Corona verändert alles: Soldat spricht über Leben in der Kaserne

Corona verändert alles: Soldat spricht über Leben in der Kaserne

Datum:
Ort:
Hamburg
Lesedauer:
4 MIN

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Es ist still in diesen Tagen an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Kaum ein Mensch ist weit und breit in der Clausewitz Kaserne zu sehen. Keine Autos passieren die Straßen, weder Gespräche noch ein Lachen sind zu hören, nur die Vögel zwitschern laut vor sich hin. Ab und an kraxelt ein Eichhörnchen den Baum hoch und die Enten am Teich drehen gemütlich ihre Runden. Idyllisch könnte man meinen. Doch das täuscht. Es sind vielmehr die Auswirkungen des Coronavirus, die nicht nur dort, sondern mittlerweile auch auf der gesamten Welt zu spüren sind. Oberstleutnant Miloje Zdravkovic aus Serbien dreht hier täglich seine Runden. Es ist die einzige Möglichkeit für den Lehrgangsteilnehmer des Generalstabs- und Admiralstabslehrganges International (LGAI), frische Luft zu schnappen und seine Stube in der Kaserne für ein paar Minuten zu verlassen.

Oberstleutnant Miloje Zdravkovic geht in der Kaserne spazieren (Übersetzung englisch und französisch)

Wenn Oberstleutnant Miloje Zdravkovic aus Serbien in der Kaserne spazieren geht, ist in diesen Tagen meist weit und breit kein weiterer Mensch zu sehen

Führungsakademie der Bundeswehr/Sophie Düsing


Er gehört zu den rund 40 Soldaten, die sich zurzeit in der häuslichen Absonderung in der Clausewitz Kaserne befinden. Nur mit Mundschutz und Handschuhen geht er auf dem Gelände spazieren. Auch das Desinfektionsmittel hat er immer griffbereit. Und wenn ihm doch mal jemand entgegenkommt, dann hält er mindestens drei Meter Abstand. „In Serbien sagen wir, wenn wir uns beschützen, beschützt uns Gott“, so der 47-Jährige. Ihm mache es nichts aus, diese Regeln zu befolgen. Sie seien seiner Meinung nach wichtig, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

Mundschutz und Handschuhe benötigt Oberstleutnant Miloje Zdravkovic

Immer wenn Oberstleutnant Miloje Zdravkovic seine Stube verlässt, trägt er einen Mundschutz und Handschuhe

Führungsakademie der Bundeswehr/Sophie Düsing

Eine Veranstaltung, die in Erinnerung bleiben wird

An dem Tag, als der Lehrbetrieb an der Führungsakademie der Bundeswehr sicherheitshalber eingestellt wurde, besuchte er mit seinem Lehrgang das niedersächsische Wunstorf. „Wir waren dort auf dem Flughafen und wollten uns den Airbus A400M anschauen. Unser Lehrgangsleiter hat uns dann erzählt, dass wir unsere Reise abbrechen müssen“, so Zdravkovic. Der Grund: An der Führungsakademie der Bundeswehr wurde eine Person positiv auf das Coronavirus getestet. Nur ein paar Tage zuvor fand die Veranstaltung der „Abend der Nationen“ statt – die internationalen Lehrgangsteilnehmenden hatten hier Speisen und Getränke aus ihrer Heimat angeboten und kamen mit Interessierten ins Gespräch. Die Person, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass sie mit dem Virus infiziert ist, nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich dadurch weitere Personen mit dem Virus infiziert haben, wurden die rund 350 Akademieangehörigen an dem Tag, als das Ergebnis vorlag, erst einmal nach Hause geschickt. Den internationalen Lehrgangsteilnehmenden wurde empfohlen, zurück zur Kaserne zu fahren und diese dann für die nächsten 14 Tage nicht zu verlassen.

Viel Zeit, aber keine Langeweile

„Ich habe dann mit meiner Frau und meinen zwei erwachsenen Kindern telefoniert und ihnen gesagt, was passiert ist“, sagt Zdravkovic und fügt hinzu: „Meine Frau hat mir fast das gleiche erzählt.“ Denn in seinem Heimatland Serbien wurde kurze Zeit später - am 15. März 2020 - der Notstand ausgerufen. „Corona ist eine Bedrohung für uns alle, aber auch eine große Chance für die Welt“, sagt der Lehrgangsteilnehmer und betont immer wieder, wie wichtig es ist, jetzt diszipliniert zu sein. Denn nur, wenn alle Menschen versuchen, ihre Kontakte für eine gewisse Zeit zu minimieren, kann sich das Virus nicht weiterverbreiten.

Oberstleutnant Miloje Zdravkovic während der Corona Isolation

Lesen, die Sonne genießen oder im Internet surfen: Oberstleutnant Miloje Zdravkovic aus Serbien weiß sich in der Kaserne zu beschäftigen

Foto: Führungsakademie der Bundeswehr/Sophie Düsing (2) und Privat (2), Collage: Marie Kellermann


Wenn der 47-Jährige früh sein Lunchpaket in der Truppenküche abholt, dann hält er auch hier den Abstand zu anderen Personen ein, gegessen wird auf der Stube. „Danach lese ich Zeitung und surfe im Internet. Ich möchte wissen was lokal, aber auch global passiert ist.“ Normalerweise sitzt er morgens und nachmittags im Unterricht an der Akademie, doch in diesen Tagen nutzt er die Zeit zum Telefonieren, zum Lesen oder Sport treiben. „Es ist sinnlos, nur zu sitzen oder zu schlafen“, sagt der Soldat. Gelangweilt hat er sich bisher aber nicht. Denn er ist der „Point of contact“, also eine Anlaufstelle für Tutoren und Kameraden, die sich in der Kaserne befinden. Da jedoch auch hier der persönliche Kontakt vermieden werden soll, tauschen sich die Soldaten über eine Chatgruppe aus. Mal wird nachgefragt, wo es neue Bettwäsche gibt, ein anders mal geht es um neues Desinfektionsmittel oder einfach nur darum, miteinander zu kommunizieren. Abends erhalten die Offiziere eine warme und kostenlose Mahlzeit vom Verein Gemeinsame Heimgesellschaft, kurz GHG. „Wir werden hier gut versorgt“, sagt er. 

Ausrüstung kann diesen Gegner nicht besiegen

Eines ist dem Luftwaffenoffizier in den vergangenen Tagen deutlich geworden: „Unsere Ausrüstung wie Flugzeuge, U-Boote, Panzer oder Schiffe sind sinnlos, weil wir einen anderen Gegner haben. Unser Gegner ist unsichtbar, schnell und wir können ihn mit unserer Ausrüstung nicht bekämpfen.“ Es ist in dieser Situation nicht wichtig, an welche Religion man glaubt, ob man schwarz oder weiß ist oder welcher Nation man angehört, sagt Oberstleutnant Miloje Zdravkovic. „Es ist wichtig, dass wir mehr Empathie zeigen, mehr Einheit, Solidarität und Selbstlosigkeit.“


von Sophie Düsing  E-Mail schreiben

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