Vier Standorte - eine Führung – Oberst Dr. Wellbrink im Interview
Vier Standorte - eine Führung – Oberst Dr. Wellbrink im Interview
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Ein Team an vier Standorten. Oberst Dr. Jörg Wellbrink erzählt im Interview, wie er die ersten fünf Monate im Auslandseinsatz im Irak erlebt hat. In Deutschland berät er mit seinem Team den Amtschef des Planungsamtes der Bundeswehr. Im Norden des Iraks trägt Oberst Dr. Jörg Wellbrink die Verantwortung als Führer der deutschen Kräfte für mehr als 150 Soldatinnen und Soldaten. Sein Team ist dabei verteilt auf vier Standorte. Wie er die ersten fünf Monate im Einsatz erlebt hat, wie sein Alltag im Einsatz ist und was er aus dem Einsatz lernt, erzählt er im Interview.
Herr Oberst, wenn Sie Ihre Aufgaben im Planungsamt der Bundeswehr mit denen in Erbil vergleichen, welche Parallelen finden Sie und wo sind die größten Unterschiede?
Sowohl in Berlin als auch hier im Irak arbeite ich mit jeweils vier Teams. In Deutschland sind das meine vier Referate im Planungsamt der Bundeswehr, mit denen ich Entscheidungsgrundlagen für die Abteilung Planung im Verteidigungsministerium sowie für unseren Amtschef vorbereite. Damit wird ermöglicht, dass Rüstungsprojekte so priorisiert werden, dass die Bundeswehr optimal weiterentwickelt werden kann. Meine Teams hier im Einsatz trennen zum Teil mehr als 1.000 Kilometer. Meine Soldatinnen und Soldaten sind im Irak in Erbil, Taji und Bagdad, aber auch in Kuwait stationiert. Als militärischer Vorgesetzter ist es meine vornehmste Pflicht, die mir anvertrauten Kameradinnen und Kameraden fürsorglich zu führen, damit wir unsere Aufträge bestmöglich erfüllen können.
Welche Aufträge sind das und welche Schwerpunkte setzen Sie?
Unser gemeinsamer Auftrag hier im Irak ist die Ausbildung, Beratung und Ertüchtigung irakischer Streit- und Sicherheitskräfte. Wir bilden beispielsweise hier in der Nähe von Erbil Soldatinnen und Soldaten zu Ausbildern aus. In einem ersten Schritt erlernen die zukünftigen Ausbilder, wie man einen Unterricht plant, strukturiert und dann durchführt. Anschließend beweisen sie sich in der Praxis und dürfen in einem vier-wöchigen Kurs das Gelernte anwenden. Meine Soldaten, die zum Teil jahrelange Ausbildungserfahrung aus Deutschland mitbringen, stehen ihnen währenddessen mit Rat und Tat zur Seite. Mein aktueller persönlicher Schwerpunkt ist das sogenannte ‘Key Leader Engagement‘. Ich treffe mich mit wichtigen militärischen Persönlichkeiten der irakischen Streit- und Sicherheitskräfte. Gemeinsam sprechen wir über Reformen der Sicherheitsstrukturen, über Erfolge oder Anpassungsbedarf der von uns durchgeführten Ausbildung und über zukünftige Schritte unserer Zusammenarbeit.
Wie kann man sich Ihre typische Arbeitswoche vorstellen?
Meine Tage beginnen immer mit morgendlichen Lagebesprechungen. Dabei erhalte ich einen Überblick über die Sicherheitslage im Land und bespreche die Aufträge des Tages. Regelmäßig spreche ich in den sogenannten Führungsgesprächen mit den Vorgesetzten in Taji, Bagdad und Kuwait. Das ist mir besonders wichtig, da ich nicht vor Ort bin und so immer ein Gefühl für die Auftragslage und vor allem die Stimmung im Gesamtkontingent habe. Wöchentlich wiederkehrende Termine sind Telefonate und Videokonferenzen mit dem Kontingentführer in Jordanien oder dem Einsatzführungskommando in Potsdam. Hier in Erbil treffe ich mich mit den Partnern der anderen Nationen. Ein Beispiel ist das „Council of Colonels“. Auf Deutsch würde man sagen „das Treffen der Oberste“. Das gibt uns die Möglichkeit, unsere Aktivitäten zu synchronisieren.
Die schon erwähnten Treffen mit wichtigen militärischen Persönlichkeiten nehmen einen weiteren Teil meiner Zeit in Anspruch. Die Reisen hier im Land sind mir sehr wichtig. Denn nur so erfahre ich aus erster Hand, wie die Sicherheitslage vor Ort ist. Und zu guter Letzt besuche ich unsere Einsatzorte in Taji, Bagdad und Kuwait. Schließlich sind wir ein Team, wenn auch an vier Standorten.
Haben Sie bei dem vollen Programm noch Zeit für sich?
Die Zeit für mich finde ich zwei bis drei Mal in der Woche beim Sport in unserem Fitnessraum, oder ich nutze die Zeit für meine Hobbies. Ich versuche beispielsweise gerade, meine länger vernachlässigten Gitarrenspielkünste zu verbessern, oder ich lese und zeichne in meiner Unterkunft. Besonders wichtig sind mir die täglichen Telefonate mit meiner Frau und die wöchentlichen Gespräche mit meinem Vater.
Was nehmen Sie aus dem Einsatz mit?
Die Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz stellt die Weichen für die Lernkurve am Anfang eines Einsatzes. Was meine ich damit? Mithilfe der Auswertung strukturierter Informationen werden Erfahrungen und Wissen festgehalten und an Nachfolgende weitergegeben. Ich habe dafür einen Soldaten, der hier vor Ort Methoden entwickelt, wie man unser jetziges Wissen über den Einsatz sichert und für zukünftige Entscheidungen nutzbar macht. Hier kommen die Methoden der „Operations Research“ zum Tragen. Sie sind für mich ein Schlüssel zum Erfolg unseres Einsatzes. Ich halte mich da gerne an ein Zitat, das Beethoven zugeschrieben wird: „Sich selbst darf man nicht für so göttlich halten, dass man seine eigenen Werke nicht gelegentlich verbessern könnte."
Was beeindruckt Sie besonders?
Tagtäglich beeindrucken mich die Leistungsfähigkeit, die Belastbarkeit und vor allem die Kameradschaft meiner Soldatinnen und Soldaten. Es zeigt genau das, was wir sind: Ein Team an vier Standorten.