„Blick ins Gelände“: von Australien bis Japan
„Blick ins Gelände“: von Australien bis Japan
- Datum:
- Ort:
- Asien
- Lesedauer:
- 5 MIN
Rund 20 Teilnehmende des Lehrgangs Generalstabs-/Admiralstabsdienst National (LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National) 2021 haben weite Reisen unternommen, um für ihre Studienphase zum Thema „Indo-Pazifik“ zu recherchieren. In Australien, Indien, Indonesien, Japan, Malaysia, Singapur, Südkorea und Vietnam sprachen Delegationen von zwei bis drei LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National-Angehörigen mit Vertretern von Botschaften, militärischen Institutionen, Think Tanks und akademischen Forschungseinrichtungen, um „Möglichkeiten und Grenzen für Aufgaben und Beiträge deutscher Streitkräfte“ im Indo-Pazifik auszuloten.
Für Korvettenkapitän Hendrik H. zum Beispiel war die Reise nach Japan ein „wertvoller Austausch im geschützten Raum“. „Die Gespräche vor Ort haben uns ein besseres Gespür für kulturelle Besonderheiten, strategisches Denken und sicherheitspolitische Prioritäten gegeben“, sagt der Lehrgangsteilnehmer, der mit zwei Kameraden eine Woche das Land besuchte.
Japan sieht Deutschland als „ehrlichen Makler“
„Man versteht wesentlich besser, welches Bedrohungsgefühl in Japan herrscht, wenn man vor Ort hört, wie Nordkorea seine Kontinentalraketen testet und die über Japan hinweg fliegen. Wenn wir das aus den Medien erfahren, klingt es für uns abstrakt - in Japan ist diese Bedrohung greifbar.“ Hendrik H. und seine Kameraden haben bei der Reise auch viele Gemeinsamkeiten zwischen Japan und Deutschland entdeckt: demokratische Werte, eine starke Industrie, eine enge Partnerschaft mit den USA, eine ähnliche Wahrnehmung Chinas als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale.
Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als Katalysator habe Japan seine Haltung in puncto außen- und sicherheitspolitischem Engagement grundlegend geändert, sagt Korvettenkapitän H. „Japan sieht sich jetzt stärker als Gestalter der internationalen Ordnung und fängt an, sich von seiner traditionellen Zurückhaltung zu lösen.“
Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Europa werde jedoch immer wieder die Frage aufgeworfen, wie ernst Deutschland ein Engagement im Indo-Pazifik fortführen könne. „Man erwartet schon eine gewisse Regelmäßigkeit“, sagt H. – „nicht um der Präsenz willen, sondern um ein Zeichen zu setzen, dass Deutschland als guter Makler ohne koloniales Erbe die Region mitgestalten will.“ So wünsche sich Japan etwa eine dauerhafte Beteiligung Deutschlands an der Überwachung der VN-Sanktionen gegen Nordkorea. Daran hatte sich die Fregatte „Bayern“ bereits vorübergehend während ihrer Fahrt durch den Indo-Pazifik beteiligt.
Das deutsche Schiff machte auf seiner diplomatischen Mission Ende 2021 auch in Singapur fest. Den kleinen Insel- und Stadtstaat besuchten weitere drei Teilnehmer des LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National 2021. „Singapur gehört zu den Ländern in der Region, von denen wir viel lernen können“, sagt Oberstleutnant Nico R., „gerade im Bereich der Cyber-Sicherheit“. Diese werde dort als kollektive Verantwortung begriffen. So hätten er und seine Kameraden darüber gestaunt, dass in fast allen Einkaufszentren Informationsstände zum Thema „Cyber-Sicherheit“ zu finden seien. Bereits Kinder würden auf diese Weise mit dem Thema vertraut gemacht, berichtet R.. Durch Investitionen in Technologie einerseits und Bildung andererseits erwüchsen dem Land große Chancen.
Singapur ähnelt Deutschland im Denken
Trotz einer sehr kleinen Fläche entfalte Singapur eine immense Wirkung in der Region, als „Tor zu Asien“ habe es auf fast alle Anrainer erheblichen wirtschaftlichen und politischen Einfluss. Singapur hat großes Interesse an einer vertieften Zusammenarbeit mit Deutschland, lautet das Fazit der Reise. Nach deutschem Vorbild hat Singapur Ende 2022 eine Art Cyber-Kommando in Dienst gestellt.
