Operative Führung
Militärische Führung erfolgt auf drei Ebenen: strategisch, operativ und taktisch. Dabei ist operative Führung die Mittlerin und Übersetzerin zwischen den politischen Zielen der strategischen Ebene und dem taktischen Handeln vor Ort.
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Was ist Operative Führung?
Militärische Führung umfasst drei Ebenen: die strategische, die operative und die taktische. Die strategische Ebene ist die der Regierung – der Bundesregierung und des Verteidigungsministeriums – sowie des Parlaments. Sie weisen der Bundeswehr ihre Aufträge zu, und zwar im gesamten Einsatzspektrum der deutschen Streitkräfte im In- und Ausland. Dieses reicht von der Landes- und Bündnisverteidigung einschließlich Maßnahmen zur Abschreckung potenzieller Gegner über militärische Evakuierungsoperationen sowie die Amts- und Katastrophenhilfe im verfassungsrechtlichen Rahmen bis hin zum internationalen Krisenmanagement. Die politische Ebene gibt dabei das politische Ziel vor, das Verteidigungsministerium formuliert den strategischen Auftrag.
Eine Ebene tiefer verbindet die operative Ebene Strategie und Taktik. Hierfür ist das Operative Führungskommando der Bundeswehr zuständig. Die operative Führung übersetzt die Weisungen der strategischen Ebene in konkrete militärische Aufträge und schafft die Rahmenbedingungen dafür, dass die nachgeordnete taktische Ebene – Heer, Marine, Luftwaffe, der Cyber- und Informationsraum – diese erfüllen kann. Zugleich ist die operative Führung gefordert, das Verteidigungsministerium und den gesamten politisch-parlamentarischen Raum regelmäßig und anlassbezogen zu informieren und zu beraten. Hierbei stehen nicht nur die Umsetzung, sondern auch die Machbarkeit der erteilten Aufträge im Fokus. Operative Führung bedeutet auch, der politisch-strategischen Ebene zu verdeutlichen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um eine strategische Vorgabe zu erfüllen.
Die taktische Ebene führt die Aufträge aus und verantwortet dabei den Einsatz ihrer Kräfte. Sie stellt Truppen und Waffensysteme bereit, sorgt für deren Einsatzbereitschaft, erfüllt Kampf- und Versorgungsaufträge und mehr.
Priorisierung: eine Schlüsselaufgabe operativer Führung
Das Operative Führungskommando der Bundeswehr bewertet Aufträge im In- und Ausland und legt die Einzelaufträge für die taktische Ebene einschließlich Spezialkräfte fest. Außerdem legt die operative Ebene fest, wie die Teilstreitkräfte zusammenwirken, also welches Kommando die Federführung übernimmt und welches unterstützt. Sie weist Kräfte und Fähigkeiten für die Auftragserfüllung zu, zum Beispiel Luftraumüberwachung, Logistik oder sanitätsdienstliche Unterstützung.
Dabei ist die operative Führung gefordert, im Falle begrenzter Ressourcen strategische Vorgaben und zur Verfügung stehende Kräfte und Fähigkeiten so aufeinander abzustimmen, dass die geforderte Wirkung erzielt wird. Denn in der Regel laufen mehrere Operationslinien parallel. Priorisierung ist daher eine Schlüsselaufgabe operativer Führung.
Entscheidungsgrundlage Lagebild: aktuell und umfassend
Zu operativer Führung gehört auch, ein streitkräftegemeinsames Lagebild zu führen und laufend zu aktualisieren – 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahre. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Lagebilds ist, den tatsächlichen Einsatzwert und die Kampfkraft der Truppe so aktuell wie möglich zu dokumentieren. Wie viele Soldatinnen und Soldaten welcher Truppenteile sind voll ausgebildet, gesund und einsatzfähig? Wie viele Kampfpanzer stehen zur Verfügung? Wie voll sind die Treibstofflager der Kampfflieger? Wo auf den Weltmeeren befindet sich welche Fregatte der Marine?
Hinzu kommt ein möglichst umfassendes ziviles Lagebild. Dieses reicht von der aktuellen Verkehrslage bis zu Hinweisen auf mögliche Sabotageakte gegen kritische Infrastruktur: Welche Brücken sind wegen Bauarbeiten gesperrt? Welche Logistiklager ziviler Unternehmen können als Rastpunkte für militärische Verlegungen eigener und alliierter Truppen genutzt werden? Welches Schiff wählt eine ungewöhnliche Route in der Nähe sensibler Unterseedatenkabel? Welche Desinformationskampagnen werden derzeit im Internet verbreitet? Hier arbeitet das Operative Führungskommando der Bundeswehr eng mit zivilen Sicherheitsbehörden und anderen Ressorts zusammen.
