Künstliche Intelligenz und Simulationen
Künstliche Intelligenz und Simulationen
- Datum:
- Ort:
- Hamburg
- Lesedauer:
- 8 MIN
Das zweite Innovationslabor für neues Lernen der Führungsakademie der Bundeswehr hatte neben Podiums- und Abschlussdiskussion sowie den Workshops der fünf Projektgruppen ITInformationstechnik, Infrastruktur, Organisation, Personal und Kultur auch drei Impulspanels im Angebot. Die Teilnehmenden erhielten dabei die Möglichkeit, über den digitalen Tellerrand hinauszublicken.
In einem Panel ging es darum, wie durch innovative Lösungsansätze schwierige Herausforderungen gemeistert werden können. Ein weiteres beschäftigte sich mit der Gestaltung von Lernräumen. Das dritte Panel zeigte auf, wie Wissen mit Unterstützung von Simulationen erworben werden kann.
1. Panel: Künstliche Intelligenz in der elektronischen Kampfführung
Oberstleutnant Sascha Mies weiß, dass die Teilnehmenden seines Panels nicht alle Soldaten sind. Deshalb erklärt der Kommandeur des Bataillons Elektronische Kampfführung 912 zu Beginn der Veranstaltung, was sein Verband eigentlich macht: „Signalerfassende Aufklärung, wir liefern einen Beitrag zum Lagebild.“ Signale, beispielsweise ein Funkspruch, werden aufgefangen. Sind diese verschlüsselt, versuchen seine Soldaten sie zu entschlüsseln. Die so gewonnenen Informationen werden an die übergeordnete Führung weitergegeben.
Digitalisierung ist auch im Verband des Oberstleutnants ein großes Thema. Sein Impulsvortrag ist mit dem Titel „Neue Herausforderungen – alte Wege verlassen: Ein Beispiel zum Einsatz künstlicher Intelligenz im Bataillon Elektronische Kampfführung 912“ überschrieben.
Die Einsatztage nehmen in dem Bataillon von Jahr zu Jahr deutlich zu - vor allem die des Schlüsselpersonals. Genau dieses Personal fehlt dann, um die Fähigkeiten des Verbands weiterzuentwickeln. Der Bataillonskommandeur hat daher ein neues Konzept der verbandsinternen Ausbildung mit zukunftsorientierter Ausrichtung eingeführt.
Es gehe vor allem darum, die „Digital Skills“, also die digitalen Kompetenzen der Soldaten, beispielsweise im Umgang mit Anwendungen und Datenbanken zu erhöhen. „Daneben schärfen wir den Blick für Zukunftstechnologien und den aktuellen Stand der Technik“, erläutert der Stabsoffizier. Dabei entstünden auch Impulse und Initiativen für die Weiterentwicklung der Elektronischen Kampfführung.
Künstliche Intelligenz und Digitalisierung
Das Konzept konzentriert sich auf die Handlungsfelder Ausbildung und Automatisierung. Dazu dient ein eigenes Bataillonsausbildungszentrum, das Oberstleutnant Mies vor eineinhalb Jahren außerhalb der üblichen längeren Genehmigungsverfahren recht unbürokratisch gegründet hat. In dieser Einrichtung wird vor allem die systemspezifische Ausbildung im Bereich der Künstlichen Intelligenz und Digitalisierung vorangetrieben. Es gelte einige wenige aber wichtige Regeln einzuhalten. ITInformationstechnik-Sicherheit und ein entsprechendes Qualitätsmanagement müssten gewährleistet sein. Projektziele sollten erreichbar sein. Das Personal müsse agil arbeiten.
Die neue Ausbildung helfe, die Soldaten nach modernen Maßstäben weiter zu qualifizieren und im Einsatz zu entlasten. Ein Labor für Künstliche Intelligenz befände sich in der zweiten Ausbaustufe. Darüber hinaus seien zwei „prototypische Anwendungen“ abgeschlossen und eine neue in Projektierung.
Interne und externe Kooperationen
Kleinere und größere Kooperationen wären sehr hilfreich. Beispielsweise würden Studenten der Universitäten der Bundeswehr Masterarbeiten im Labor des Bataillons schreiben. Unter anderem hätte man mit der Cyberagentur der Bundeswehr einen starken Partner und würde zudem mit Fraunhofer-Instituten kooperieren.