Die Kooperation mit dem Kommando Cyber- und Informationsraum läuft bereits. „Vor dem Hintergrund zukünftig zu erwartender Konfliktbilder wäre eine vertiefte Zusammenarbeit in beiderseitigem Interesse“, sagt Oberstleutnant R.. Immerhin ähnelt Singapur Deutschland sowohl in seiner multilateralen Ausrichtung, als auch in Denkweisen und Führungsprozessen wie kein anderes asiatisches Land – eine Beobachtung, die der Lehrgang auch dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, vortragen wird.
Indien will Partnerschaft „auf Augenhöhe“
Eine weitere Abordnung des LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National recherchierte für eine Woche in Indien, das als zentraler Akteur in der Region gilt und in den vergangenen Jahren trotz großer innerer sozialer und politischer Konflikte eine enorme wirtschaftliche Entwicklung vollzogen hat. Indien ist nach China die größte Nation Asiens und nach der Bevölkerungszahl bereits heute das größte Land der Erde. Damit ist Indien „ein unverzichtbarer, aber auch fordernder Partner, der großes Potenzial hat für die Gestaltung der internationalen Ordnung“: Das hat Oberstleutnant Stefan B. als zentrale Erkenntnis von der Studienreise nach Neu-Delhi mitgenommen.
Bei Indien komme es ganz stark auf „kulturelles Fingerspitzengefühl“ an. „Indien ist extrem selbstbewusst und sieht sich als Partner mindestens auf Augenhöhe.“ Indien sei grundsätzlich offen für ein deutsches Engagement in der Region, beispielsweise in Form von gemeinsamen Manövern und verstärkten Übungen der Streitkräfte sowie Partnerschaften bei neuen Technologien. Wichtig seien Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit.
Korea wünscht sich deutschen Beitrag
Diese Erkenntnis brachten alle Lehrgangsteilnehmer von ihren Studienreisen mit: Die Länder im Indo-Pazifik suchen beständige und verlässliche Partner, weil Deutschland – noch – als neuer Akteur in der Region wahrgenommen wird. Auch Major Manuel K., der mit einer LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National-Delegation die Republik Korea besuchte, registrierte diesen Wunsch nach Wiederholung.
Nachdem im Dezember 2021 die Fregatte „Bayern“ im Hafen von Busan festgemacht hatte, hätten die Koreaner gesagt: „Schön, dass Ihr einmal da wart – aber wann kommt Ihr wieder?“ Sorgen gebe es hier vor allem mit Blick auf die „sicherheitspolitische Herausforderung Nordkorea“.
„Das Land befindet sich im kalten Konflikt“, sagt K. „Es gibt keine große Schere zwischen Bedrohungswahrnehmung und entsprechenden Maßnahmen.“ Beispielsweise seien U-Bahn-Stationen bereits als Schutzbunker mit ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Masken-Depots eingerichtet. „In Südkorea ist ein deutscher Beitrag sehr erwünscht“, nahmen Manuel K. und seine Kameraden von ihrer Reise mit. Konkret wünsche man sich auch hier eine Beteiligung an den VN-Sanktionen gegen das Nachbarland Nordkorea.
USA als Schutzmacht und zentraler Akteur
Die Republik Korea lehnt sich – wie viele andere Länder der Region – an die USA als Schutzmacht an. Mit diesem zentralen Akteur der „Great Power Competition“ hat sich der gesamte Lehrgang genauer beschäftigt; eine knapp zweiwöchige USA-Reise unternimmt jeder Lehrgang während der zweijährigen Ausbildung an der Führungsakademie der Bundeswehr. So hat der LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National 21 beispielsweise das United States Indo-Pacific Command besucht, das zentrale Kommando der USUnited States-Streitkräfte, die das amerikanische Engagement in dieser Region koordiniert.
Einfluss in die Ergebnisse der Studienphase hatte auch die Teilnahme von zwei Generalstabsoffizieren, die als einzige Deutsche unter 3500 Soldatinnen und Soldaten aus 16 Nationen zwei Wochen lang bei den Übungen „Equateur“ und „Croix de Sud“ auf Neukaledonien dabei waren.
Zu welchen Schlussfolgerungen und Empfehlungen der LGANLehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National 2021 gekommen ist, wird sich der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, am kommenden Mittwoch an der Führungsakademie der Bundeswehr anhören. Er hat die Analyse beauftragt. Mit ihm werden rund 150 zivile und militärische Spitzenführungskräfte nach Hamburg kommen, um sich von den angehenden Generalstabsoffizieren vortragen zu lassen, welche Grenzen und Möglichkeiten es für Aufgaben und Beiträge deutscher Streitkräfte im Indo-Pazifik gibt.