„Motivationsbonbons“ sorgen für Lächeln an der Führungsakademie

„Motivationsbonbons“ sorgen für Lächeln an der Führungsakademie

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
4 MIN

English Translation (PDF, 398,2 KB)               Traduction française (PDF, 398,1 KB)

Manchmal braucht es nicht viel, um jemanden eine kleine Freude zu machen. Ein Lächeln, ein nettes Wort, die Nachfrage, ob es einem gut geht oder etwas zum Naschen. Das weiß auch der kommissarische Betreuungsfeldwebel Hauptbootsmann Sitz von der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Der 32-Jährige kümmert sich um die rund 40 Soldaten, die ihre Unterkunft in der Clausewitz Kaserne aufgrund des Coronavirus nicht verlassen dürfen. In der GHG, wie der eingetragene Verein Gemeinsame Heimgesellschaft genannt wird, sorgt er dafür, dass sie einmal am Tag eine warme Mahlzeit erhalten.

Snacks oder warme Speisen bekommen die Soldaten in der Clausewitz Kaserne von Betreuungsfeldwebel Sitz

Hauptbootsmann Sitz (links) gibt einem internationalen Lehrgangsteilnehmer eine Cola-Flasche

Führungsakademie der Bundeswehr/Sophie Düsing

Als der erste bestätigte Coronavirus-Fall an der Führungsakademie der Bundeswehr bekannt wurde, saß der Hauptbootsmann gerade in einer Versammlung der GHG. Denn er selbst engagiert sich in seiner Freizeit als stellvertretender Vorstandsvorsitzender für den Verein. Keine Minute habe er gezögert, als ihm bewusst wurde, dass sein Handeln nun gebraucht wird. Wie sollen sich schließlich die rund 40 Soldaten mit Zusatzverpflegung wie Schokoriegel, Softdrinks oder Salzgebäck versorgen, wenn sie die Kaserne nicht verlassen dürfen, sagt er. „Ich habe damit gerechnet, dass irgendwann ein Coronavirus-Fall auftreten wird“, sagt Sitz. Seinem zehnjährigen Sohn hat er schon vor Wochen erklärt, dass es vorkommen kann, dass er länger bei der Arbeit sein muss. „Ich habe ihm gesagt, dass das dann nicht aus Jux und Tollerei passiert, sondern um ihn und meine Eltern, die dann auf ihn aufpassen, zu schützen.“ So packte er vorausschauend schon ein paar Lieblingssachen seines Sohnes ein – „eine Art Notfallpaket“. „Ich habe zu ihm gesagt: Wenn ich mal nicht nach Hause komme, hast du dieses Paket. Das musst du auch nicht mit Oma und Opa teilen.“

Verkauf der Waren steht nicht im Mittelpunkt

Am 9. März war es dann soweit: Die rund 350 Akademieangehörigen wurden nach Hause geschickt und die vor allem internationalen Lehrgangsteilnehmenden darum gebeten, die Clausewitz Kaserne nicht mehr zu verlassen. Sitz, der sonst in der Fakultät Marine die Ausbildung mitorganisiert, blieb ebenfalls und richtete sich in der GHG seinen Schlafplatz ein. „Ich schlafe auf dem Sofa. Die Kameraden von der Unterkunftsvergabe waren zu diesem Zeitpunkt schon weg. Ich brauche keine Unterkunft. Ich bin vor Ort, hier kann auch mal jemand nachts aufschlagen, wenn jemand seinen Mundschutz verloren hat, sonst irgendetwas braucht oder einfach nur reden möchte, dann ist immer jemand rund um die Uhr da“, so der Soldat. Jeden Tag von 9 bis 20 Uhr öffnet er die Türen der GHG. Der Verkauf von Waren steht dabei nicht im Mittelpunkt. So bekommen die Soldaten bei ihm auch persönliche Schutzausrüstung wie Desinfektionsmittel, aber auch Reinigungsmittel, um ihre Unterkunft zu säubern. Mit kreativen Ideen schaffte er Anreize, dass die Sachen auch wirklich abgeholt werden: Zu jedem Paket gab es beispielsweise eine Marke dazu. Mit dieser konnten sich die Soldaten ein Getränk ihrer Wahl aussuchen. „Das kam gut an“, sagt Sitz.

