Transkription Tacheles Folge 3 Einführung des Militärrabbinats

Transkription Tacheles Folge 3 Einführung des Militärrabbinats

Datum:
Lesedauer:
18 MIN

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Einleitung:
Über 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Wiedereinführung des Militärrabbinats in den deutschen Streitkräften. Zeit Tacheles zu reden. 

Klaus Pokatzky:
Herzlich Willkommen bei Tacheles. Heute mit Major Sebastian Pieta und Oberstleutnant Stefan Sehner und als unseren Gast, dürfen wir begrüßen Annegret Kramp Karrenbauer, Bundesministerin der Verteidigung von 2019 bis 2021. Also in der Zeit als am 28 Mai 2020 der deutsche Bundestag das Gesetz über die jüdische Militärseelsorge verabschiedete und damit die Institution des Militärrabbinats in der Bundeswehr schuf.

Frau Kramp Karrenbauer, wer hatte überhaupt die Idee dazu?

Kramp Karrenbauer:
Also die Idee hatte meine Vorgängerin Ursula von der Leyen. Unter ihr sind die Vorbereitungen getroffen worden und ich hatte dann, wenn man so will historisch gesehen, die Aufgabe und das Glück, dass was vorbereitet worden ist von ihr, dann in Form des entsprechenden Vertrages, in Form des Gesetzes und in Form des ersten Treffens mit dem Bundesmilitärrabbiner umsetzen zu können.
 

Klaus Pokatzky:
Wie sollen wir uns das vorstellen in einem Ministerium? Irgendeiner muss diese Idee ja gehabt haben.
 

Kramp Karrenbauer:
Die Debatte um die Frage Militärseelsorge, die gibt es ja schon sehr sehr  Lange und das wir christliche Militärseelsorge, katholisch, evangelisch haben, dass ist ein Brauch und eine gut geübte Tradition auch Realität und in dem Maße, wie natürlich auch die Bundeswehr selbst von den Soldatinnen und Soldaten auch unterschiedlicher werden, diverser werden was auch ihren Glauben anbelangt, ist die Frage generell entstanden: Wie gehen wir eigentlich mit anderen Glaubensrichtungen um? Und man müsse sehen, dass es eine so bis zum Ende des ersten Weltkrieges, eine große jüdische Tradition im Militär gab. 

Inklusive eben auch des entsprechenden Rabbinats. Insofern haben wir sozusagen historisch wieder an diese Zeiten angeschlossen und das macht die Einführung so zu etwas Besonderem. 

Major Pieta:
Frau Kramp Karrenbauer, das Stichwort „Diversität“ ist ja gerade schon gefallen und wir haben natürlich schon einen nicht unerheblichen Anteil an muslimischen Soldaten beispielsweise und bei den jüdischen Soldaten, habe ich mir sagen lassen, auch durch den Vorsitzenden des Bundes jüdischer Soldaten, dass die Zahl gar nicht genau beziffert werden kann, etwa um 300. 

Wie kams dazu, dass man im Grunde das man dann das Militärrabbinat eingeführt hat so schnell? 

Und gibt es Überlegungen, das Ganze mit dem muslimischen Glauben in eine Militärseelsorge gießen zu lassen?

Kramp Karrenbauer:
So, bei der Einführung habe ich sehr deutlich gemacht und habe keine Anzeichen dafür, dass sich an dieser Haltung im BMVgBundesministerium der Verteidigung etwas geändert hat, dass der nächste Schritt die Einführung auch eine entsprechende Seelsorge für muslimische Soldatinnen und Soldaten sein muss und im Übrigen, haben wir auch gleiche Anfragen etwa aus den christlich- orthodoxen Richtung. Sozusagen für die Einführung des jüdischen Militärrabbinats, hat natürlich die große Tradition, hat natürlich auch die besondere Geschichte gesprochen. Aber eben auch die Tatsache, dass sie für das Prozedere für die entsprechenden Verträge, für die entsprechenden Gesetze eben auch einen Ansprechpartner brauchen. Der lag eben bei den jüdischen Gemeinden, bei den jüdischen Organisationen vor und eines der, dieser Herausforderungen, wie es bei der muslimischen Militärseelsorge gibt, ist in der Tat die Frage: Wer ist Ansprechpartner? Mit wem schließt man so einen Vertrag ab? 

