Patenschaft

Freundschaft auf den ersten Blick

Freundschaft auf den ersten Blick

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
5 MIN

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Es ist nun fast ein Jahr her, als sie sich an der Führungsakademie der Bundeswehr zum ersten Mal begegnet sind: Auf dem Begrüßungsabend für Paten lernten sich Familie Bernhardt aus Wedel nahe Hamburg und die Familie de Andrade aus Brasilien kennen. „Es war von Anfang an sehr herzlich. Wir haben uns gleich gemocht. Unsere Tochter Maya hat sich auch sofort mit der Familie angefreundet“, sagen Benjamin und Yvonne Bernhardt. Ihr Patenoffizier ist Major Ailton Tobias de Andrade, Lehrgangsteilnehmer des Generalstabs-/Admiralstabsdienstes International (LGAI). Gemeinsam mit seiner Frau, seiner Schwiegermutter und seinen Kindern ist der 41-Jährige für die zehnmonatige Ausbildung nach Hamburg gezogen. Doch was haben die Familien gemeinsam erlebt? Wie haben sie sich verständigt? Und welche Herausforderungen mussten sie meistern?

Familie de Andrade und Familie Bernhardt gehen am Hafen spazieren

Im Spätsommer vergangenen Jahres haben sich Familie Bernhardt und Familie de Andrade kennengelernt

Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach

Berührungsängste beim ersten Treffen? Fehlanzeige! „Wir haben uns gleich in den Arm genommen“, sagt Yvonne Bernhardt und ihr Mann ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Das durfte man damals noch.“ Um sich näher kennenzulernen, verabredeten sich die beiden Familien kurze Zeit später zum Grillen. Verständigungsprobleme gab es keine. Der Grund: Ihr Patenoffizier Major Ailton Tobias de Andrade spricht gut Deutsch. 

Ailton Tobias de Andrade hält seinen Sohn Pedro auf dem Arm
Major Ailton Tobias de Andrade, Lehrgangsteilnehmer Generalstabs-/Admiralstabsdienst International Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach
„Ich bin sechs Jahre lang in Deutschland zur Schule gegangen. Mein Vater hatte hier brasilianische Cocktailbars."

Als de Andrade 18 Jahre alt war, beschloss er zurück nach Brasilien zu gehen. Er erfüllte sich seinen Berufswunsch und wurde Soldat. Vielfältige militärische Stationen hat er seither durchlaufen: Er führte beispielsweise einen Zug der Luftwaffenpolizei am Militärflugplatz der brasilianischen Luftwaffe, ließ sich zum Fallschirmjäger und Rettungstaucher ausbilden und war für die Sicherheit des brasilianischen Präsidenten zuständig. Seine Deutschkenntnisse hat er in dieser Zeit nicht verlernt. „Ich habe noch eine deutsche Tochter, sie ist heute 24 Jahre alt. Sie spricht kein Portugiesisch“, sagt er. Bevor die internationalen Lehrgangsteilnehmer jedoch an die höchste militärische Ausbildungsstätte der Bundeswehr in Deutschland kommen, müssen sie eine Sprachausbildung im Bundessprachenamt in Hürth nahe Köln absolvieren. De Andrade nutzte den Kurs, um seine Deutschkenntnisse weiter zu festigen. Seine Familie sprach anfangs hingegen noch kein Wort Deutsch. „Meine 15-jährige Tochter Luisa hat es in den zwei Jahren gelernt. Sie ist in Köln und Hamburg zur Schule gegangen“, so der Offizier stolz. Auch sein zweijähriger Sohn Pedro schnappte schnell einige deutsche Begriffe auf. Für seine Frau Erica und seine Schwiegermutter war es hingegen komplizierter, wie der LGAI-Teilnehmer sagt. Um die richtigen Worte zu finden, greifen sie auf eine Übersetzungs-App zurück.

Portraitfoto Luisa de Andrade
Luisa de Andrade, Tochter von Major Ailton Tobias de Andrade Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach
"Ich werde meinen ersten Schultag hier in Deutschland nicht vergessen. Zuerst hatte ich Angst in die Klasse zu gehen. Doch ich wurde gut aufgenommen."

Andere Kulturen kennenlernen

Ungefähr alle vier Wochen haben sich Familie Bernhardt und Familie de Andrade vor der Pandemie getroffen. Sie schauten sich beispielsweise zusammen das Tropen-Aquarium an oder luden sich gegenseitig zum Essen ein. Ein Besuch im Fußballstadion war geplant, doch Corona machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. „Viele Sachen konnten wir deshalb nicht machen“, sagt Yvonne Bernhardt, die vor allem junge Familien ermutigen möchte, sich als Pate beim Verein „Freundeskreis Ausbildung ausländischer Offiziere an der Führungsakademie der Bundeswehr“ zu engagieren. „Wir nehmen seit Jahren an den Veranstaltungen des Vereins teil und haben uns gedacht, wir wollen auch etwas zurückgeben“, fügt Benjamin Bernhardt hinzu. Schon als Kind kam er mit ausländischen Offizieren in Kontakt.

