Ausbildung

„Nichtstun ist nie eine Alternative“

„Nichtstun ist nie eine Alternative“

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
5 MIN

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Ein kurzes Piepen im Hintergrund: Die digitalen Gäste des zweiten Innovationslabors trudeln nach und nach ein. In kleinen Kacheln werden sie in den nächsten zwei Tagen immer wieder zu sehen sein.

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Die sechs Etappen zur digitalen Ausbildungsakademie: austauschen, fokussieren, identifizieren, reflektieren, auswählen und umsetzen

Grafik: Führungsakademie der Bundeswehr/Marie Kellermann

Die Teilnehmenden aus Bundeswehr, Wirtschaft und Behörden bringen ihre Ideen aktiv ein, diskutieren und teilen ihre Erfahrungen mit den Anwesenden im Privathotel Lindtner. Es ist eine Mischung aus analog und digital, aus Abstand halten und desinfizieren. Gleichzeitig tauschen sich die Teilnehmenden von überall her über ein gemeinsames Thema aus. Diese digitale Nähe trotz räumlicher Distanz ist auch einer der Schwerpunkte, den die Führungsakademie der Bundeswehr seit knapp anderthalb Jahren in Hamburg gesetzt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt machte sich die höchste militärische Ausbildungsstätte Deutschlands auf den Weg zur digitalen Ausbildungsakademie.

Ursprünglich war das zweite Innovationslabor für neues Lernen der Führungsakademie der Bundeswehr genau ein Jahr nach der Auftaktveranstaltung geplant. Doch dann kam Corona. Wie lange diese Pandemie das Leben verändern wird, hat zu diesem Zeitpunkt noch keiner geahnt. Eines stand für den Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, Generalmajor Oliver Kohl, hingegen fest: „Nichtstun ist nie eine Alternative.“ Und so bedankte er sich gleich zu Beginn beim Team um Dorthe Kramer und Oberst i.G. Martin Simberg, das die Veranstaltung in dieser Form ermöglicht hat. Schließlich wurde sich der Situation mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept und klar definierten Regeln angepasst. Denn die fünf Projektgruppen ITInformationstechnik, Infrastruktur, Organisation, Kultur und Personal wollten ihre Ideen teilen und zeigen, wie sich die Führungsakademie weiterentwickeln kann.

Generalmajor Oliver Kohl begrüßt mit einem Mikrofon in der Hand die analogen und digitalen Gäste des Innovationslabors

Wo wollen wir in fünf oder zehn Jahren stehen? Das ist die zentrale Frage für den Kommandeur der Führungsakademie, Generalmajor Oliver Kohl

Führungsakademie der Bundeswehr/Lene Barte

Persönlichkeit trifft Technik

Zwei Fragen standen seither im Fokus: Wie verändert sich Führung? Und was bedeutet das für das Lernen und Arbeiten an der höchsten militärischen Ausbildungsstätte Deutschlands? „An der Führungsakademie bilden wir Führungskräfte aus. Für uns ist maßgeblich, dass sie am Ende Erfolg haben. Wir sagen, dass Führungserfolg von zwei wesentlichen Säulen abhängt. Das ist zum einen das Thema Persönlichkeit, also Haltung und Verhalten und zum anderen das Thema Techniken, also Methoden, Verfahren, Prinzipien, Tools, die wir lehren und lernen müssen“, sagt Brigadegeneral Boris Nannt. Der ehemalige Direktor Strategie und Fakultäten hatte das Projekt digitale Ausbildungsakademie mit ins Leben gerufen, bevor er Ende Oktober dieses Jahres als Kommandeur zur Logistikschule Garlstedt gewechselt ist. Sein Credo: „Nur für Wissen brauchen wir nicht an der Führungsakademie zusammenkommen.“ Es komme vielmehr darauf an, eine große Erfahrungs – und Methodenvielfalt am Ende des Lehrganges mitzunehmen. Dazu zählt auch eigenverantwortliches Lernen sowie selbstbestimmt und selbstgesteuert, Ideen zu erarbeiten. Für Brigadegeneral Nannt werden die Lehrgangsteilnehmenden zu „Entscheidern, Beratern und Gestaltern.“

Ein Wandel in der Lernkultur ist somit unabdingbar. Jede Veränderung rufe jedoch auch Befürchtungen hervor: So wurden Stimmen laut, dass „wir uns selbst auflösen“, „es zukünftig diese Akademie nicht mehr gibt“ und „wir nur noch digital lernen“. Brigadegeneral Nannt entgegnete diesen Kritikern: „Sie sehen, die Mauern der Führungsakademie stehen noch. Und die Mauern werden auch zukünftig stehen. Es ist aber wesentlich mehr.“

Brigadegeneral Boris Nannt spricht zu den anwesenden Teilnehmenden des Innovationslabors

Für Brigadegeneral Boris Nannt sollten Lehrgangsteilnehmende am Ende der Ausbildung Entscheidungen treffen können, beraten und gestalten

Führungsakademie der Bundeswehr/Lene Bartel

Virtuelles Lernen

Corona habe den Prozess hin zur digitalen Ausbildungsakademie beschleunigt. So sahen sich die Dozierenden während des ersten Lockdowns plötzlich vor der Herausforderung, ihre Seminare online zu halten. „Das braucht viel mehr Vorbereitung“, sagt der ehemalige Direktor Strategie und Fakultäten und spricht auch von „Drehbüchern für digitale Lehre“. Auch wenn dadurch gleichzeitig sichtbar wurde, dass es im Bereich der technischen Ausstattung noch hapere, so Nannt. Die Lernplattform ILIAS sei derzeit eine gute Zwischenlösung. Für modernes Lernen ist vor allem eines entscheidend: eine virtuelle Lernumgebung. Diese soll nach jetzigen Planungen im Jahr 2022 in die Bundeswehr implementiert werden.