Das vollständige Lagebild umfasst nicht nur Deutschland, sondern alle Einsatzgebiete, jede Mission und jeden Auftrag. Auch Informationen zu Räumen, in denen derzeit kein Auftrag wahrgenommen wird, können ins Lagebild einfließen, wenn sie Aufgaben des OpFüKdoBwOperatives Führungskommando der Bundeswehr betreffen Das Lagebild ist die Voraussetzung dafür, dass die operative Führungsebene den Überblick über verfügbare und gebundene Ressourcen und Fähigkeiten bewahren und zugleich die gleichzeitige und gleichwertige Erfüllung paralleler Aufträge sicherstellen kann. Neben der reinen Informationsbereitstellung hat dies immer auch eine technische Dimension: Operative Führung erfordert stets eine zeitgerechte und sichere Übermittlung von Informationen.
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Das Lagebild deckt alle Einsatzszenarien der Bundeswehr ab, auch die Amtshilfe wie hier nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021
Bundeswehr/Tom Twardy
Auch zivile Informationen, die Relevanz für die militärische Auftragserfüllung haben, fließen in das Gesamtlagebild ein. Beispielsweise zerstörte Brücken wie die Carola-Brücke in Dresden.
Bundeswehr/Sven RiedelOperative Führung am fiktiven Beispiel erklärt
Das Szenario
Eine Krisenregion wird durch einen Bürgerkrieg erschüttert. Irreguläre Milizen putschen gegen die gewählte Regierung. Menschen fliehen vor Kampfhandlungen. Versorgungswege brechen ab. Eine Hungersnot droht. In dieser Situation formulieren die Vereinten Nationen das politisch-strategische Ziel, Flüchtlingsbewegungen zu reduzieren und die betroffene Region zu stabilisieren. Die Bundeswehr wird vom Bundestag mandatiert, diesen strategischen Auftrag im Bündnis mit anderen Nationen zu erfüllen. Der Auftrag ist als robustes Mandat angelegt. Das bedeutet, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen militärischen Kampfauftrag erhalten.
Der Auftrag
Das Operative Führungskommando der Bundeswehr erhält den Auftrag, den Einsatz zu planen und zu koordinieren. Dazu zählt auch die Abstimmung mit multinationalen Partnern und den Streitkräften alliierter Nationen. Im ersten Schritt werden dabei die strategischen Ziele Stabilisierung und Fluchtursachenbekämpfung in operative Ziele überführt. Eines könnte sein, die irregulären Kräfte zu bekämpfen und auszuschalten. Hinzu kommen der Aufbau und die Sicherung von Flüchtlingslagern, um die prekäre humanitäre Lage der einheimischen Bevölkerung zu entschärfen. Dies schließt regelmäßige Versorgungskonvois ein, die die Ernährungssituation in der Region verbessern sollen. Ein weiteres operatives Ziel wäre es, die nationalen Sicherheitsinstitutionen im Land zu ertüchtigen, damit diese selbst Verantwortung übernehmen und ein Wiederaufflammen des Konflikts verhindern können.
Die Planung
Zugleich wird im Zuge der operativen Planung analysiert, welche Kräfte und Mittel – Personal, militärische Fähigkeiten und Material – erforderlich sind, um diese Ziele zu erreichen. Hier setzt das Operative Führungskommando der Bundeswehr Schwerpunkte, priorisiert verfügbare Fähigkeiten und berät das Verteidigungsministerium zu Ressourcen, Zeitansatz und Machbarkeiten. Das ist dann besonders wichtig, wenn zeitgleich weitere Aufträge erfüllt werden müssen, die Bundeswehr beispielsweise in Abschreckungsmaßnahmen an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke eingebunden ist oder über die Amtshilfe bei der Bewältigung einer Naturkatastrophe unterstützt. Als erste Ansprechstelle für UNUnited Nations, NATONorth Atlantic Treaty Organization und andere multinationale Akteure tauscht sich das Kommando zudem mit anderen an der Mission beteiligten Streitkräften befreundeter Nationen aus, um multinationale Beiträge abzustimmen und zu koordinieren.
Stehen Rahmenbedingungen und operative Ziele des Einsatzes fest, beauftragt das Operative Führungskommando der Bundeswehr die Teilstreitkräfte: Es legt die Federführung fest und weist Kräfte und Fähigkeiten zu. Während des Einsatzes hat die operative Führung die Aufgabe, die Auftragserfüllung laufend zu überwachen und abhängig von der Lageentwicklung gegebenenfalls Schwerpunkte anzupassen und Ressourcen neu zu priorisieren.