Und deshalb muss diese Frage zuerst geklärt werden, bevor wir in die weitere Umsetzung kommen können. Die ersten Erfahrungen aber aus der jüdischen Militärseelsorge, zeigen das durchaus auch viele muslimische Soldaten zum Rabbiner gehen, weil es manche Aspekte gibt, etwa was Ernährungsregeln oder Anderes anbelangt, wo sich diese Glaubensrichtungen näher sind als zum Beispiel der muslimische Glauben mit dem christlichen Glauben.

Major Pieta:
In einer Ihrer Reden haben sie gesagt, dass Sie mit der Wiedereinführung des Militärrabbinats einen wichtigen Beitrag leisten gegen den wachsenden Antisemitismus auch in der Gesellschaft, nicht nur in der Bundeswehr. Ich würde mich freuen, wenn Sie noch ein bisschen darauf eingehen würden. Sehen Sie da den Lebenskundlichen Unterricht im Schwerpunkt, oder wie glauben Sie diesen Beitrag leisten zu können?

Kramp Karrenbauer:
Der Eine Punk ist, dass wir Deutschland in der Gesellschaft und das muss man so offen und auch leider so sagen, einen wachsenden Antisemitismus haben. Aus unterschiedlichen Richtungen, es ist der Antisemitismus rechts, es ist der Antisemitismus von links in Form von sehr kritischer Auseinandersetzung und Haftbarmachung mit Blick auf die israelische Politik.

Es ist auch Antisemitismus, der aus muslimischen Umfeld kommt, also ganz verschiedene Formen und ich habe gerade vor kurzem nochmal ein Beispiel gelesen, wo jemand der jüdischen Glaubens ist erzählt hat, also erkennbar an der Kepa, dass er zum Beispiel in der Bahn schwierig angesprochen wurde, nach dem Motto „ist unser Essen nicht gut genug für euch?“, „warum esst ihr koscher?“.

Also eine Mischung aus Nichtwissen und strikter Ablehnung und die Bundeswehr ist ein Teil dieser Gesellschaft. Spiegelt auch Gesellschaft und wenn es diese Tendenzen in der Gesellschaft gibt, dann gibt es diese Tendenzen auch innerhalb der Bundeswehr und auf der anderen Seite ist es aus meiner Sicht historisch gesehen, nachwievor etwas unglaubliches, dass wir wieder jüdische Soldatinnen und Soldaten haben, die sagen: Für dieses Deutschland sie bereit ihr Leben zu Opfern. 

Und das wir mit der Seelsorge, generell mit der Seelsorge und ganz sicherlich auch mit der jüdischen Seelsorge erreichen wollen, ist zum einen: Das die Soldatinnen und Soldaten währen ihres Dienstes zuhause oder auch im Einsatz eben einen adäquaten Ansprechpartner oder Ansprechpartnerin haben, ist aber auch das alle anderen in der Bundeswehr die Erfahrung sammeln, Wissen sammeln mit Jüdinnen und Juden, die persönlichen Kontakte auch pflegen. Ich bin der festen Überzeugung jemanden als Person kennenzulernen, als Mensch kennenzulernen, seinen Glauben kennenzulernen etwas was den Vorurteilen und was Extremismus, was Antisemitismus ein Stück auch weit vorbeugt.

Klaus Pokatzky:
Wenn wir uns das jetzt nochmal vorstellen, als das ganze im Ministerium entwickelt wurde. 

