Spott mit spitzem Stift
Spott mit spitzem Stift
- Datum:
- Ort:
- Hamburg
- Lesedauer:
- 3 MIN
105 Karikaturen schmücken zwei Monate lang die Führungsakademie der Bundeswehr – die Sicht des Auslands auf die Wiedervereinigung und das vereinigte Deutschland. 1994 vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl eröffnet, hat die Wanderausstellung aus dem Haus der Geschichte in Bonn viele Orte besucht und nun den Weg nach Hamburg Blankenese gefunden.
Kurt Tucholsky beschäftigte sich vor knapp 100 Jahren mit dem politischen Witz. Im Berliner Tageblatt beendete er einen Beitrag dazu mit dem Satz „Was darf Satire? Alles.“ Der politische Witz, Satire, Karikaturen – es sind Mittel der Überspitzung und Übertreibung, um einen Sachverhalt oder ein Charakteristikum auf den Punkt zu bringen. Die Ausstellung „Deutschlandbilder. Das vereinigte Deutschland in der Karikatur des Auslands“ ist bis zum 15. Oktober im Manfred-Wörner-Zentrum an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg zu sehen. Leihgeber ist die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.
„Der Blick von außen mag nicht immer freundlich sein, zumal wenn er zugespitzt ist, aber er eröffnet Perspektiven, die hilfreich sind, die notwendig sein können und die man ernst nehmen sollte“,
sagte Oberst i.G. Professor Dr. Matthias Rogg während seiner Rede zur Ausstellungseröffnung. Es war auch der Historiker Rogg, Vorstand der bundeswehreigenen Denkfabrik German Institute for Defence and Strategic Studies, der den Bezug zu Tucholsky herstellte. Denn Tucholskys Einschätzung hat an Aktualität nichts eingebüßt. Immer wieder entfacht der politische Witz auch heftigen Streit
Brisanz der Karikatur
Die Ausstellung widmet sich der Frage, wie unsere Nachbarn oder auch andere Länder auf die Wiedervereinigung und das vereinte Deutschland blickten – und zwar nur anhand des Stilmittels der Karikatur. Es ist ein Streifzug durch Bilder, die Deutschland im Laufe seiner Wiedervereinigung im Ausland hervorgerufen hat – überspitzt, überzeichnet, aber an vielen Stellen auf den Punkt gebracht. Dass Karikaturen erhebliche Brisanz entwickeln können, stehe außer Frage, so Rogg, „man denke nur an den islamistischen Terroranschlag auf das Redaktionsbüro des Satirejournals Charlie Hebdo.“ Es stecke eine Dimension im politischen Witz, die in der Belustigung eine scheinbare Gefahr für den Mächtigen darstellt, an den sie adressiert ist. Satire zeige auf Schwächen und führe sie in den Bereich des Lächerlichen. „Gefestigte Systeme können und müssen das ertragen“, betonte Rogg. „Wenn Macht aber nur schwach legitimiert ist, dann sind Karikaturen für die Mächtigen gefährlich.“ Jedenfalls seien Karikaturen oft wie Seismografen, die Veränderungen auf der politischen Wetterlandkarte anzeigen, noch bevor der Wind sich gedreht hat.
Euphorie und Hochzeit
„Diese Ausstellung verrät viel über uns, aber mindestens genauso viel über unsere Nachbarn“, so Rogg. 105 Karikaturen von 57 Karikaturisten aus 26 Nationen umfasst die Ausstellung. In einem ersten Turnus sind im Manfred-Wörner-Zentrum 66 Bilder auf Staffeleien zu sehen. Die Werke zeigen, wie uns das Ausland vor 30 Jahren wahrgenommen hat, wie die Probleme der deutschen Einheit bewertet wurden oder auch welche Ängste und Vorurteile gegenüber Deutschland vorherrschten. Gegliedert ist die Ausstellung in fünf Abschnitte. „Euphorie“ und „Hochzeit“ sind aktuell zu sehen. Zur Halbzeit wird ausgetauscht – dann wird man Karikaturen zu „Viertes Reich“, „Alltag“ und „Europa“ betrachten können.
Ein kritischer Blick auf Deutschland – von innen wie von außen – ist auch immer Bestandteil der Lehre an der höchsten militärischen Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr. „Für die internationalen und nationalen Lehrgangsteilnehmenden an der Führungsakademie ist die Ausstellung eine Bereicherung. Sie ist hier genau richtig, denn man erhält neue Perspektiven auf die deutsche Geschichte“, unterstrich Oberst André Abed, stellvertretender Kommandeur der Führungsakademie und Direktor Strategie & Fakultäten.