Bundeswehr bildet ukrainische Soldatinnen und Soldaten in ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr aus
Bundeswehr bildet ukrainische Soldatinnen und Soldaten in ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr aus
- Datum:
- Ort:
- Strausberg
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Was haben das Dekontaminieren von Lkw und das Atomkraftwerk von Saporischschja, der Bruch des Kachowka-Staudamms und die Ausbildungsmission EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission für ukrainische Streitkräfte miteinander zu tun? Hauptmann Yevhen, ein Soldat aus der Ukraine, gibt die Antwort.
Der Offizier ist der Anführer von knapp drei Dutzend ukrainischer Soldatinnen und Soldaten, die für drei Wochen bei der EUEuropäische Union-Ausbildungsmission EUMAMEuropean Union Military Assistance Mission sind. Sie lernen von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, was nach einem Einsatz von atomaren, biologischen oder chemischen Kampfstoffen zu tun ist. „Wenn man berücksichtigt, dass wir gerade einen Krieg gegen einen Aggressor-Staat führen, kann man den Einsatz taktischer Atomwaffen oder einen Angriff auf ein Atomkraftwerk nicht ausschließen“, sagt der ukrainische Offizier. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass Russland auch nicht vor der Vernichtung eines Staudamms und dem Verursachen einer Naturkatastrophe zurückschreckt“, begründet Hauptmann Yevhen die Notwendigkeit dieser Spezialausbildung.
Die deutschen Fähigkeiten zur ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr sind Teil der Streitkräftebasis und gelten international als führend. Die Bundesrepublik hat der Ukraine sechs Spezialfahrzeuge zur ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr übergeben. An diesen Fahrzeugen, dem sogenannten Hauptentgiftungsplatz 70 (HEP 70), findet die Ausbildung statt. Der HEP 70 wird mit seinen beiden 1.500-Liter-Tanks zur Dekontamination von Fahrzeugen eingesetzt, die atomar, biologisch oder chemisch kontaminiert wurden.
Ausbildung bei Tag und Nacht
Wir treffen die ukrainischen Kräfte zum Ende der Ausbildungszeit. In einer dreitägigen Abschlussübung sollen sie zeigen, dass sie das Gelernte beherrschen. Heiß ist es an diesen Sommertagen im Süden Bayerns, das Thermometer zeigt selbst im Schatten 30 Grad. Nachts kühlt es sich etwas ab. Doch zur Ruhe kommen die Ukrainerinnen und Ukrainer auch dann nicht. Denn die Übung läuft nachts weiter. „Heute steht ab 19 Uhr das Anrühren einer Emulsion an, danach wird dekontaminiert. Ich denke, gegen drei Uhr morgens sollten wir durch sein“, gibt Leutnant Franz W. Einblick in die nächsten Stunden. „Nachtausbildung ist ein super Instrument, denn im Dunkeln muss jeder Handgriff sitzen.“
Die Übungsinhalte unterscheiden sich nicht zwischen Tag und Nacht. Jeweils bauen die ukrainischen Militärs einen vorgeschobenen Entgiftungsplatz auf. Die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten sind konzentriert bei der Sache. Das beginnt bei der Erkundung des Einsatzraums, diesmal entlang eines Schotterwegs in hügeliger Landschaft. Rasch legt Hauptmann Yevhen fest, wo die Plätze für die Vorbehandlung, Haupt- und Nachbehandlung eingerichtet werden sollen. „Unsere Ausbilder haben uns auch die taktischen Dinge beigebracht, die es zu berücksichtigen gilt. Deshalb stehen zwei der Fahrzeuge angelehnt an Böschungen, das dritte nahe eines Waldrands, damit sie nicht so leicht aufgeklärt werden können“, erklärt Yevhen.
Dekontaminieren hilft gegen tödliche Substanzen
Schon kommt das erste Fahrzeug die Steigung zur Dekontamination hochgefahren. Es sieht ein bisschen aus wie in einer Offroad-Waschstraße. Zwei Ukrainer eilen in ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutzanzügen mit Wasserschläuchen zum Lkw und spritzen ihn gründlich ab. Der dritte Mann der HEP-Besatzung steht auf dem Fahrzeug und bedient die Technik. Wasserdampf steigt vom Fahrzeug auf, so stark brennt die Sonne. Die Ukrainer tragen Stiefel, zwei Paar Handschuhe, ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Maske und den Schutzanzug Zodiak – es muss schrecklich heiß sein in dieser Montur. Doch im Ernstfall ist sie lebenswichtig, denn einige chemische oder biologische Kampfstoffe können schon bei Hautkontakt tödlich sein.
Auch Unterboden und Dach des Fahrzeugs werden sorgfältig gereinigt. „Das läuft schon richtig gut“, beurteilt der deutsche Ausbilder. „Sie teilen sich den Lkw in L-Form auf. Einer Front und rechte Seite, einer linke Seite und Heck. Genau wie wir es beigebracht haben.“ Die Behandlungsstationen sind in jeweils fünf Minuten durchlaufen, nach der Hauptbehandlung muss die Emulsion einwirken. „Je nach Art der Kontamination erstellen wir die passende Emulsionslösung. Laut Übungsszenario ist ein chemischer Kampfstoff eingesetzt worden. Deswegen lassen wir die Lösung 15 Minuten einwirken. So haben wir das von den Ausbildern gelernt“, berichtet Hauptmann Yevhen. Nach etwas mehr als einer halben Stunde ist das erste von drei Fahrzeugen fertig dekontaminiert.
Im Krieg in der Heimat hieße das, Fahrzeug und Besatzung können wieder im Kampf gegen den russischen Überfall eingesetzt werden. Und genau darum geht es bei ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr: den Kampfwert der Gefechtsfahrzeuge wiederherstellen, trotz des Einsatzes von ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Kampfstoffen.
Bereit für den Ernstfall
Die Abschlussübung beobachtet auch der Kommandeur des ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrbataillons 750 „Baden“, dessen Frauen und Männer die Ausbildung durchführten. „In den ersten beiden Wochen wurden die unterschiedlichen Bereiche ausgebildet, die für den Einsatz der HEP 70 notwendig sind: Fahren, Dekontaminieren und Instandsetzen von Fahrzeug und Material“, erklärt Oberstleutnant Daniel Razat. „Wir haben es mit hochmotivierten Soldaten zu tun, die nicht nach acht Stunden Feierabend machen, sondern täglich und bis spät in den Abend hinein geübt und gelernt haben.“ Er ist überzeugt, dass die Ausbildung ein Erfolg ist: „Man sieht es an den Ergebnissen dieser Abschlussübung.“
Ob die Ukrainer das auch so sehen? „Ja“, sagt Hauptmann Yevhen. „Wir haben die Technik und die Taktik der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr gelernt. Wir sind bereit. Aber ich hoffe, dass der Fall nie eintritt.“