Wie viele Leute waren daran beteiligt und wie lief das ganz genau ab?

Kramp Karrenbauer:
Also die Verhandlungen waren schon sehr weit fortgeschritten. Als ich das Amt übernommen habe, aber in der Retrospektive muss man sagen, es waren unglaublich viele daran beteiligt. Sind natürlich sehr sehr viele Fragen. Es beginnt bei den juristischen Fragen, es beginnt bei den finanziellen Fragen, es beginnt aber auch bei der Frage: Wie soll so ein Rabbinat aussehen? 

Nicht nur sozusagen auf der Seite des Bundesministeriums der Verteidigung, sondern es war zum Beispiel eine Frage an die jüdischen Gemeinden selbst also, wie ist es in dem Unterschied zwischen den liberalen Gemeinden und den orthodoxen Gemeinden?, Wie regelt man das?, Wie beginnt man?, Was ist der Inhalt? Und das alles musste ausverhandelt werden und insbesondere auch die Fragen innerhalb der jüdischen Gemeinden. Also waren jetzt alle orthodoxen und liberalen gleichermaßen eingebunden? Das hat uns wirklich bis in die letzten Stunden noch sehr beschäftigt und sehr rumgetrieben, dass wir das dann alles „in trockenen Tüchern“ hatten.

Da war ich auch sehr dankbar, dass insbesondere Herr Schuster da eine sehr wichtige Rolle gespielt hat, um alles an einen Tisch zu bringen und unter einen Hut zu bringen.  

Klaus Pokatzky:
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. 

Und wie waren denn so, wenn Sie das mitbekommen haben, die Reaktionen jetzt auf jüdischer Seite?

Haben die alle gesagt: „Ah wunderbar. Darauf warten wir schon ewig“ oder haben die vielleicht manchmal bisschen verhalten reagiert und gesagt: „ja was sollen wir jetzt in der Bundeswehr noch?“?

Kramp Karrenbauer:
Ich erinnere mich noch gut an einen großen Kongress in Berlin Jüdischerseits und zu diesem Anlass sind sozusagen die Verträge unterzeichnet worden und das Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt worden und das war eine unglaubliche Emotionalität in diesem Raum. Eben weil man nach einem historischen Abbruch und auch Zivilisationsbruch diese Tradition wieder anknöpfen konnte und wenn wir zum Beispiel am Volkstrauertag morgens immer als allererstes zum jüdischen Friedhof gehen, hier in Berlin um die Soldaten zu ehren, die im ersten Weltkrieg gefallen sind. Dann wird einem erst bewusst, wie groß diese Tradition war und das war ein sehr sehr bewegender Moment. Sicherlich gabs auch kritische Fragen: Ist das ausreichend?, Ist das richtig aufgesetzt? Aber wirklich im ganz großem Maßstab, hat die Emotion und die Freude und ich glaube auch das Staunen darüber, dass es möglich war, hat absolut den Raum besetzt.

Klaus Pokatzky:
Gibt es ein bestimmtes Bild das Sie davon haben, wie sich das geäußert hat?

Kramp Karrenbauer:
Ja in Gesichtern vor allen Dingen Jüdinnen und Juden die, die Verbindung nach Deutschland in die Weimarer Zeit aber auch in der Nazizeit noch hatten.

Klaus Pokatzky:
Altersmäßig.

Kramp Karrenbauer: 
Genau. Und ich glaube es war im Raum kaum eine Familie, die nicht in irgendeiner Art und Weise Mitglieder verloren hat, weil sie umgebracht worden sind und für die war das glaub ich ein ganz ganz wichtiger Moment und es war auch eine besondere Debatte im Bundestag. Ich glaube man muss immer vorsichtig sein, mit dem Etikett „Historisch“. Aber bei dieser Debatte hatten alle wirklich das Gefühl, „wir sind gerade Teil von etwas historischem, dass hier wieder entsteht“.