Fragen und Antworten
Wie funktioniert Führen mit Auftrag? Was ist der Unterschied zwischen taktisch, operativ und strategisch?
Antworten auf diese und andere Fragen finden Sie hier:
Operationen sind militärische Handlungen, die auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet sind und zeitlich und räumlich zusammenhängen. Unterschieden werden militärische Operationen zu Land, zur See, in der Luft, im Cyber- und Informationsraum (CIRCyber- und Informationsraum) sowie Operationen der Spezialkräfte, die alle Dimensionen umfassen können.
Zusätzlich werden militärische Operationen nach verschiedenen Merkmalen klassifiziert. Dazu zählen beispielsweise der Kräfteumfang – von einem Kleinstteam in einer CIRCyber- und Informationsraum-Operation bis hin zur gesamten Bundeswehr im Verteidigungsfall – oder der Zweck, zum Beispiel eine militärische Evakuierungsoperation. Aber auch das Gelände – der innerstädtische Orts- und Häuserkampf oder der Waldkampf – beziehungsweise der Raum – das Rote Meer, die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Nordflanke, die Sahelzone – definieren die Art einer militärischen Operation.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Intensität, das heißt die Art und der Grad militärischer Gewaltanwendung in einer Operation. Die Intensität variiert dabei von niedrig bis hoch, von bloßer Präsenz der Streitkräfte zur Abschreckung bis zu intensiven Gefechtshandlungen mit allen verfügbaren Kräften in der Verteidigung.
Grundsätzlich gilt: Alle militärischen Operationen werden grundsätzlich auf allen Führungsebenen geführt – strategisch, operativ und taktisch. Jede Ebene hat dabei unterschiedliche Aufgaben. Erst im Zusammenwirken der verschiedenen Ebenen kann das Ziel einer Operation erreicht werden.
Führung wird in der Bundeswehr als „richtungweisendes und steuerndes Einwirken eines Menschen auf das Verhalten anderer Menschen zur Erreichung eines Ziels“ definiert. Sie umfasst die Planung, die Steuerung sowie den zielgerichteten Einsatz von militärischen Kräften, Wirkmitteln und Fähigkeiten sowie von Informationen nach Raum und Zeit.
Das bedeutet: Militärische Führerinnen und Führer treffen Entscheidungen auf der Grundlage eines möglichst umfassenden Lagebildes mit möglichst breit gestreuten, überprüfbaren Informationen aus verlässlichen Quellen. Aus dieser Entscheidung heraus weisen sie den ihnen unterstellten Soldatinnen und Soldaten einen Auftrag zu. Zugleich schaffen sie die Voraussetzungen, dass dieser Auftrag auch erfüllbar ist, indem sie ein realistisches Ziel setzen und die notwendigen Mittel zuweisen. Das können weitere militärische Kräfte sein, Waffensysteme, Munition und Versorgungsgüter, Informationen und vor allem auch Zeit.
Die Verantwortung der militärischen Führung ist unteilbar. Das gilt bei allen Führungsarten – von der Gefechtsführung im infanteristischen Kampf bis hin zur Stabsarbeit auf Kommandoebene – und in allen Führungsebenen, ob taktisch, operativ oder strategisch.
Führen mit Auftrag, außerhalb der Bundeswehr oft als Auftragstaktik bezeichnet, ist ein Leitprinzip der Inneren Führung in der Bundeswehr. Es ist in allen Führungsebenen verankert, auch in der operativen Führung.
Vereinfacht bedeutet Führen mit Auftrag: Der militärische Führer oder die Führerin gibt das Was vor, also Ziel und Rahmenbedingungen der Zielerreichung wie Zeit, Mittel und Informationen. Der oder die Geführte entscheidet selbstständig über das Wie, also den Weg zum Ziel. Das bedeutet, dass Befehle oftmals nicht einfach nur ausgeführt werden können, sondern dass ihre Umsetzung mitdenkenden Gehorsam und eigene Entscheidungen erfordert. Die Auftragstaktik unterscheidet sich damit grundlegend von der Befehlstaktik. Bei der Befehlstaktik ist jeder einzelne Schritt einer Aufgabe vorgegeben. Eigenständige Entscheidungen der geführten Soldatinnen und Soldaten sind nicht vorgesehen.