Mit kleinen Vorkehrungen etwas Großes bewirken

Sicherheit geht vor: Nur wer Handschuhe anhat, kann seine Lebensmittel in der GHG abholen

Führungsakademie der Bundeswehr/Sophie Düsing

Vorräte reichen für zwei Monate

Die warmen Speisen am Abend werden frisch zubereitet und zusätzlich zum Lunchpaket von der Truppenküche kostenlos an die Soldaten in der Kaserne verteilt. Gegessen wird in der Unterkunft. „Es ist nicht unser Ziel, die Waren zu verkaufen. Wenn hier jemand etwas extra braucht, dann bekommt er es auch. Wir versuchen die Waren so hin und her zu schieben, dass die GHG im Nachgang keinen Schaden nimmt. Mir ist es wichtig, dass die Kameraden gut versorgt werden. Sie können nicht einfach nach Hause fahren oder eben mal zu ihren Familien reisen“, so der Hauptbootsmann. Zudem näherten sich bestimmte Waren mit Ende März dem Mindesthaltbarkeitsdatum: „Ich hätte sie sonst einfach in die Tonne schmeißen müssen.“ Es waren auch schon Waren für Veranstaltungen aufgetaut, die aufgrund von Corona abgesagt worden sind. „Wenn ich alles aufbrauche bis auf die kleinste Bohne, dann kann ich noch zwei Monate lang Essen ausgeben. Darunter befinden sich frische Waren und Tiefkühlsachen.“

Die Truppenküche und die GHG befinden sich im Gebäude 16 auf dem Kasernengelände der Führungsakademie der Bundeswehr.

In diesen Tagen sind nur wenige Menschen dort: An der Führungsakademie befinden sich im Gebäude 16 die Truppenküche und die GHG

Führungsakademie der Bundeswehr/Sophie Düsing

„Wir lassen sie nicht alleine“

Jeden Tag wird der Hauptbootsmann für ein paar Stunden von einem seiner Köche unterstützt: So gibt es beispielsweise mal Geflügel, mal Rind. Mal Germknödel, Frühlingsrollen oder Chicken Wings. „Die Soldaten freuen sich sehr darüber. Sie bedanken sich mehrmals, wenn sie das Essen abholen.“ Denn auch sie wissen, dass es nicht selbstverständlich ist, was in diesen Tagen passiert. Auch ein kleines Gespräch gehört für Sitz tagtäglich dazu: „Ich frage, wie es ihnen geht und ob sie irgendetwas auf dem Herzen haben. Ich möchte, dass sie wissen, dass wir sie nicht alleine lassen.“ Als kleines „Motivationsbonbon“ bekommt jeder Lehrgangsteilnehmende neben seiner warmen Speise am Abend, ein Getränk und eine Süßspeise dazu.

Nach Hause fahren, ist keine Option

Angst, sich anzustecken, hat der Hauptbootsmann nicht. Schließlich hält er die Abstandsregeln ein und achtet darauf, sich regelmäßig die Hände zu waschen. „Ich könnte irgendwo in Afghanistan sitzen und dort irgendwas bekommen: Mich könnte ein Skorpion piksen, wenn ich meine Stiefel anziehe oder ich könnte bei einer Patrouille irgendwo drauftreten. Hier bin ich immer noch sicherer, als irgendwo im Auslandseinsatz“, sagt Sitz. Solange es ihm gut geht, möchte er die Clausewitz Kaserne nicht verlassen – auch wenn er seinen Sohn und seine Tochter sehr vermisst, wie er immer wieder betont. „Nach Hause fahren, ist für mich erstmal keine Option, solange es nicht heißt, dass hier alle sicher sind und auch zu Hause alles sicher ist. Ich bin froh, dass meine Eltern auf meinen Sohn aufpassen. Solange die Kameraden festsitzen, die hier keine Familie haben, werde ich hier solange kochen bis die Ressourcen aufgebraucht sind.“


Wir bedanken uns bei Hauptbootsmann Sitz für sein nicht selbstverständliches Engagement.


von Sophie Düsing  E-Mail schreiben

Verwandte Inhalte