Im Anschluss an den Vortrag fragt ein Besucher des Panels, was die größten Vorteile bei der Verbesserung der digitalen Kompetenz des Personals wären. „Zeitersparnis und die Möglichkeit des Brainstorming“, antwortet Oberstleutnant Mies. Ein weiterer Zuhörer fragt, ob ortsunabhängiges Arbeiten funktionieren würde. „Homeoffice ist nicht möglich“, entgegnet der Bataillonskommandeur, da die Arbeit größtenteils der Geheimhaltung unterliege.
Die Freiheitsgrade wären allerdings im Labor recht hoch, da das Personal mit sogenannten „Stand-alone-Rechnern“ arbeiten würde, also Computern, die keine Verbindung zum Internet haben. Dort könnten die Soldaten viel ausprobieren und dadurch viel lernen. Die Motivation sei sehr hoch, auch „nach 18 Uhr“ freiwillig im Labor weiter zu arbeiten.
Agieren wie ein Start-up
Ein Teilnehmer stellt abschließend die Frage, was die Bundeswehr von dem neuen Weg, den das Bataillon mit dem Ausbildungszentrum eingeschlagen habe, lernen könne. Aus der Sicht des Stabsoffiziers sind dies die konkrete Umsetzung von Projekten, eine entsprechende Zuweisung von Geldern sowie eine auf die Bedürfnisse des Verbandes abgestimmte Personalführung. „Es ist superspannend“, resümiert Oberstleutnant Mies und ergänzt: „Wir haben die ganz normalen Probleme eines Start-ups.“
2. Panel: Pädagogik trifft Architektur
Im zweiten Panel ging es darum, wie Lernräume aussehen könnten. Michael Gräbener, Abteilungsleiter für Schulbau und Betreuung im Amt für Schulentwicklung der Stadt Köln und Dirk Landwehr, Geschäftsinhaber und Geschäftsführer der Trapez Architektur GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung, gaben dem Dialog den Titel: „Neue Lernräume – Pädagogik trifft Architektur“.
Beide Referenten beschäftigen sich seit vielen Jahren mit diesem Thema – der eine, weil er bereits mehrere Pilotprojekte an Schulen betreut hat und der andere, weil er im Jahr 1991 bei einem Schulbau-Wettbewerb als Sieger hervorging. „Daraus folgte, dass wir bis heute Schulen planen. In dieser Zeit haben wir eine starke Veränderung in dem Sektor erlebt“, so Landwehr.
Dem pflichtete Gräbener bei und erzählte den Teilnehmenden vor Ort und an den Bildschirmen von dem Projekt „Bildungslandschaft Altstadt-Nord“: „Wir haben an diesem Standort entwickeln und ausprobieren können, wie eine zukunftsfähige Schule aussehen sollte.“ Es wurde über die gesamte Bildungskette – von der Primarstufe über die Sekundarstufe I und II bin hin zur Erwachsenenbildung – nachgedacht.
Schließlich umfasst das Projekt insgesamt sieben Gebäude, die „neu errichtet, erweitert oder saniert werden.“ Denn: „Als man die allgemeine Schulpflicht bei den Preußen eingeführt hat, hat man auch den Grundriss einer Kaserne übernommen. Sie haben einen Flur, rechts und/oder links die Stuben und so sieht der Grundriss einer Schule seither aus. Dass das nicht mehr zeitgemäß sein kann, darüber brauchen wir nicht nachzudenken.“
Jetzt sind Architekten gefragt
Ideen mussten her. Lehrende sind gefordert, immer wieder zu prüfen, mit wem sie es zu tun haben und wie das Wissen vermittelt werden könnte, sagt der Abteilungsleiter im Amt für Schulentwicklung. Das wiederum hat Einfluss auf die Raumgestaltung. „Es braucht einen raschen Unterrichtswechsel – ohne, dass umgestellt oder umgebaut wird“, so Gräbener.
Dabei kommen die Architekten ins Spiel. Doch die können erst aktiv werden, wenn sie alle Informationen haben: „Wir zeichnen erst, wenn wir wissen, welche Lernkultur gelebt wird. Wir wollen wissen, was passiert genau in diesem Gebäude“, ergänzt Landwehr. Diese Zielfindungsphase wird auch als „Phase 0“ bezeichnet. Und so wurde ein Konzept entwickelt, dass sowohl allgemeine Unterrichtsbereiche vorsieht, als auch Bereiche für die individuelle Förderung oder für Gruppenarbeiten.
Zudem könne ein Klassenverband auf „viel Raum“ aufgeteilt werden und jeder Bereich habe seine eigene Sanitäreinheit. Den Prozess begleiten eine Pädagogin, ein Pädagoge und ein Architekt: „Wir entwickeln den Prozess, führen ihn durch und haben am Ende eine grobbauliche Skizze. Die geht dann in ein Vergabeverfahren“, erklärt Landwehr.
