Zwischen Bits, Bytes und Büro – neue hybride Führung
Zwischen Bits, Bytes und Büro – neue hybride Führung
- Datum:
- Ort:
- Hamburg
- Lesedauer:
- 4 MIN
Corona wirkte wie ein Brandbeschleuniger auf die Digitalisierung der Arbeitswelt. Von einem Tag auf den anderen saßen Tausende im Homeoffice. Führungskräfte standen vor der Aufgabe, ihre Teams von einem Bildschirm aus anzuleiten und zu motivieren. Welche Kompetenzen brauchen Führungskräfte und Teams in einer hybriden Arbeitswelt?
Dieser Frage widmete sich das diesjährige Digitalforum Führen unter der Thematik „Führen in hybriden Welten – digital aber wirklich“ sechs Monate. In Berlin präsentierten 20 junge Nachwuchsführungskräfte aus Wirtschaft und Bundeswehr ihre Ergebnisse. Hybrid, versteht sich. „Durch Corona hatten wir die Digitalisierung im Zeitraffer“, sagte Sven Weickert, Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, in seiner Begrüßung. Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg und die Führungsakademie der Bundeswehr organisieren das Digitalforum Führen bereits seit acht Jahren gemeinsam. Das Mobile Arbeiten als „New Model“? Um diese Frage und die Frage, welche Einstellung Teams in einer hybriden Arbeitswelt haben müssen, ging es in diesem achten Durchgang des Digitalforums Führen. 20 Nachwuchsführungskräfte nahmen die Gäste zwischen Berlin, Hamburg und auf digitalem Weg mit auf ihre Lernreise zur Gestaltung neuer Führung.
Starkes situatives Gespür
„Was bedeutet denn hybrid?“, fragte Major Daniel Ulrich zu Anfang, Teilnehmer seitens der Führungsakademie der Bundeswehr und zugeschaltet aus der Hansestadt: „Die Gleichzeitigkeit von Präsenz und Distanz unter Einbezug digitaler Mittel und Werkzeuge.“ Und so genau gestaltete sich das vergangene halbe Jahr für ihn und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Der Fokus seiner Projektgruppe lag dabei auf dem Aspekt Führen. Dazu stellten die Teilnehmenden Dialoge zwischen Führungspersonal und Mitarbeitenden nach, an denen sie exemplarisch Schwächen und Stärken des „digitalen Führens“ aufzeigten.
„Wir arbeiten anders zusammen, wenn wir uns nur über Technologie austauschen. Es ist leichter Emotionen zu verbergen, Reaktionen in Mimik und Gestik werden weniger wahrgenommen und es kommt in Summe leichter zu Missverständnissen. Zusätzlich ist es leichter, Konflikte zu überspielen“, sagte Dr. Kim Strunk von der Universität Passau und zurzeit Reservedienstleistender an der Führungsakademie in seiner Keynote. Er verwies darauf, dass Führungskräfte ein stärkeres situatives Gespür bräuchten und dass die Aufgaben klarer gestellt werden müssten. Sozialer Austausch sei auch im digitalen Raum notwendig, resümierte auch die Projektgruppe des Digitalforums Führen.
Selbstreflexion als Schlüssel
Eine Schwierigkeit im hybriden Arbeitsumfeld sei es unter anderem, Kompetenzen der Mitarbeitenden herauszufinden und zu fördern. Das von der Projektgruppe entwickelte Kompetenzmesstool liefert ein brauchbares Werkzeug. Dies kann man auf der Seite führen.digital abrufen. Mit dem Kompetenzmesstool könne man herausfinden, welche Kompetenzen für ein hybrides Arbeitsumfeld das eigene Team bereits habe und welche man noch verbessern könnte. Es liefere dann auch Handlungsempfehlungen. Außerdem stellte das Projektteam unterschiedliche digitale Werkzeuge und Tools wie beispielsweise ein digitales Whiteboard vor, um sein Team hybrid zu führen und produktive Ergebnisse zu erzielen.
Auch das Thema Mindset wurde angesprochen. Verschiedene Störfaktoren wie eine mangelnde technische Ausstattung oder der fehlende soziale Kontakt, schreckten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab, sich in eine digitale Welt zu begeben. Wie man sich selbst und das Team dazu anregen könne, festgefahrene Strukturen zu verlassen und sich auf dieses neue, hybride Arbeitsumfeld einzulassen, dazu gab die Projektgruppe eine Reihe von Tipps. Hier sei Selbstreflexion ein Schlüssel, um sich in einem dynamischen Umfeld zu orientieren. Es sei auch Grundvoraussetzung für ein verändertes Mindset und damit die nötige Anpassungsfähigkeit.
Rechtliche Rahmenbedingungen anpassen
In der anschließenden Podiumsdiskussion tauschten sich der Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, Generalmajor Oliver Kohl, Stefan Moschko, Personalleiter und Human Resource Business Partner der Siemens AGAktiengesellschaft sowie Präsident der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg mit Fregattenkapitän Professor Dr. Stephanie Birkner, Geschäftsführerin ZUKUNFT.unternehmen gGmbH aus. Alle bestätigten einen Trend zu mehr Homeoffice – soweit dies sachgerecht sei. Durch die Pandemie habe man einen deutlichen Schub in technischer Ausstattung bekommen, bekräftigte der Kommandeur der Führungsakademie. Trotzdem betonte er, dass das ortsunabhängige Arbeiten in der Administration gut möglich, in der Lehre aber schwer umsetzbar sei. Professor Birkner verwies indes darauf, dass an der Universität Oldenburg die Lehre während der Pandemie bis zu 100 Prozent stattfand. Allerdings waren sich alle einig, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen die Tendenz zu vermehrtem Homeoffice oder ortsunabhängigen Arbeiten noch nicht wiederspiegele und hier noch Handlungsbedarf sei. Digital Arbeiten ja, aber rechtlich – beispielsweise bei Arbeitszeiten – abgesichert.
Major Jens Böhm, begleitender Tutor der Projektgruppe und Dozent an der Führungsakademie, zeigte sich begeistert von den Ergebnissen seine Schützlinge: „Das Besondere war eindeutig die Dynamik der Arbeit zwischen den Workshops, was sich ja auch eindrucksvoll bei den vielen eingesetzten Medien während der Ergebnispräsentation gezeigt hat.“ Die Herausforderungen in einem digitalen Arbeitsumfeld bleiben groß, aber die Projektgruppe gab zahlreiche Impulse und Ansätze für Führungskräfte und Teams. Die wichtigste Kompetenz, so sagte Dr. Strunk, sei aber Demut. „Der Umbruch für uns alle ist groß gewesen und es gibt noch keine Patentrezepte, wie perfektes hybrides Arbeiten aussieht. Zusätzlich gibt es sehr unterschiedliche individuelle Präferenzen. Führungskräfte brauchen Verständnis, dass es nicht eine perfekte Lösung gibt und die Bereitschaft verschiedene Wege auszuprobieren“, sagte der Wissenschaftler. Scheitern und weitermachen gehöre eindeutig dazu.