Wirtschaft und Militär gemeinsam auf dem Truppenübungsplatz
Wirtschaft und Militär gemeinsam auf dem Truppenübungsplatz
- Datum:
- Ort:
- Baumholder
- Lesedauer:
- 5 MIN
„Willkommen beim Militär“ lautete die Begrüßung und war wortwörtlich das Motto des dritten Workshops „Campus.Führen“. Bei der gemeinsamen Lernreise von zehn zivilen und zehn militärischen Führungskräften stand dieses Mal der Perspektivwechsel im Fokus.
Alle Teilnehmenden samt Lehrgangsleitenden, Mentorinnen und Mentoren schlüpften in Flecktarn-Uniform und absolvierten gemeinsam verschiedene Aufgaben auf dem Truppenübungsplatz Baumholder. Drei Tage lang heißt es: Anführen, Ausführen, Essen und Schlafen wie beim Militär. Das bedeutet zum einen viele Entbehrungen und zum anderen viele Einblicke, Erkenntnisse und damit letztlich einen hohen Erkenntnisgewinn. Die Stuben sind spartanisch und auch die Verpflegung ist zweckmäßig. Dafür sind das Miteinander, die Kameradschaft und der gegenseitige Lerneffekt allgegenwärtig.
Führen wie beim Militär
„Lassen Sie uns gemeinsam in die Welt des Militärs eintauchen. Wir wollen Ihnen mal einen Geschmack geben, was Führen unter militärischen Rahmenbedingungen bedeutet“, leitet Oberst André Abed, Direktor Strategie & Fakultäten an der Führungsakademie der Bundeswehr, in die Veranstaltung ein. „Es geht um Führen. Das passt hier wunderbar. Ich bin sicher, dass wir mit vielen Eindrücken gehen werden“ ergänzt Dr. Yvonne Zimmermann, Vorstandsvorsitzende der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG), die gemeinsam mit Abed die sechsmonatige Veranstaltung leitet.
Nach der Einkleidung folgten Impulsvorträge, die das Mindset der Bundeswehr erklären. Soldatinnen und Soldaten müssten funktional und kampfbereit sein. Das Führen unter Belastung könne nur durch regelmäßige Trainings erlernt werden. Dafür werden solche Truppenübungsplätze genutzt. Sowohl für Militär und Wirtschaft gelte: Die Leistungsfähigkeit einer schwachen Truppe kann durch gute Führung gesteigert werden, die einer starken Truppe allerdings auch durch schlechte Führung geschwächt werden. Deshalb bereite dieser dritte Workshop die jungen Führungskräfte auf das Führen in Ausnahmesituationen vor.
Der Übungstag beginnt um fünf Uhr morgens mit einem Marsch zum ersten Zielpunkt des Tages. In den zwei festgelegten Gruppen wechselt die Führungsperson nach jeder Etappe. Vorab erhalten die jeweiligen Gruppenführenden den zu erfüllenden Auftrag, der bestimmte Richtlinien beinhaltet. Dies können Zeitvorgaben, Wegeinschränkungen, Gepäckaufträge oder ähnliches sein. Erst wenn alle das erste Ziel erreicht haben, folgt als Belohnung das Frühstück im Freien. Diese Aufgabe stellt die jungen Führungskräfte vor ungewohnte Herausforderungen: Dunkelheit, Nässe, unbekanntes Gelände und eine Truppe, deren Stärken und Schwächen noch nicht bekannt sind.
Die persönlichen Grenzen kennenlernen
Bei jedem Führungswechsel erfolgt eine gemeinsame Auswertung der letzten Aufgabe und des Gruppenführenden. Was lief gut, was schlecht und wo kann optimiert werden? Da die zivilen Teilnehmenden vorwiegend führen und die militärischen folgen, tendieren die erfahrenen Soldaten zur Beraterfunktion und die jungen Führungskräfte aus der Wirtschaft müssen abwägen, ob und inwieweit sie darauf eingehen. Beispielsweise berichtet eine Gruppe im Anschluss, dass die Stimmung schnell in eine Art Wanderausflug kippte, sobald die Führung zu laissez-fair wurde.
Nach dem Marsch stand „HiBambA“, also eine Hindernisbahn mit besonderen Anforderungen, auf dem Tagesplan. Das erste Hindernis war eine 38 Meter lange Röhre mit 30 Grad Steigung. Hier sollte jeder Teilnehmende seine Ängste überwinden und bergauf durch die Röhre kriechen. „Spätestens heute hat jeder Soldat meinen Respekt“, stöhnt Marcus Hirsch beim Herauskriechen aus der Röhre. Dabei ist das erst der Auftakt für insgesamt drei Einzelhindernisse und vier Gruppenhindernisse.
