fachwissen, um Genderrollen in unterschiedlichen Einsatzgebieten verstehen und beurteilen zu können. Zudem habe ich im Juni dieses Jahres die Ausbildung der Gender Perspektive am Nordic Center for Gender in Military Operations in Schweden besucht. Bereits wenig später ergab sich die Möglichkeit, meine Fähigkeiten als Gender Advisor für EUMAM UAEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine zum Einsatz zu bringen.
Welche Aufgaben haben Sie im Rahmen von EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission und welche Aspekte des Ukrainekonfliktes sind für Ihre Arbeit von besonderem Interesse?
Als Gender Advisor bei EUMAM UAEuropean Union Military Assistance Mission Ukraine beziehen sich meine Analysen auf die ukrainischen Streitkräfte und gesellschaftliche Veränderungen in der Ukraine aufgrund der Kampfhandlungen. Grundsätzlich kann man in der Ukraine, wie auch in anderen Konflikten, die Aktualisierung der Geschlechterrollen beobachten: Männer werden zum Militärdienst eingezogen und müssen an der Front kämpfen, während Frauen und Kinder das Land verlassen dürfen. Dabei wird in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch häufig außer Acht gelassen, dass die Ukraine tatsächlich eine starke Vertretung an Frauen in den Streitkräften hat – derzeit ca. 60.000. Auf Basis der Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ wurde durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bereits im Jahr 2000 die Bedeutung von Frauen in Friedensprozessen betont. Zur angemessenen Umsetzung dieser Resolution ist es von entscheidender Bedeutung, die Genderperspektive in die Planung und Durchführung militärischer Operationen zu integrieren. Zu meinen derzeitigen Analyseaufgaben gehört neben der sexuellen und genderbasierten Gewalt im Konflikt auch die Traumatisierung durch den Krieg sowie der Anstieg an häuslicher Gewalt. All diese Faktoren wirken sich destabilisierend auf die ukrainische Gesellschaft aus. Die Verbindungen zwischen der Interkulturellen Einsatzberatung und meiner Tätigkeit als Gender Advisor sind dabei offensichtlich. Obwohl mein Fokus auf der Genderperspektive liegt, dürfen auch kulturelle Aspekte bei der Analyse nicht übersehen werden. Daher beschäftige ich mich auch mit den Auswirkungen russischer Propaganda auf die ukrainische Gesellschaft sowie der Ausgrenzung von Minderheiten bei Ressourcenknappheit.
Welche Ziele haben Sie bisher schon erreicht und was wollen Sie in Zukunft mit ihrer Arbeit erreichen?
Mein Hauptaugenmerk lag in den vergangenen Monaten darauf, die bislang eher unbekannte Fähigkeit des Gender Advisor in der Bundeswehr zu implementieren und die Missionsführung für die Genderperspektive zu sensibilisieren. So erhalte ich mittlerweile den nötigen Input für meine Arbeit und kann meine Expertise bei Bedarf zielführend einbringen. In Zukunft möchte ich hier mein Möglichstes tun, um zur Beendigung des Konfliktes beizutragen. Dabei spreche ich ganz bewusst von Konflikt und nicht von Krieg, da ein Konflikt auch immer über den Krieg hinausgeht. Konkret bedeutet das, den destabilisierenden Faktoren entgegenzuwirken und die Ukraine auf ihrem Weg zu einem souveränen Staat mit einer stabilen Gesellschaft zu unterstützen.
Wie können diese Ziele in der Praxis umgesetzt werden?
Als Gender Advisor habe ich nicht die Möglichkeit, direkte Maßnahmen zu ergreifen, um beispielweise ukrainische Behörden zu beeinflussen, da dies einen Angriff auf die Souveränität der Ukraine bedeuten würde. Allerdings stehe ich in engem Kontakt mit der internationalen Community der Gender Advisor und kann hier aus meiner Perspektive meine Gedanken einbringen. Zudem kann ich durch mein Wissen und meine Verbindungen dazu beitragen, dass mehr Frauen aktiv in die Friedensbemühungen und den Wiederaufbau der Gesellschaft nach dem Krieg integriert werden.