Major Pieta
Jetzt war es ja so, dass die Verbindung von Militär und insbesondere Bundeswehr und dem Judentum aufgrund der Geschichte ein Stück weit unterbrochen war. 

Haben Sie das Gefühl, dass eben über diese Einführung des Militärrabbinats dort auch was neues geschaffen wurde? Eine neue Chance der Versöhnung? Das, dass vielleicht auch eine Möglichkeit ist, für jüdische Soldaten in der Bundeswehr ihre Heimat zu finden? Oder da eine gewissen Versöhnung miteinander stattfindet um eben genau dieses ein Stück weit zu versöhnen?

Kramp Karrenbauer:
Es ist aus meiner Sicht ein kleines Wunder, dass es nach unserer speziellen Geschichte junge Männer oder Frauen gibt, die sagen: „Ich will in der deutschen Bundeswehr, in der deutschen Armee meinen Dienst tun“.

Klaus Pokatzky:
Also jüdische junge Frauen und Männer.

Kramp Karrenbauer:
Genau. 

Und das ist etwas Besonderes und wir haben ja in den vergangenen Jahren ja auch erlebt, dass jüdisches Leben wieder entstanden ist in Deutschland und das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Und dieses Militärrabbinat ist ein Zeichen der Akzeptanz, ein Zeichen das die jüdischen Soldaten zur Bundeswehr genauso gehören, wie muslimische, wie christliche oder die, die auch für sich die Freiheit haben nicht zu glauben, auch das gilt. 

Und das es etwas selbstverständliches ist. Und ich hoffe sehr das eben vor allen Dingen die Möglichkeit, dass wir eben dieses Rabbinat haben und wie gesagt die ersten Erfahrungen des ersten Bundesmilitärrabbinas, die ersten Rückmeldungen sind auch in die Richtung. 

Das es auch eine Neugierde gibt, das Hemmschwelle auch gesenkt wird, das sich damit zu befassen, damit die Kameradinnen und Kameraden eben als allererstes wahr zu nehmen als Kameradinnen und Kameraden. Aber eben als welche, die jüdischen Glaubens sind und eben nicht katholisch oder nicht evangelisch. 

Oberstleutnant Sehner:
Wenn ich Sie so höre, bekomme ich den Eindruck, dass es wirklich ein Projekt ist was Ihnen am Herzen liegt und das Sie dann wirklich auch mit viel Kraft und Herzblut verfolgt haben.

Haben Sie eine Möglichkeit, die Entwicklungen noch weiter zu verfolgen?

Kramp Karrenbauer:
Also es ist in Tat für mich etwas Besonderes gewesen und ich habe das auch als Privileg empfunden, dass ich jetzt gerade zeitlich gesehen in Grunde genommen, das Glück hatte die Früchte derer, die das vor mir in die Wege geleitet haben und vorangebracht haben, eben weiter zu treiben ein Stück weit auch zu ernten. Ich bin selbst engagierte Katholikin im ZEK.

Klaus Pokatzky:
Zentralkomitee der deutschen Katholiken

Kramp Karrenbauer:
Ganz genau.

Und insofern weiß ich und insbesondere auch aus meinen Besuchen bei der Truppe auch im Einsatz das viele, die vielleicht beim Dienst zuhause gar nicht das Bedürfnis haben irgendwie mit einem Seelsorger zu reden, dass es im Einsatz etwas ganz anderes ist. Da leisten unsere Militärseelsorger, egal aus welcher Richtung unglaublich wertvolle Arbeit und deswegen finde ich, gibt es ein Recht den Soldatinnen und Soldaten auf diese Fürsorge und ich finde, dass eben diese Fürsorge auch von den Verantwortlichen die jenigen, die am Ende und das ist die Politik, eben die Soldatinnen und Soldaten auch in den Dienst in den Einsatz schicken gewährleistet werden muss.