Bei einer anderen Station geht‘s hoch hinaus. An einer Kletterwand steigt jeder Teilnehmende zwölf Meter auf einem Turm, lässt sich an einem Fallrohr wieder zu Boden gleiten, um direkt wieder per Leiter hinauf zu klettern. Auf dem Turm angekommen, balancieren die Führungskräfte rund 25 Meter auf einem Seil zum benachbarten Turm. Damit nicht genug: Von hier gelangt jeder auf einer 90 Meter langen Abfahrt wieder zum Boden und muss letztendlich das Seil wieder in die Ausgangsposition ziehen. Ein Kraftakt, der zudem enorme Überwindungen kostet. Spätestens jetzt ist jeder Teilnehmende an seinen persönlichen Grenzen angekommen.
Gruppendynamik entwickeln
Zur Stärkung und Belohnung steht das Gelände-Mittagessen an. Trotz geringer Plusgrade wirkt die Pause belebend. Und das braucht es auch, denn jetzt geht es an die Gruppen-Hindernisse. Beide Teams vom Tagesanfang treten gegeneinander an. Mit diesem Wettkampfgedanken sollen die Truppen weiter angespornt werden. Hier ist nicht nur Schnelligkeit, sondern auch Köpfchen und Führungsqualität gefragt. Die jeweiligen Gruppenführenden erklären den Auftrag, delegieren Aufgaben und tragen die Verantwortung für das Gelingen sowie die Unversehrtheit seiner Teammitglieder.
Unter anderem muss die Röhre erneut als Gruppe durchlaufen werden. Allerdings sind daran Gegenstände verstaut, die mit zum Ausgang befördert werden müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass während der Durchführung nicht kommuniziert werden darf und bei zwei Mitgliedern die Augen verbunden werden. Hier ist gute Vorab-Planung gefragt, die alle Eventualitäten einkalkuliert. In der Auswertung zeigt sich, dass der Auftrag zwar erfüllt wurde, aber es in der Ausführung viel Verbesserungspotential gibt. „In der zivilen Welt wird das stärkste Teammitglied immer weiter gefordert. Dann könnte er aber irgendwann der Schwächste sein. Ich habe gelernt, dass man diese Ressourcen auch sparen muss“, erklärt Otto Winkelmann nach den Gruppenarbeiten.
Bei den Führungspositionen zeigt sich, dass das laute Durchzählen auf Vollständigkeit der Gruppe mittlerweile wie selbstverständlich angewandt wird. Innerhalb der gemischten Teams ergeben sich ganz eigene Gruppendynamiken, die zwar nicht dem Militärstandard entsprechen, aber funktionieren. Beispielsweise ordnet ein frisch berufener Gruppenführer den „Zick-Zack-Lauf“ zur nächsten Station an. Wie selbstverständlich marschieren alle in versetzter Gangweise los. Die Betreuer schmunzeln und korrigieren, dass es eigentlich „Schützenreihe“ lautet.
Auswertung und Adaption
Der abenteuerliche Tag endet mit einem Vortrag von Brigadegeneral Jens Arlt, der über sein Führungsverständnis spricht und von seinem Evakuierungs-Auftrag in Kabul berichtet. Für ihn bedeute Führung: Entscheiden und Entscheidungsfreude. Gute Führung sei allerdings multidimensional: Vertrauen, Ehrlichkeit und Zuhören sind beispielsweise unter den 18 erläuterten Faktoren, die er bei seiner Arbeit stets berücksichtigt.
Der Workshop endet mit einer Auswertung. Was hat dieser Einblick ins Militär den jungen Führungskräften aus der Wirtschaft gebracht? Was nehmen sie in ihren Berufsalltag mit? Für Caroline Thompson sei die Aufgabenverteilung und Problemlösung in Teilschritten ein guter Ansatz für ihre alltägliche Arbeit. Thaddäus Clauss würde den spürbaren Teamspirit und dieses „Wir müssen das gemeinsam schaffen“, gerne mehr in seinem Berufsumfeld haben. Guido Lechtenberg findet, „dass das Militär sehr gut aufgestellt ist und sich die Wirtschaft da noch eine Scheibe abschneiden kann“.
Ich glaube, der Perspektivwechsel, dieses Mal beim Militär, mit dem Input von General Arlt und auch das Live-Erlebnis, haben gezeigt wie Führung bei der Bundeswehr verstanden wird. Es ist eine bleibende Möglichkeit dies im eigenen Führen zu implementieren.
Das Ziel: den zivilen Teilnehmern einen Einblick in die Führung unter militärischen Rahmenbedingungen zu geben ist meiner Meinung nach, unter den Bedingungen von Belastung, Regen und Kälte hervorragend gelungen.
Weitere Eindrücke vom dritten Workshop „Campus.Führen“:
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