Porträtfoto Benjamin Bernhardt
Benjamin Bernhardt, Pate an der Führungsakademie der Bundeswehr Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach
„Meine Eltern haben 20 Jahre lang Patenschaften an der Führungsakademie übernommen. Aus diesem Grund hatten wir regelmäßig Offiziere aus unterschiedlichen Ländern zu Besuch. Wir wollten das unsere Tochter ebenfalls Kinder aus anderen Kulturen kennenlernt.“

Corona erschwert Rückreise

Als jedoch Kontaktbeschränkungen weitere Treffen mit ihrem Patenoffizier und seiner Familie verhinderten, blieben die Familien über eine Chatgruppe in Kontakt. Die feierliche Verabschiedung des internationalen Lehrgangs rückte mit Ende Juni immer näher. Aufgrund der Corona-Situation fand die Veranstaltung im kleinen Rahmen ohne Paten statt. Parallel dazu wurden an der Führungsakademie die Rückreisen der 78 Teilnehmenden aus 36 Nationen geplant. Auch hier gab es Herausforderungen: Zahlreiche Flugverbindungen wurden gestrichen, einige Länder erteilten keine Einreiserlaubnis. Daraufhin wurde an der Akademie eine „interne Planungszelle“ geschaffen. Diese koordinierte im Austausch mit den betroffenen Militärattachés und den Herkunftsländern die Rückreise der Offiziere. Familie de Andrade war davon jedoch nicht betroffen. „Wir hatten schon vor Corona geplant, dass wir erst Mitte August nach Brasilien zurückfliegen werden“, sagt der Luftwaffenoffizier.

Erwartungen an Deutschland

Als das Bundesland Hamburg im Juli die Kontaktbeschränkungen und das Abstandsgebot für zwei Haushalte lockerte, stand einem weiteren Treffen nichts mehr im Wege. Das fanden auch die Kinder gut: Gemeinsames Herumtoben war damit wieder erlaubt. Die Erwachsenen schwelgten hingegen in Erinnerungen. „Die Zeit in Deutschland war sehr schön. An der Führungsakademie gefiel mir das multinationale Umfeld. Das von- und miteinander lernen war für mich sehr lehrreich“, sagt der LGAI-Teilnehmer. Seine Erwartungen an den Aufenthalt in Deutschland haben sich erfüllt. „Ich habe viel über die Bundeswehr und die deutsche Perspektive gelernt.“ Gerne hätte er sich mehr mit den nationalen Lehrgangsteilnehmenden ausgetauscht – doch durch Corona mussten geplante Veranstaltungen abgesagt werden.

Viel übereinander gelernt

Ihre Zeit in Deutschland werden sie nicht vergessen, versichert die Familie de Andrade. Einige Unterschiede zu ihrem Heimatland konnten sie in den zwei Jahren ausmachen. So freute sich Erica de Andrade beispielsweise darüber, die unterschiedlichen Jahreszeiten in Deutschland miterleben zu können. „In Brasilien haben wir das auch. Entweder ist es warm, sehr warm oder ein bisschen kalt“, ergänzt Major Ailton Tobias de Andrade mit einem Lächeln. Ihm sei darüber hinaus aufgefallen, dass viele Menschen in Deutschland großen Wert auf Pünktlichkeit legen. Und das nicht nur, wenn es um den Beruf geht, sondern auch wenn man sich mit einem Nachbar oder einen Freund trifft. „18 Uhr ist 18 Uhr.“ Doch auch die Patenfamilie hat brasilianische Eigenheiten kennengelernt. „Meine Handtasche stelle ich nicht mehr auf den Boden“, merkt Yvonne Bernhardt in diesem Moment an. Das solle Unglück bringen, hat ihr Erica de Andrade erzählt. „Warum das so ist, wissen wir auch nicht. Das wird aber von Generation zu Generation so weitergegeben“, sagen de Andrades und schmunzeln. Viel könnten die beiden Familien noch über ihr jeweiliges Land berichten. Doch in ein paar Tagen heißt es Abschied nehmen. Familie de Andrades fliegt zurück in ihre Heimat. Ein Versprechen haben sich beide Familien schon gegeben: Sie wollen in Kontakt bleiben und sich nach Corona wiedersehen. Das nächste Mal dann bei einem Gegenbesuch in Brasilien.

von Sophie Düsing  E-Mail schreiben

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Fotostrecke von einem Treffen am Hamburger Elbstrand

Familie de Andrade aus Brasilien und Familie Bernhardt aus dem schleswig-holsteinischen Wedel haben sich durch das Patenprogramm an der Führungsakademie der Bundeswehr kennengelernt

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    Ailton de Andrade ist im Gespräch mit Familie Bernhardt

    Vor Corona haben sich die Familien Bernhardt und de Andrade regelmäßig getroffen, seit Corona haben sie viel über eine Chatgruppe kommuniziert

    Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach
    Kinder spielen am Fähranleger

    Die Kinder der Familien haben sich schnell angefreundet

    Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach
    Erica de Andrade, Yvonne Bernhardt und Luisa de Andrade sitzen am Hafen

    In Erinnerung bleiben die gemeinsamen Treffen: Sie waren beispielsweise im Tropen-Aquarium oder am Elbstrand und haben gegrillt

    Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach
    Luisa macht ein Foto von ihrem Vater und dem Paten

    Viele Momente halten sie mit ihrem Smartphone fest

    Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach
    Die beiden Familien sitzen an einem Tisch und wollen Kaffee trinken

    Sie verständigen sich auf Deutsch. Falls das mal nicht geht, nutzen sie eine Übersetzungs-App

    Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach
    Maya und Pedro spielen im Sand

    „Pedro ist wie ein Bruder“, sagt die neunjährige Maya und ergänzt: „Ich spiele gern mit ihm.“

    Führungsakademie der Bundeswehr/Michael Gundelach

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