Ein Ankerpunkt: die Kita in der Clausewitz Kaserne
Ein Ankerpunkt: die Kita in der Clausewitz Kaserne
- Datum:
- Ort:
- Hamburg
- Lesedauer:
- 5 MIN
Maren D. ist die Leiterin der Kindertagesstätte in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Sie erzählt von den Momenten, wenn andere Kulturen aufeinandertreffen und wie alle von einem regen Austausch lernen und profitieren können.
Wir feiern gerade den fünfzigsten Geburtstag unserer Kita in der Clausewitz-Kaserne – und da gibt es natürlich ein Kinderfest. Besonders freut mich, dass auch die beiden Männer im Opa-Alter dabei sind, die es damals geschafft haben, dass hier in einer Bundeswehr-Kaserne überhaupt eine Kita gegründet werden konnte. Brigadegeneral a. D.außer Dienst Wolfgang Gülich und Oberst a. D.außer Dienst Karl-Heinz Schmitt haben das zum 1. April 1972 durchgesetzt – und bei unserem Kinderfest haben sie mir einen Spendenscheck überreicht.
Das bin ich
Ich bin hier die Leiterin seit mittlerweile auch schon 17 Jahren. Und an meinem ersten Arbeitstag 2005 habe ich schon einmal etwas überreicht bekommen: und zwar eine Rose – zur Begrüßung vom damaligen Chef des Stabes. Als ich das erste Mal hier in der Clausewitz-Kaserne war, habe ich nur gedacht: „Hoah, ist das schön – was haben die Kinder hier für einen großen Spielplatz!“ Die Soldaten gucken aus ihren Besprechungsräumen und Büros auf eine Kita ohne Zaun und freuen sich über die Kinder.
Bei uns sind das aber nicht nur Soldatenkinder. Etwas mehr als die Hälfte der Eltern unserer 116 Kinder haben mit der Bundeswehr nichts zu tun. Für die ist das hier eine wunderschöne Einrichtung; sie ist international – und der Blankeneser ist ja weltoffen. Die haben dann hier erstmals Berührungspunkte mit der Bundeswehr.
Der Weg zur evangelischen Kindertagesstätte
Aber für die Soldatenkinder ist die Kita 1972 gegründet worden, damals noch mit 35 Kindern – weil die Teilnehmer vom Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National) eine Unterbringung für ihre Kleinen suchten, wenn sie zwei Jahre mit ihrer Familie in Hamburg waren.
Ein Jahr später kam sie dann in evangelische Trägerschaft; und so habe ich gleich drei Chefs: den Vorgesetzten vom Evangelischen-Lutherischen Kita-Werk, die Kirchengemeinde Blankenese (als Trägerin) und den Kommandeur der Führungsakademie. Ich bekomme von dem genau die Befehle wie alle anderen hier. Als Pädagogen kennen wir das Zügige der Bundeswehr ja sonst nicht. Aber ich schätze das sehr: die klare, deutliche Sprache – eine direkte Sprache.
Eigene Kindheitserinnerungen
Wahrscheinlich hat mir auch von Anfang an geholfen, dass mein Vater früher Zeitsoldat gewesen war: in Appen und auch auf Sylt. Ich erinnere mich immer noch, wie ich als Kind erlebt habe, dass da der Weihnachtsmann mit dem Bundeswehr-Hubschrauber kam. Geboren bin ich 1973 und dann mit knapp zwanzig Jahren Erzieherin geworden. Ich habe danach alle möglichen Arbeitgeber gehabt: auch damals schon die Evangelische Kirche, das Deutsche Rote Kreuz, die Stadt Hamburg, die Gemeinden Reinbek und Neu Wulmstorf.
Als ausgebildete Erzieherin war ich, noch ganz jung, in den USA: als Au-pair in Stamford/Connecticut, bei einer streng jüdischen Familie mit einem Kind. Da habe ich viel für meine Persönlichkeit gelernt: andere Kulturen, Religionen, Sprachen. Und das erlebe ich jetzt natürlich wieder bei den Kindern aus dem LGAI. Die vertreten ja die ganze Welt.