Unterrichtsräume mit Touchscreens
Doch auch bestehende Gebäude können verändert werden. Dirk Landwehr spricht sich dafür aus, „Flure als Begegnungsräume“ zu nutzen. Dabei spielt jedoch die Akustik eine Rolle, ergänzt Gräbener. Für ihn ist neben der Raumgestaltung noch etwas bedeutend – der Einsatz moderner Technik. „Wir haben in Köln einen Grundsatzbeschluss bekommen, dass die Kreidezeit vorbei ist. So hat es die Politik formuliert. Das heißt, wir gehen komplett auf digitale Präsentationsmittel. Wir werden sukzessive alle Unterrichtsbereiche mit Touch-Panels ausstatten.“
3. Panel: Virtuelle Welt
Technische Ausstattung ist auch das Stichwort für das dritte Impulspanel. Stephan Gut leitet die Abteilung Bildungsmedien der Schweizer Bundesbahnen und referierte zum Thema „Was steckt hinter virtuellem Lernen? Einblick in digitale Lern- und Arbeitswelten.“ Er nahm die On- und Offlinezuschauer mit auf eine „Bildungsjourney“ und sprach von digitalen Räumen, sogenannten „Spaces“; von Simulationen, die reale Situationen abbilden, also von „3D-Sim“, und von funktionalen 3D-Objekten für PC und Tablet, die er als „Komponenten“ bezeichnete.
Genau diese drei Dinge helfen dabei, Wissen aufzubauen, zu vertiefen, Dinge besser zu verstehen und gleichzeitig anzuwenden und zu speichern. „Alles, was wir hier haben, gibt es auch in der realen Welt“, erzählt Gut und ergänzt: „Ich brauche nur Ideen, dann kann ich etwas umsetzen.“ So kann durch das Tool beispielsweise geübt werden, eine Bremsscheibe zu wechseln, einen Zug zu evakuieren oder abzuschleppen. Zudem können virtuelle Sitzungsräume besucht werden. Letzteres dient dazu, Veranstaltungen von bis zu 30 Personen durchzuführen. Der Sitzungsraum ist virtuell und flexibel. Er kann den Ansprüchen entsprechend eingerichtet werden.
Vor- und Nachteile
Die Hauptüberlegung war, so Gut, das Leben in den virtuellen Raum zu transferieren, um zeitlich, sozial- und funktional mit Aufgaben konfrontiert zu werden. „Man kann Dinge tun, die man auf der Strecke nicht tun könnte.“ So kann dargestellt werden, dass sich Gleise anders verhalten, Straßenfahrzeuge auf den Gleisen stehen oder ein Zug brennt. „Es hilft dabei, detailliert Fahrprozesse zu üben.“
Die Vorteile liegen für den Abteilungsleiter Bildungsmedien auf der Hand: Eine virtuelle Lernumgebung motiviert, ist erlebbar, verringert die Bedienungsängste und macht Spaß. Denn: In der Realität gäbe es nicht genügend „Übungszüge“, orts- und zeitunabhängiges Lernen ist ebenfalls nicht möglich. Die Nachteile sind: Vom Nutzer wird ein gewisses Maß an technischem Verständnis abverlangt. Das Produkt könne „nicht einfach hinausgeworfen werden“ und dann gleichzeitig „verlangt werden, dass es alle beherrschen“, so Gut weiter.
Zudem sind die Berufsgruppen im Schichtbetrieb tätig, zusammenzuarbeiten ist deshalb eine große Herausforderung. Rund zwei Jahre wurde an dem Tool gearbeitet, bevor es den ersten Nutzern gezeigt wurde, erzählt Stephan Gut den Zuhörern den Teilnehmenden des zweiten Innovationslabors. Dass sich das Projekt für ihn und die Schweizer Bundesbahn gelohnt hat, daran lässt er keinen Zweifel: „Für mich ist es unglaublich faszinierend, was man in der virtuellen Welt alles machen und abbilden kann.“
Die drei Panels lieferten diverse Anregungen. Die Projektgruppe Infrastruktur konnte beispielsweise Ideen aus dem Panel „Pädagogik trifft Architektur“ konkret in die Raumplanung des geplanten Innovationslabors einfließen lassen. Das Panel von Oberstleutnant Mies über innovative Lösungsansätze zur Überwindung schwieriger Herausforderungen brachte eine Bestätigung für den bereits eingeschlagenen Weg der Führungsakademie hin zur digitalen Ausbildungsakademie.