Deswegen ist das ein wichtiger Schritt gewesen, aber für mich ist auch ganz klar, dass kann nicht der letzte Schritt sein. Wenn wir muslimische Soldatinnen und Soldaten haben, dann haben die auch das Recht, wenn wir orthodoxe haben die auch das Recht, also da muss man Wege finden. Ich glaube das wird auch möglich sein. 

Oberstleutnant Sehner 
Sie haben ja auch vorhin gesagt, dass es wichtig ist das man Wissen über andere Religionen, dass man persönliche Erfahrungen schafft und Abholungspunkte. 

Was bedeutet es für Sie, jüdisches Leben in Deutschland für Sie persönlich?

Kramp Karrenbauer:
Also das ist für mich etwas faszinierendes, eben wegen dieser besonderen Geschichte und ich persönlich bin jemand, der auf andere Religionen sehr neugierig ist. Ich würde mir wünschen, dass man eben mit einer gewissen Neugierde und Offenheit erstmal sich mit anderen Religionen auch austauscht, weil das schafft am Ende auch glaub ich die notwendige Toleranz die man braucht um es auch aushalten zu können, dass jemand einen anderen glauben oder keinen Glauben hat. Ich glaube von dieser Toleranz könnten wir im Moment etwas mehr gebrauchen und es ist sehr faszinieren, weil es in dem Sinne DAS Judentum oder DIE Juden sozusagen als geschlossene Gruppe nicht gibt. Sie erleben ganz unterschiedliche Menschen.

Eben von der Frage der orthodoxen oder ultraorthodoxen, sehr liberale. Ich habe in Berlin viele Studenten und Studentinnen getroffen aus den unterschiedlichsten Ländern, aus den vereinigten Staaten, die Jüdinnen und Juden waren die zum Beispiel gesagt haben, die fühlen sich so ein bisschen genervt, dass wenn in Israel irgendetwas ist, werden sie als allererstes angesprochen: „Was macht ihr das in Israel“? „Ja Israel ist ein jüdischer Staat, aber am Ende bin ich amerikanischer Staatsbürger“ oder „Ich studiere hier in Deutschland“. Also das war ganz faszinierend, aber es war auch zu erleben und das finde ich ein Stück bedrückend, wie hoch die Sicherheitsmaßnahmen sind, die für jüdische Einrichtungen generell gelten. Nicht nur für die Synagogen, sondern auch für die Schulen, für die Einrichtungen wie jüdische Restaurants wie zum Beispiel in Berlin.

Auch unter gelebten Antisemitismus leiden, also dieser Alltagsantisemitismus auch das ist schon nachwievor erschreckend, wenn man eigentlich denken sollte nachdem, was wir angerichtet haben als Deutsche und in Deutschland, nach den Erfahrungen dieses Zivilisationsbruchs, wenn das ein Land gibt, für das es klar sein müsste nie mehr Antisemitismus, dann müssten wir das eigentlich sein. Aber es ist nicht so.  

Major Pieta:
Wir haben ja jetzt schon ein bisschen gesprochen über die Aufgabe der Militärseelsorge. General von Baudusin, der Vater der der Inneren Führung, hat zu der Aufgabe der Militärseelsorge gesagt, es geht um die Schärfen des Gewissens und nicht um die Beruhigung. 

Das heißt, hier wurde ein Neustart gemacht mit der Bundeswehr. In der Reichswehr auch in der Wehrmacht ging es eher darum, dass Gewissen des Soldaten zu beruhigen um, ich will nicht sagen, ihn gefügig zu machen, aber vom kritischen Denken abzubringen und Baudusin hat hier die Schärfen des Gewissens betont.

Würden Sie sich dem Zitat anschließen? 