Andere Länder, andere Sitten
Da gibt es Länder, die kennen gar keine Kita, weil die Großfamilien die Kinder erziehen. Die kommen dann vielleicht mit fünf Kindern für ihr Lehrgangsjahr nach Hamburg. Und das ist doch toll, dass ihre Kinder dann hier lernen, was es in ihrem Land so nicht gibt: dass hier Frauen Soldatinnen sind. Oder Männer Erzieher. Aber da müssen wir natürlich auch sehr behutsam mit den Befindlichkeiten der Eltern umgehen: Einer meiner Kollegen wollte einer Muslima mal die Hand geben – das ging natürlich nicht!
Und ich durfte eine asiatische Sitte kennenlernen. Da war eine Familie bei mir im Büro und beim Verabschieden sind die alle immer weiter Rückwärts gegangen. Das haben die so lange gemacht, bis ich ihnen den Rücken zugewendet habe. Dann erst sind sie gegangen.
In asiatischen Ländern ist die Kita ja manchmal auch schon eine Art Vorschule. Die Eltern sind offen, wenn sie hier Neues lernen dürfen. Wir hatten hier mal ein asiatisches Kind, das kam immer ohne Unterhose. Und da habe ich natürlich gegrübelt: Wie spreche ich das bei den Eltern an? Dann habe ich eines Tages aber doch einfach nachgefragt. Und die Eltern haben nur gesagt: „Ach so – kein Problem!“ Am nächsten Tag hatte das Kind eine Unterhose an.
Und ein Brasilianer hat mir mal gesagt: „Mein Kind würde sich wohler fühlen, wenn es öfter mal gedrückt würde.“ Die haben in Brasilien aber auch einen „Tag der Erzieher“. An diesem Tag wurde mir dann aus brasilianischen Händen eine Blume als Anerkennung überreicht.
Mehr als eine Kindertagesstätte
Unsere Kita bedeutet für den LGAI: „Willkommen in Hamburg!“ Wir dürfen die Familien natürlich auch beraten. Die fragen uns: „Wo gibt es die besten Kinderklamotten?“ – „Wo gibt es einen guten Sportverein für den Sohn zum Fußballspielen?“ Für die Familien sind wir einfach ein wichtiger Ankerpunkt. Die Männer aus dem Lehrgang werden durch den Lehrgang integriert. Aber wie ist das mit den Frauen, wenn sie kein Deutsch können? Da erklären wir ihnen natürlich, mit welchem Bus sie am besten fahren; und wie sie in zehn Minuten von unserer nächsten S-Bahn-Station Hochkamp nach Altona zum Shoppen kommen.
Unser Ziel ist, dass die Eltern zufrieden mit ihren Kindern in ihre Länder zurückgehen und sagen: „Das war eine schöne Zeit in Deutschland!“ Richtig Deutsch beibringen können wir den Kindern, die alle zwischen drei und sechs Jahre alt sind, in diesem einen Jahr leider nicht. Das geht schon eher in dem LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National mit seinen Teilnehmenden aus NATONorth Atlantic Treaty Organization- und EUEuropäische Union-Staaten; die sind ja zwei Jahre hier. Aber immerhin: Bei uns sprechen auch die meisten LGAI-Kinder ihre ersten deutschen Wörter. Und sie lernen noch was anderes: Ein südkoreanisches Kind wollte auf einmal zu Hause immer Schwarzbrot zum Frühstück haben.
Eine Inspiration für Andere
Ein südkoreanischer Soldat war von unserer Kita so begeistert, dass er in seiner Heimat eine identische Kita aufbauen wollte. Es wurden sogar Fotos geschickt.
So sind die LGAI-Kinder für die Kita einfach die größte Bereicherung – weil die Kinder voneinander lernen: soziale Kompetenz. Unsere deutschen Kinder spielen mit Kindern und freunden sich mit denen an, die nicht unsere Sprache sprechen, die eine andere Hautfarbe haben, die anders essen, die andere Tiere lieben. Das ist einfach gelebtes Miteinander!
Und deshalb ist das auch für mich persönlich hier eine totale Bereicherung. Ich könnte hier nicht mehr weg. Alles woanders würde langweilig sein. Meine Zeit hier habe ich nie bereut. Und wir werden ja auch toll unterstützt – etwa von den Soldaten, die beim Kinderfest die Zelte aufgebaut und alles organisiert haben. Die kriegen dafür noch ordentlich Chips und andere Leckereien. Und unsere Kinder werden für sie auch Bilder malen.