Dr. Yvonne Zimmermann bei ihrem Vortrag: Vor ihr steht ein Mikrofon, hinter ihr ein Flipchart von der Projektgruppe Personal

Welchen Weg die Akademie Deutscher Genossenschaften eingeschlagen hat, darüber berichtete die Vorstandsvorsitzende Dr. Yvonne Zimmermann

Führungsakademie der Bundeswehr/Lene Bartel

Digitalisierung als Mittel zum Zweck

Doch wie meistern Wirtschaftsunternehmen und Behörden diesen Weg? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? Und gibt es vielleicht auch Kooperationsmöglichkeiten? Auch diese Fragen wurden beim zweiten Innovationslabor betrachtet. So konnten sich die Teilnehmenden nicht nur bei den Workshops der einzelnen Projektgruppen austauschen, sondern auch mehr zum Thema „Digitalisierung, Führung, Kultur – Erkenntnisse für erfolgreichen Wandel in Lehre und Ausbildung“ von Dr. Yvonne Zimmermann erfahren. Sie ist die Vorstandvorsitzende der Akademie Deutscher Genossenschaften und leitet die Business-School, die Akademie und das Forschungsinstitut im genossenschaftlichen Sektor. Digitalisierung steht ihrer Meinung nach in einem Spannungsfeld. So wirkt sich diese nicht nur auf die Strategie und die Struktur eines Unternehmens aus, sondern auch auf die Führungskultur. „Das hat wiederum mit unserer Verantwortung zu tun.“
Digitalisierung sei kein Selbstzweck. „Es ist eher ein Mittel zum Zweck“, sagt Dr. Zimmermann, die die „dienende Rolle“ der Digitalisierung betont.

Oberst i.G. Martin Simberg spricht zum Publikum, Dorthe Kramer schaut ihn dabei an

Das Team um Oberst i.G. Martin Simberg und Dorthe Kramer hat das zweite Innovationslabor organisiert

Führungsakademie der Bundeswehr/Lene Bartel

„Digitalisierung ist Chefsache“

Es gehe vor allem darum, sich immer wieder die Frage zu stellen, welchen Zweck die eigene Organisation hat. Neue Aufgaben und neue Strukturen benötigen ein neues Führungsverhalten. Einstellung und Haltung sind wesentliche Faktoren. Wenn diese stimmen, dann sollten laut Zimmermann die entsprechenden Skills trainiert werden. „Wir werden gehalten sein, sehr zügig und sehr agil, fast ohne schuldhaftes Zögern, diese Dinge anzunehmen und sie entsprechend umzusetzen“, sagt sie mit Blick auf die Corona-Situation. Sie appelliert: „Digitalisierung ist Chefsache. Es muss gestaltet werden. Wir müssen uns mit Lösungsansätzen beschäftigen. Das bedeutet auch, dass sich der Chef fragen muss, was in diesem Kontext gute Führung bedeutet.“ Modulares Lernen ist in ihrem Vortrag ebenso ein Schlagwort wie Blended Learning, also die Mischung aus Präsenz- und Fernlehre. Wichtig sei unter anderem, dranzubleiben, das eigene Handeln zu hinterfragen und sich zu fokussieren.

Das Foto zeigt einen Monitor. Auf diesem sind kleine Kacheln mit Fotos, Videos oder Namen des Onlinezuschauers zu sehen

Auch digital konnte an dem zweiten Innovationslabor für neues Lernen der Führungsakademie der Bundeswehr teilgenommen werden

Führungsakademie der Bundeswehr/Lene Bartel

Sechs Etappen zur digitalen Ausbildungsakademie

Genau Letzteres wurde bereits in den einzelnen Projektgruppen getan. Auf dem Weg zur digitalen Ausbildungsakademie zählt Generalmajor Oliver Kohl insgesamt sechs Etappen auf:

1)    Zuerst wurde der Blick geweitet und sich mit Wirtschaft und Behörden beim ersten Innovationslabor ausgetauscht.
2)    Dann wurde sich auf die relevanten Schwerpunkte fokussiert,
3)    bevor Projekte identifiziert werden konnten.
4)    Beim zweiten Innovationslabor begann nun die vierte Phase: die Reflexion. Die Arbeitsgruppen stellen ihre Ergebnisse vor und erhoffen sich Impulse von außen.
5)    Anschließend werden wesentliche Projekte ausgewählt und
6)    schlussendlich umgesetzt.

Doch nun sind die Projektgruppen erst einmal an der Reihe. Die anwesenden Teilnehmenden durchlaufen nacheinander in Gruppen die einzelnen Schwerpunktthemen. Die Online-Zuschauer sind hingegen flexibler: Sie können sich frei in die digitalen Räume einwählen. Dass es geklappt hat, wird auch hier wieder durch ein kurzes Piepen deutlich.

von Sophie Düsing  E-Mail schreiben

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