Kramp Karrenbauer:
Absolut. Für mich ist für den Bereich Bundeswehr und sozusagen des deutschen Militärs nach dem zweiten Weltkrieg. Das was General Baudusin entwickelt hat, das Prinzip der inneren Führung, dass ist eine Verfasstheit, die ich gerne Vergleichen möchte mit der Einführung der sozialen Marktwirtschaft. Es ist konstitutiv, es ist etwas was uns ja auch ein Stück weit von anderen Armeen unterscheidet. Wenn es eine Lektion gab, die wir auch nach dem zweiten Weltkrieg, oder nach der Nazizeit lernen mussten, dann ist es wirklich, dass wir Heute eine Armee sind, bei der Kadavergehorsam keinen Platz haben darf. 

Deswegen trifft es den Ausspruch von Baudusin genau den Kern. Es geht darum, der Staatsbürger die Staatsbürgerin in Uniform in allererster Linie ihrem eigenen Gewissen verpflichtet ist und das sie daraus auch das er oder sie das Recht ableiten kann, eben auch nicht jeden Befehl ausführen zu müssen.

Das ist wirklich, ich sage mal, gelebtes lernen aus unserer Vergangenheit und das wir es besser machen und deswegen ist dieses Prinzip der inneren Führung auch so unglaublich wichtig und auch nachwievor so hoch aktuell.

Klaus Pokatzky:
Bevor der deutsche Bundestag dann im Mai 2020 das Gesetzt der jüdischen Militärseelsorge verabschiedet hat, mussten Sie sich ja intensiv mit diesem Thema beschäftigen. 

Haben Sie da irgendwas Neues über das Judentum, über jüdisches Leben gelernt, was sie vorher so nicht drauf hatten?

 Kramp Karrenbauer:
Ja natürlich lernt man sehr viel, man lernt sozusagen auch ein bisschen das interne hinter den Kulissen, also zwischen den unterschiedlichen Richtungen liberal und orthodox. Man beschäftigt sich mit den Fragen: „Wie wird der Rabbiner das anegehen?“, „Wie macht man das möglicherweise mit reiligiösen Geboten?“ , im Hinblick auf Essen, auf koscheres Essen oder anderes. Welche Erfahrungen gibt es zum Beispiel wenn man auf die israelische Armee schaut? 

Also das war für uns alle ein Stück weit natürlich auch etwas neues und insofern auch etwas ganz spannendes. 

Klaus Pokatzky:
Was würden Sie einem guten Rabbiner raten?

Kramp Karrenbauer:
Also ich bin nicht in der Position einem Rabbiner etwas zu raten. Ich glaube er hat das beste Gefühl und den besten Zugang zu den jenigen, die wie er dem jüdischen Glauben angehören, aber eben wie gesagt auch durchaus für andere und ich glaube das gerade am Anfang und das hat mich sehr gefreut, eben auch eine schon von Anfang an eine große Unterstützung aus dem Bereich der katholischen und evangelischen Militärseelsorge gab.

Sozusagen auch einen großen Austausch auch untereinander, Praxiserfahrung, das langsame Einsteigen auch. Zu mindestens bei meinen letzten Begegnungen, hat mir das Militärrabbinat auch nochmal bestätigt, dass diese Zusammenarbeit sehr fruchtbar war und weil das für sie natürlich auch etwas neues war und das hat bisher gut funktioniert und ich glaube natürlich, dass es so weiter geht.

Klaus Pokatzky:
Als Sie zwischen Juli 2019 bis 2021 Bundesverteidigungsministerin waren, gab es da noch etwas außer jetzt der Einführung des jüdischen Militärseelsorge, wo Sie Heute auch noch sagen würden, „Ja da bin ich stolz drauf, da denke ich gerne daran zurück?“

Kramp Karrenbauer:
Ja also es gab ganz viele Punkte, die unglaublich, ja nicht nur spannend sondern auch bewegend, auch lebensbewegend waren. Das war auch ganz sicherlich die besondere Situation des Abzugs aus Kabul, diese 11 Tage im August. Das war aber zum Beispiel auch das Gesetz zur Rehabilitierung von den jenigen, die wegen ihrer Sexualität im Grunde genommen aus dem Dienst entfernt worden sind, verurteilt worden sind. Das war eine ganz besondere Diskussion vor allen Dingen den betroffenen selbst auch und diese Emotionen zu erleben, dass war die Freude darüber, dass Soldatinnen und Soldaten seit 2019 eben auch in Uniform auch Bahn fahren konnten kostenlos und das hat mich immer gefreut, wenn ich im Zug viele Kameradinnen und Kameraden gesehen habe und vor allen Dingen die Rückmeldungen alle positiv waren.