Die besondere Stärke des Führens mit Auftrag zeigt sich bei unvorhersehbaren Ereignissen und Vorfällen. Bei der Befehlstaktik muss der Geführte den Auftrag abbrechen, der militärische Führer die Lage neu bewerten und den Geführten erneut beauftragen. Die Auftragserfüllung wird verzögert oder kann – je nach Dynamik des Geschehens – unmöglich werden. Bei der Auftragstaktik übernimmt der Geführte die Lagebewertung und entscheidet über einen alternativen Weg zur Auftragserfüllung.
Führen mit Auftrag erfordert daher von der militärischen Führerin oder dem militärischen Führer die Bereitschaft, Verantwortung zu delegieren, ohne sich der Gesamtverantwortung zu entziehen. Außerdem müssen sie in der Lage sein zu akzeptieren, dass verschiedene Wege zum Ziel führen können. Die unterstellten Soldatinnen und Soldaten müssen zugleich bereit und fähig sein, den ihnen gegebenen Handlungsspielraum sinnvoll und zielgerichtet zur Auftragserfüllung zu nutzen. Die Auftragstaktik erfordert daher breitere Fähigkeiten und ein höheres Ausbildungsniveau als die reine Befehlstaktik.
Eine Strategie ist langfristig ausgerichtet und gibt ein – politisches oder militärisches – Ziel vor. Die Taktik dient dazu, ein konkretes (Teil)-Ziel zu erreichen. Dazwischen geschaltet ist die operative Ebene, die die strategischen Ziele in operative Ziele – konkrete Handlungen und Effekte – übersetzt. Wesentlich ist, dass die taktische Ebene über die erforderlichen Mittel verfügt, um die gesetzten Ziele zu erreichen, also Personal, Material und Versorgungsgüter.
Am Beispiel erklärt: Zwei Nationen geraten in einen Grenzkonflikt. Das strategische Ziel ist, diesen Konflikt für sich zu entscheiden und das eigene Staatsgebiet wirksam zu verteidigen. Dafür muss unter anderem die Lufthoheit über die betroffene Region gewonnen und behauptet werden. Um dieses operative Ziel auf der taktischen Ebene zu erreichen, sind militärische Handlungen wie Luftkampf, Flugabwehr, die Bombardierung von Flugplätzen oder die Störung von Nachschublinien erforderlich. Diese dienen dazu, militärische Effekte zu erwirken, beispielweise die gegnerische Flugabwehr auszuschalten, gegnerische Kampfflugzeuge zu vernichten oder die Treibstoff- und Ersatzteilversorgung zu unterbrechen. Parallel laufen Landoperationen des Heeres, um Gebietsgewinne feindlicher Truppen zu verhindern und die gegnerische Kräfte zu zerschlagen. Mehrere taktische Ziele führen somit zur Erreichung eines operativen Ziels, mehrere operative Ziele zur Erreichung des strategischen Gesamtziels.
Vereinfacht gesagt, schafft die operative Führung die Voraussetzungen, dass die taktische Führung ihre Aufträge erfüllen kann. Dafür übersetzt die operative Führung die Weisungen der strategischen Führung in konkrete Einzelaufträge. Zudem weist sie die militärischen Kräfte und Fähigkeiten zu, die für die Auftragserfüllung erforderlich sind. Die taktische Ebene sorgt für die Einsatzbereitschaft und führt die Aufträge aus.
In der Bundeswehr obliegt die operative Führung aller Aufträge, Einsätze und Missionen im gesamten Einsatzspektrum der Streitkräfte dem Operativen Führungskommando der Bundeswehr. Das Operative Führungskommando, stationiert in Berlin und Schwielowsee, verantwortet die nationale und streitkräftegemeinsame Operationsplanung, -führung und -auswertung.
Die strategische Führung umfasst das Verteidigungsministerium als Auftraggeberin der Streitkräfte. Sie erhält ihre Aufträge von der politischen Ebene: Bundesregierung und Bundestag. Die taktische Führung übernehmen auftragsbezogen die militärischen Teilstreitkräfte Heer, Marine, Luftwaffe sowie der Cyber- und Informationsraum, bei rein sanitätsdienstlichen Missionen das Unterstützungskommando der Bundeswehr.
Kurz gefasst: Die strategische Ebene entscheidet über den Einsatz als solches und gibt die für die Erreichung des Ziels erforderlichen Kräfte frei. Die operative Ebene setzt die Kräfte an und schafft die Rahmenbedingungen für deren Einsatz. Die taktische Ebene setzt schließlich die Kräfte ein, um militärisch-taktischen Ziele zu erreichen ein.