Am Anfang gab es immer so ein bisschen Debatte- Wie wird das sein?, „Werden wir kritisch angesprochen?“ aber eigentlich war es eher das Gegenteil. Das viele das genutzt haben, um vom eigenen Wehrdienst zu erzählen, oder ins Gespräch zu kommen. Das war eigentlich positiv. 

Was für mich eben auch ein wichtiger Punkt war, war am Ende auch wenn das zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt worden ist, so sind es große Eckpunkte auf Papier mit dem Generalinspekteur, was die Reformen der Bundeswehr anbelangt und ein schwieriges Thema, zum Teil auch ein belastendes Thema, war natürlich auch das Thema KSKKommando Spezialkräfte, dass muss man auch einfach offen sagen. 

Aber im Grunde genommen kann man sagen, das Bundesverteidigungsministerium ist jeden Tag wirklich aufregend und kann jeden Tag etwas passieren. Da ist kein Tag wie ein anderer aber eins ist klar, man lernt jeden Tag ganz besondere Menschen kennen.

Klaus Pokatzky:
Wenn sie den Einsatz nochmal zusammenfassen müssten, was bedeutet die Einführung der jüdischen Militärseelsorge in der Bundeswehr? 

Kramp Karrenbauer:
Es bedeutet, dass wir für die jenigen, die Juden sind ein seelsorgerisches Angebot machen, es aber auch ein klares Zeichen historisches Unrecht wieder gut zu machen und einen Neuanfang zu suchen und eine Zukunft zu bauen Jüdinnen und Juden hier in Deutschland.

Klaus Pokatzky: 
Was waren Ihre Gefühle, als der deutsche Bundestag am 28 Mai 2020 das Gesetz über die jüdische Militärseelsorge verabschiedet hat, haben Sie Abends gefeiert?

Kramp Karrenbauer:
So ein bisschen. Ich war erleichtert, dass es alles in „trockenen Tüchern“ ist und ich war stolz und vor allem dankbar, all denen die das ja schon eine ganze Zeit vorher und vor mir wirklich auch die Idee hatten und auf den Weg gebracht haben. 

Klaus Pokatzky:
Abschließend fragen wir in unserer Tacheles-Reihe immer, gibt es irgendein jüdisches Wort, dass Sie im alltäglichen Sprachgebrauch nutzen?

Kramp Karrenbauer:
Ja klar. Also Koscher fällt glaub ich jedem ein aber es ist ganz interessant, wenn man sich mit der jüdischen Sprache befasst, gibt es sehr sehr viele Begriffe die zumindest abgeleitet auch Heute noch unseren Alltag bestimmen ohne, dass wir eigentlich wissen das es jüdischen Ursprungs ist aber ich würde jetzt mal bei dem ganz populären Koscher sein und in der Politik ist nicht alles koscher und es kommt einem auch nicht immer alles koscher vor. 

Klaus Pokatzky:
Danke Annegret Kramp Karrenbauer in deren Amtszeit als Bundesministerien der Verteidigung 2020 in der Bundeswehr das Militärrabbinat geschaffen wurde. 

Wir, das sind nochmal Major Sebastian Pieta und Oberstleutnant Stefan Sehner und ich, wir sagen Tschüss und bis zum nächsten Mal. Euer Team Tacheles. 






 






























 


 


 

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